Als es auf Læsø an Baustoffen fehlte, erfand man die Dachdeckung mit Seegras. Vielleicht kommt die Technik bald auf die UNESCO-Welterbe-Liste.

Als es auf Læsø an Baustoffen fehlte, erfand man die Dachdeckung mit Seegras. Vielleicht kommt  die Technik bald auf die  UNESCO-Welterbe-Liste.
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Dänische Delikatessen: Ein Guide zur traditionellen Küche des Landes

Kulinarik
Dänemark

Die kleine Insel Læsø im Norden Dänemarks hat drei Zutaten für einen genussvollen Abstecher: eine seit dem Mittelalter bestehende Salzgewinnung, einmalige Häuser mit Seegrasdächern und köstlichen Hummer.

Im nördlichen Kattegat liegt das etwa hundert Quadratkilometer große Eiland Læsø mit rund 1800 Einwohnern, das Dänemark-Urlauber gerne für einen Tages- oder Wochenendausflug ansteuern. Seine Besonderheit ist die Salzsiederei, die seit dem Mittelalter Tradition hat. Schon ab 1150 nutzten die Menschen die guten Voraussetzungen zur Gewinnung des wertvollen Konservierungs- und Würzmittels: Das flache Grundwasser mit seinem relativ hohen Salzgehalt – zwölf Prozent statt der üblichen zwei im Meer­wasser – wird von Siedesalinen eingedampft. Die lokale Salzsiederei (Læsø ­Saltsyderi) führt die Tradition bis heute fort. Dort können Besucher beobachten, wie das Salzwasser aus einem nahen Brunnen über Holz­feuer in Becken erhitzt wird, bis nur noch die weißen Kristalle übrig bleiben. Das so entstandene Gewürz gibt es vor Ort im Shop zu kaufen. Wer möchte, kann sogar selbst Hand anlegen und die ­traditionsreiche Technik ausprobieren.

Die Mönche des Klosters Vitskøl (östlich von Aalborg) gehörten zu den Ersten, die auf Læsø Salz siedeten. Aus dieser Entdeckung machte der Bischof von Viborg im 13. Jahrhundert ein gewinnversprechendes Geschäftsmodell: Das Bistum kaufte die Insel und gab armen Bauern die Möglichkeit, der Leibeigenschaft zu entkommen und sich auf Læsø als Freie anzusiedeln – unter der Voraussetzung, dass sie Salz­kessel errichteten und Salzsteuer an die Kirche zahlten.

Architektur mit Seegras

Bis zur Reformation 1537 lagen die Geschicke von Læsø in der Hand des Bistums, das entschied, wer sich wo ­ansiedelte, wie viel Salz gesiedet wurde und wie mit dem Waldbestand ­umgegangen wurde. Doch nach der Enteignung durch die Krone wurde die Insel von Chaos heimgesucht: Innerhalb eines Jahrhunderts war der Wald geplündert und von den 135 Salz­werkstätten keine einzige mehr aktiv.

Es folgten drei Jahrhunderte, in denen es auf Læsø an so ziemlich allem fehlte – vor allem an Holz für Häuser. Dadurch entstand eine neue, weltweit einzigartige Bautechnik, bei der die auf der Insel verfügbaren Werkstoffe auf neue Art und Weise zum Einsatz kamen: Kieselsteine für die Böden, Lehm für den Mauerbau – und für die Dächer das ­Gewöhnliche Seegras (Zostera marina), das in rauen Mengen angespült wurde. Es dämmt Wärme, ist feuerfest und verrottet dank seines hohen Salzgehalts auch nicht. Man muss es nur hoch genug stapeln, dann ist es auch wasserdicht. Auf den ­ersten Blick wirkt es, als würde das Mate­rial wie aufgehender Teig aus dem Haus hervorquellen. Kein Wunder: Die ­deckende Schicht ist bis zu zwei Meter dick.

Verschiedene nahrhafte Tangarten werden zu Delikatessen verarbeitet und in Hofläden verkauft.
© Laban Stories
Verschiedene nahrhafte Tangarten werden zu Delikatessen verarbeitet und in Hofläden verkauft.

Die meisten der 20 erhaltenen Seegrashäuser sind in Privatbesitz und können nur von außen besichtigt werden, doch zwei Exemplare – Museums­gården und Hedvigs Hus – sind der Öffentlichkeit zugänglich. Mit seiner bewegten Geschichte ist Læsø ein Beispiel dafür, wie eine Gemeinschaft ausgehend von Gesetzen und naturgegebenen Bedingungen neue Existenzgrund­lagen finden musste. Seit Ende 2023 stehen die Salzsiederhütten und die Seegrashäuser auf der dänischen Tentativliste – das Land strebt also ihre Aufnahme ins UNESCO-­Weltkulturerbe an.

Mittlerweile werden neben dem ­Gewöhnlichen Seegras noch viele andere der 200 Algenarten genutzt, die in den ­sauberen Gewässern rund um Læsø vorkommen. Die Kleinunternehmerin Rie Ladefoged hat 2014 Læsø Tang gegründet und verarbeitet nahrhaften Zucker-, Blasen- und Sägetang zu Backwerk, Salat, Kosmetik und mehr. Ihre Erzeugnisse gibt’s im eigenen Hofladen.

Krustige Spezialität

Læsø war und ist auch eine Insel der ­Fischer, die allerlei Köstlichkeiten aus dem Kattegat ziehen. Ihre bekannteste Spezialität ist der Kaisergranat (Nephrops ­norvegicus), der in Dänemarks Gewässern selten so reichlich vorkommt wie rund um Læsø. Im großen Stil wird die Art allerdings erst seit den Sechzigern befischt. Um die reichlichen Fänge länger haltbar zu machen, wurde 1963 die Konservenfabrik Læsø Fiskeindustri gegründet, die nach wie vor besteht und wie zu Beginn immer noch zu 95 Prozent der lokalen Bevölkerung gehört: den Fischern und ihren Nachkommen sowie Angestellten und Leuten mit einem Bezug zur Insel.

Kaisergranate kommen rund um Dänemark selten vor, aber vor Læsø – der nördlichsten kleinen Insel des Landes – werden sie reichlich gefangen.
© Ditte Ingemann
Kaisergranate kommen rund um Dänemark selten vor, aber vor Læsø – der nördlichsten kleinen Insel des Landes – werden sie reichlich gefangen.

Mehrere Restaurants auf Læsø servieren die maritime Spezialität – allen voran das »Haus des Hummers« (»Hummerens Hus«). Diese ganzjährig geöffnete Gaststätte bietet den Kaisergranat (auf Dänisch »Jomfruhummer«) als Suppe, Soufflé und im Ganzen an. Daneben gibt es den Fang des Tages, Fleischgerichte und vegetarische Alternativen. Das Restaurant liegt in der Nähe des Fähranlegers, und nach dem Essen lockt ein Verdauungsspaziergang am Kongestrand – einem von zahlreichen Sandstränden entlang der fast hundert Kilometer langen Inselküste. Die Meerbrise erinnert an die ersten Salzsieder – und daran, dass Læsø ein einmaliger kleiner Fleck mitten im Kattegat ist.

Am Hafen Vesterø Havn legt die Fähre von Frederikshavn an, außerdem dient er als Yachthafen für Freizeitboote. Aber auch zehn Fischerboote sind dort zu Hause. Die restlichen Berufsfischer laden ihren Fang am Østerby Havn ab.
© Lisa Arnold
Am Hafen Vesterø Havn legt die Fähre von Frederikshavn an, außerdem dient er als Yachthafen für Freizeitboote. Aber auch zehn Fischerboote sind dort zu Hause. Die restlichen Berufsfischer laden ihren Fang am Østerby Havn ab.

Hotel

Lærkely
Dieses idyllische Gasthaus – ein Vierseiten-hof von 1820 – liegt im Osten der Insel abseits des Hafentrubels und umgeben von einem Waldgebiet. Die Gastgeber legen besonderen Wert auf Ruhe und Erholung in einer ländlich-romantischen Umgebung. Neben zwölf Doppelzimmern gibt es ein Restaurant, das in erster Linie mit Zutaten aus der Region kocht.

Nordmarksvej 1, 9940 Læsø
T: +45 98 498344, laerkely.dk

Restaurant

Hummerens Hus
Im »Haus des Hummers« werden Fisch und Meeresfrüchte großgeschrieben. Die Spezialität der Insel (Kaisergranate oder »-Jomfruhummer«) gibt es ganz oder als Suppe. Aber auch Lachs, vegetarische Alternativen und klassische Desserts stehen auf der Karte.

Vesterø Havnegade 5, 9940 Læsø
T: +45 41 240426, hummerenshusrestaurant.dk

Aktivitäten

Læsø Saltsyderi
Die Salzsiederei ist die größte Attraktion der Insel und kann ganzjährig besucht werden (Mitte Oktober bis Mitte März Montag bis Samstag, sonst täglich). Wer möchte, kann das Salzsieden selbst ausprobieren. Im Geschäft »Saltboden« sind Kräutersalz und mehr im Angebot.

Hornfiskrønvej 3, 9940 Læsø
T: +45 98 491355, laesoesalt.com

Læsø Tang
Im Hofladen von Rie Ladefoged gibt es allerlei Spezialitäten aus und mit Seetang.

Doktorvejen 16, 9940 Læsø
T: +45 20 234911, laesoetang.dk

Læsø Museum
Das Heimatmuseum der Insel ist über mehrere Gebäude verteilt. Im Hauptgebäude sind Ausstellungen über Fischfang und Seefahrt zu sehen (Byrum Hovedgade 68). Und »Hedvigs Haus« ist ein Paradebeispiel der inseleigenen Bauten mit Seetangdach (Linievejen 36).

T: +45 98 498045, laesoe-museum.dk

Anreise

Die Fähre auf die Insel Læsø legt in Frederikshavn ab (fünf Fahrstunden von -Kopenhagen entfernt). Die Reederei heißt Læsøfærgen und verkehrt täglich: In der Nebensaison gibt es drei bis vier Abfahrten pro Richtung, im Sommer sechs bis sieben. In 90 Minuten ist man am Ziel. Wer sein Auto mitnehmen möchte, zahlt umgerechnet etwa 56 Euro pro Richtung (inklusive Passagiere).

laesoe-line.dk


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Erschienen in
Falstaff Nr. 05/2024

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Lisa Arnold
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