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Ajvar: Die Grillsauce vom Grill

Kulinarik
Paprika
Sauce
Balkan
Rezept

Tobias Müller widmet sich den nicht alltäglichen Genüssen. Diesmal: Ajvar, das Ketchup des Balkans.

Vom Feuerkochen verstehen die Menschen am ­Balkan was. Im ­bosnischen Grillgürtel drehen sich entlang jeder Straße den ganzen Tag Kitze, Lämmer und Ferkel am großen Grill über lodernden Holzscheiten, in fast jedem Wirtshaus schmort im offenen Kamin ein Eintopf unter einer großen Metallglocke, die mit glühenden Kohlen bedeckt ist – Sacˇ sagt man hier zu dem Gerät, der Tagine des ­Balkans. Sie wird nicht nur verwendet, um Fleisch löffelweich zu kriegen, sondern auch, um darin herrlich flaumige Kuchen zu backen.

Es wundert daher wenig, dass auch die berühmteste Sauce der Gegend, der Ajvar, ein Kind des Feuers ist: Die vielen Paprika, aus der er gekocht wird (und je nach Gegend noch ein bissl Melanzani) werden erst über der Glut gegrillt, damit die Schale außen verkohlt – erstens lässt sie sich dann leicht lösen und zweitens gibt das dem Gemüse den unvergleichlichen, zart ­rauchigen Geschmack.

Balkanesen nennen Ajvar gern den Kaviar des Balkans, weil er so viel Arbeit macht, zumindest, wenn man ihn ganz traditionell zu Hause macht: Nach dem Grillen müssen die Paprika geschält werden, dann dürfen sie eine Nacht auskühlen, damit möglichst viel Saft austritt. Dann wird das Fleisch mit den Händen in kleine Stücke gezupft und dann, wie könnte es anders sein, über ­offenem Feuer stundenlang gerührt, bis sich eine dicke Paprikamarmelade bildet. Die süßsauren Paprika, bittere Melanzani und Rauch mischen sich dabei zu einem cremigen Ganzen, das tief und vielseitig und süchtigmachend schmeckt.

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Traditionell wird es eher im Winter gegessen – einst wurde es nicht gekocht, weil es köstlich ist, sondern weil es die Früchte des Sommers konserviert. Ich persönlich liebe es aber im Sommer zu gegrilltem Fleisch oder, am allerbesten, Eierspeise: Es gibt den Eiern eine üppig-rauchige Süße und lässt sie verführerisch nach Feuer schmecken, ähnlich wie Menemen, das klassische türkische Omelett.

Ajvar dürfte auf eine osmanische Kochtradition zurückgehen, die die einstigen Eroberer auf dem Balkan zurückließen – bis heute wird die Paprikamarmelade (und ihre Cousins wie das mazedonische Pinjur) von Serbien bis Griechenland gegessen und gekocht. Ganz klassisch wird er am Balkan aus »Roga Paprika« gekocht, was so viel wie Hornpaprika heißt und die Form des länglichen Spitzpaprikas ganz gut beschreibt. Vor allem in der Vojvodina, der fruchtbaren Ebene im Norden Serbiens, gedeihen sie prächtig. Zum Rösten der Paprika werden traditionell gerebelte Maiskolben verfeuert, weil die besonders heiß und raucharm ­glühen und außerdem im Spätsommer nach der Ernte zuhauf verfügbar sind. Kohlen tun es natürlich aber auch.

Gekaufter Ajvar wird niemals so gut schmecken wie selbst gemachter, schon allein, weil so viel Arbeit darin steckt. Machen Sie stets gleich größere Mengen und planen Sie zwei Nachmittage dafür ein, einen zum Grillen und einen zum Einkochen. Am besten wird er, wie am Balkan, im Freien zubereitet, mit vielen Freunden und genug Schnaps. Mein Rezept stammt von Mile Borjanovicˇ, einem großartigen Koch aus der Gegend um Banja Luka. Bei einem C´evapi-Gastspiel im Burgenland hat er mit mir Ajvar gekocht.

Wer keine Zeit und Lust hat: Mittler­weile gibt es auch sehr guten Ajvar im Glas zu kaufen: Die Firma BioBalkan etwa importiert ihn aus ­Serbien von einer Frauenkooperative, deren Mitglieder ihn tatsächlich noch auf offenem Feuer rühren.

ZUM AJVAR REZEPT


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Erschienen in
Falstaff Rezepte 02/2024

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Tobias Müller
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