Scheibchenweise: Für die meisten Gerichte wird die Aubergine aufgeschnitten – und kräftig entwässert. Immerhin besteht sie zu 93 Prozent aus Wasser.

Scheibchenweise: Für die meisten Gerichte wird die Aubergine aufgeschnitten – und kräftig entwässert. Immerhin besteht sie zu 93 Prozent aus Wasser.
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Vielfältiges lila Gemüse: Ode an die Aubergine

Hierzulande fristete das Schattengewächs lange Zeit auch kulinarisch ein Schattendasein. Dabei lassen sich der Aubergine, wenn sie nur richtig zubereitet wird, herrliche Aromen entlocken. Ob frittiert oder gefüllt, überbacken und geschmort, ob kross oder fast cremig-sanft: Die weit gereiste Frucht punktet mit Vielseitigkeit.

Außen hart, innen schwammig. Die Aubergine genießt hierzulande nicht eben den besten Ruf. Kulinarisch hat die auf den ersten Blick ­unelegante Eierfrucht im mittel- und nord­europäischen Raum keine nennenswerte kulinarische Tradition, ins Blickfeld einer breiteren (jungen) Öffentlichkeit geriet sie zuletzt eher dank ihres Zweitjobs als zweifelhaft-zweideutiges Emoji. Streiten lässt sich über ihren Namen – geht man mit der dem Französischen entliehenen Aubergine oder der temperamentvoll italienischen Melanzani? –, vor allem aber über ihre Zubereitung. Tatsächlich gibt sich die Aubergine in der Verarbeitung prätentiös. Roh ist sie wenig schmackhaft bis bitter; das in ihr enthaltene, giftige Solanin sorgt für Bauchschmerzen.

Nach dem Aufschneiden färbt sich ihr weißes Fruchtfleisch rasch unappetitlich braun. (Daran trägt erneut das Solanin die Schuld.) Wird sie gebraten oder geschmort, macht dem Koch oder der Köchin ihr hoher Wasseranteil von 93 Prozent (der Spitzenreiter, die Salatgurke kommt auf 97 Prozent) zu schaffen. Wird die Aubergine nicht richtig (vor-)behandelt, gerät das beste Gericht zur Wasserschlacht. Wer sich ihr kundig nähert, kann ihr hingegen die feinsten Aromen entlocken. Kein Wunder, dass sie in weiten Teilen der Welt nicht Neben-, sondern Hauptdarsteller vieler Gerichte ist.

Um ihr Wesen zu verstehen, muss man aber nicht an ihren Ursprung ins ferne Asien reisen, wo sie seit mehr als 4000 Jahren angebaut wird und in der Kombination mit Miso, Erdnuss oder Sojasauce für eine wahre Umami-Explosion sorgt. Über die Jahrhunderte hat sich die Aubergine kulinarisch auf den Weg über den orientalischen Raum (die würzig-rauchige Auberginencreme Baba Ganoush ist eine Klasse für sich) bis nach Südeuropa gemacht, wo ihre Verwendung seit dem 15. Jahrhundert freudvoll perfektioniert wird. Zu uns kam sie deutlich später, maßgeblich beteiligt waren die griechischen »Gastarbeiter«, die Deutschland in den Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg aktiv ins Land holte.

Die Suche nach der perfekten Aubergine führt daher zurück nach Griechenland. Das allgegenwärtige Moussaka, das in den Touristenregionen auf jeder Speisekarte steht, lassen wir links liegen (dort ist außerdem die saftige Fleischfülle der Star, nicht die Aubergine) und ziehen weiter in die kleinen Dörfer. Der Perfektion sehr nahe kommen wir auf Rhodos, im kleinen Dorf Psinthos, das von den Touristenmassen des nahen Schmetterlingstals fast überraschend verschont blieb. Auf dem Dorfplatz hat sich Georgios Markou jenen Traum erfüllt, den Udo Jürgens in »Griechischer Wein« so emotional besingt.

Der Gastarbeitersohn ist in die alte Heimat zurückgekehrt und hat mit seiner Frau Tsambika die Taverne »Smaragd« eröffnet, die die vielleicht ehrlichste Küche der Insel bietet. Auf der Karte findet man »Boureki«, gegrillte Auberginenröllchen, die man in dieser Zubereitung fast nirgendwo sieht. Gebettet sind sie auf Tomatensauce, gefüllt mit Käse, und sie zerfließen nahezu auf dem Gaumen. Die frittierten Auberginenscheiben – längs, nicht quer geschnitten! –, die ebenfalls auf der Karte sehen, sind wiederum außen so knusprig, dass es kracht.

Gut Ding braucht Weile

Wie also nähern wir uns der Aubergine, damit sie ihre Kraft ausspielen kann? Sie braucht Zeit. Bevor sie gegrillt, gebraten oder geschmort wird, wird sie – in Scheiben oder Würfel geschnitten – gehörig gesalzen. 30 Minuten oder länger darf sie rasten und kräftig ausgedrückt werden, bis ihr genügend Wasser und zugleich allfällige Bitterstoffe entzogen wurde. Beim Frittieren spritzt es zudem weniger und die Scheiben werden herrlich knusprig. (Etwas Mehl oder Brösel, darauf schwört Tsambika, können zusätzlich helfen.)

Der griechische Koch Lazaros Kapageoroglou, dessen Weg von Mykonos über  Santorini, Kreta und Frankreich bis in die Schweiz führte, verzichtet hingegen auf das Salz. Er gibt der Aubergine umso mehr Zeit im Rohr und lässt sie in ihrem eigenen Saft und einer Marinade aus Kreuzkümmel, Paprikapulver und Thymian schmoren: Die halbierte Aubergine wird im Zickzack-Muster eingeschnitten, mariniert und darf mit der Schnittfläche nach unten (die Haut dient als Schutz vor dem Austrocknen) 30 Minuten backen, bevor sie etwa mit würziger Fleischfülle weiterverarbeitet wird.

Für die Bevölkerung von Leonidio ist eine erfolgreiche Auberginenernte Grund für ein mehrtägiges Fest.
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Für die Bevölkerung von Leonidio ist eine erfolgreiche Auberginenernte Grund für ein mehrtägiges Fest.

Das Fest der Aubergine

Eine ihrer Stärken: Die Aubergine verträgt sich mit einer Vielzahl von Gewürzen und kann so stets neu interpretiert werden. Sesam, Knoblauch, Ingwer, Chili? Oregano, Thymian, Rosmarin, Salbei? Kreuzkümmel und Koriander? Der Kreativität sind kaum Grenzen gesetzt. Zitrone tut ihr immer gut. Selbst als Nachspeise hält sie her – karamellisiert, als Brownie, oder wie an der Amalfiküste mit Schokolade. Auch optisch kann die Aubergine mehr, als ihr Ruf vermuten lässt. In Lila präsentiert sich nur jene Sorte, die in Supermärkten die Oberhand hat. Andere sind weiß, grün, orange, rot – oder gar gestreift. Apropos gestreift: Vielleicht führt die Suche nach der perfekten Aubergine nach Nordgriechenland, in das beschauliche Dorf Leonidio, das sich an zehn Tagen im Jahr Ende August gar nicht so beschaulich ausnimmt. Dann findet das Auberginenfest statt, das der »tsakonischen Aubergine« gewidmet ist, deren Anbau sich die Region verschrieben hat – und deren Ursprungsbezeichnung man sich im Jahr 1996 gar von der Europäischen Union schützen ließ.

Die Tsakoniki-Aubergine ist lilafarben mit weißen Streifen – und die perfekte Wahl für jene, denen die Zubereitung bisher zu aufwendig war. Die Sorte gilt als süßer als ihre Verwandten, ihr Fleisch ist fester und muss nicht gesalzen werden. Und auch, wenn die Dorfgemeinschaft von Leonidio darauf schwört, dass sie nirgendwo so gut und geschmackvoll heranreift wie auf den Böden der Region: Zumindest ihre Samen kann man auch hierzulande kaufen und anpflanzen. Der Siegeszug der Aubergine ist noch lange nicht zu Ende.

Bis zu 1,5 Meter werden die mehrjährigen Auberginenpflanzen hoch, ihre Früchte reifen meist im August ab.
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Bis zu 1,5 Meter werden die mehrjährigen Auberginenpflanzen hoch, ihre Früchte reifen meist im August ab.

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Erschienen in
Falstaff Nr. 03/2024

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Christoph Schwarz
Christoph Schwarz
Chefredakteur
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Die kleinen, mediterranen Röllchen eignen sich optimal als Vorspeise oder auch als Hauptgericht.
Von Lazaros Kapagenoroglou