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Tohru Nakamura im Interview: Warum »The Bear« ihn nicht loslässt

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Tohru Nakamura, leidenschaftlicher Fan der Erfolgsserie »The Bear«, wurde Ende Juli eine besondere Ehre zuteil: Der Zwei-Sternekoch durfte das exklusive Vorab-Screening der dritten Staffel in Deutschland ausrichten. Im Interview spricht er über die Parallelen zwischen seinem und Carmys Leben, erklärt, warum die Serie auch Fine-Dining-Neulinge in ihren Bann zieht – und verrät seine persönliche Geheimzutat für das perfekte Rührei.

Binge-Watching ausgeschlossen – zumindest für Tohru Nakamura. Der Zwei-Sternekoch ist zwar großer Fan der Erfolgsserie »The Bear«, aber am Stück schauen kann er sie trotzdem nicht. Zu aufwühlend sei die Geschichte rund um Carmen (»Carmy«) Berzatos und sein Team – besonders, wenn man selbst in der Branche arbeitet, wie er.

Nakamura, 1983 als Sohn eines Japaners und einer Deutschen in München geboren, ist bekannt für seine feine, innovative Küche, die eine Brücke zwischen japanischer und europäischer Kochkunst schlägt. Dafür wurde ihm sogar von der japanischen Regierung der Titel »Japanese Cuisine Goodwill Ambassador« verliehen. Wie das schmeckt, können Gourmets seit 2021 in seinem mit zwei Michelin-Sternen ausgezeichneten Fine-Dining-Restaurant »Tohru in der Schreiberei« erleben. Ein Jahr später folgte das Brasserie-Konzept im Erdgeschoss und Innenhof des ältesten Bürgerhauses der Stadt.

Kakigori in der Kühlkammer

Die Freude war groß, dass Nakamura Ende Juli hier Gastgeber des exklusiven Vorab-Screenings der ersten beiden Folgen der dritten Staffel von »The Bear« in Deutschland sein durfte. Dafür hat sich nicht nur das Team seiner Restaurants in das mit Hauptdarsteller Jeremy Allen White berühmt gewordene weiße T-Shirt geworfen, auch die Gäste durften für einen kurzen Moment in die Rolle von Carmy schlüpfen. Ein kulinarisches Highlight wartete im Keller auf sie, genauer gesagt in der Kühlkammer. Fans dämmerte es sofort: Hier endete die zweite Staffel, als Carmy sich in eben jener einsperrte und so den Eröffnungsabend verpasste. Ganz so schlimm erging es ihnen aber nicht, Nakamura und sein Team versorgten die Gäste mit Kakigori, dem berühmten japanischen Shaved Ice.

 

Herr Nakamura, die Premiere der dritten Staffel von »The Bear« fand in Ihrem Zwei-Sternerestaurant »Tohru in der Schreiberei« in München statt, weil sie selbst großer Fan der Serie sind. Was macht »The Bear« für Sie als Koch fesselnd?

Die Serie zeigt die Transformation eines Imbisses in ein Fine-Dining-Restaurant – eine Entwicklung, die wir ähnlich durchlebt haben: Während der Pandemie haben wir im Innenhof der Schreiberei vorübergehend einen Streetfood-Market betrieben, bis wir Ende 2021 das Fine-Dining-Restaurant »Tohru in der Schreiberei« eröffnen konnten. Dadurch fiebere ich auf eine besondere Weise mit dem Serienprotagonisten und seinem Team mit, weil ich die Herausforderung nur zu gut nachfühlen kann.

Viele Gäste blicken durch die Serie das erste Mal hinter die Kulissen eines Restaurantbetriebs. Zeichnet »The Bear« ein realistisches Bild Ihres Berufs?

Es wird natürlich einiges überzeichnet, um die nötige Dramatik und Unterhaltung zu schaffen – das ist eben »Hollywood«. Die Serie lebt vom Chaos, das beispielsweise kurz vor der Eröffnung herrscht, fängt das Gefühl und die ständige Anspannung aber glaubhaft ein. Gerade in Küchen erstklassiger Restaurants geht es meiner Erfahrung nach nicht mehr so vulgär zu, wie es in der Serie dargestellt wird.

Das wiederum bestätigt das Bild, das viele vom Küchenalltag haben.

Ja, das stimmt. Die Serie ist unter anderem genau deswegen so erfolgreich. Ich kann nur von mir sprechen: Genau dieses Bild wollte ich nicht mehr vertreten und habe deshalb vor Jahren schon das Klima in unserem Team aktiv verändert. Dass dies nicht dem gängigen Bild entspricht, zeigt auch unsere Erfahrung: Wir begrüßen unsere Gäste am Anfang des Abends in der Küche und sie sind oft überrascht, wie ruhig es bei uns ist.

Warum fasziniert die Serie so viele Menschen, die eigentlich nichts mit Fine-Dining am Hut haben?

Viele Charaktere in »The Bear« kommen nicht aus der Branche. Die Serie zeigt den Prozess, wie Neulinge sich in der Welt der Gastronomie zurechtfinden müssen. Dieser Lernprozess macht die Serie auch für Zuschauer spannend, die keine Insider sind.

Wie geht es hinter den Kulissen von »Tohru in der Schreiberei« zu?

Wir arbeiten sehr strukturiert und diszipliniert. Während der Vorbereitungszeit läuft Musik, die motiviert, ähnlich wie beim Sport. Sobald die Gäste kommen, herrscht jedoch extreme Ruhe, Konzentration und Fokussierung. Jeder Schritt ist durchgetaktet. Das Restauranterlebnis soll nachhaltig bei unseren Gästen in Erinnerung bleiben. Da spielt die Küche eine Rolle aber vor allem das berühmte Drumherum. Für mich bedeutet das jeden Tag so zu arbeiten, als würden wir unsere Liebsten an Weihnachten zu uns nach Hause einladen.

In der Serie kann Carmy nie wirklich abschalten. Gelingt Ihnen das besser?

Früher fiel mir das Abschalten schwer. Das gelingt mir heute besser vor allem beim Schwimmen. Aber auch wenn ich zu Hause koche, kann ich super abschalten.

Mit der zweiten Staffel ging das Rührei-Rezept von Sydney viral, das sie »nur so nebenbei« für Carmys Schwester zubereitet. Auch Sie greifen gerne zu Eiern. Was macht Eierspeisen so beliebt?

Rührei ist ein klassisches Gericht, das schnell zubereitet ist aber dennoch einiges an Können erfordert. Es sind vor allem diese privaten Kochmomente, wenn man einfache Gerichte für andere zubereitet, die pure Emotionen auslösen. Im Restaurantalltag rückt das Kochen oft in den Hintergrund, weil die Präsentation auf dem Teller im Vordergrund steht, dabei steckt darin die meiste Wertschätzung, sowohl für die Mitmenschen als auch für die Zutaten.

 

Die Kombination aus Butter und Ei ist einfach pure Magie.

 

Sydneys Geheimzutaten sind Kräuterfrischkäse aus der Normandie und gebröselte Onion-Style-Chips. Welche Zutaten machen Ihr Rührei so besonders?

Ein kleiner Löffel japanische Mayonnaise. Und natürlich darf gebräunte Butter nicht fehlen – die Kombination aus Butter und Ei ist einfach pure Magie.

Was unterscheidet das Kochen zu Hause, von dem im Restaurant?

Zu Hause koche ich auf eine andere Art und Weise, ohne Anspannung und ohne Regeln. Das kann man eigentlich nicht vergleichen. Im Restaurant besteht das Kochen manchmal eben auch nur aus Fisch filetieren – jeder Schritt ist dort genau durchdacht. Aber es ist wichtig, das emotionale Kochen nicht zu verlieren, also die Leidenschaft und Kreativität, die über die technische Präzision hinausgehen – und Fünfe auch mal gerade sein zu lassen.

 

»The Bear« Staffel 3 ist ab dem 14. August auf Disney+ zu sehen.

Mehr Infos zur 3. Staffel »The Bear«


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Anna Wender
Anna Wender
Redakteurin
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