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Bayreuther Festspiel-Chefin: »Wagner ist nie auserzählt«

Bayreuth
Interview
Bayreuther Festspiele

Seit 2008 leitet Katharina Wagner die Bayreuther Festspiele. Im Interview spricht die 46-Jährige über ihr verantwortungsvolles Erbe als Urenkelin von Operngenie Richard Wagner und ihre Zukunft an der Spitze des weltbekannten Festivals, das 2026 150 Jahre alt wird.

Falstaff: Festspiel-Chefin in Bayreuth zu sein, das hat – von Ihrem Urgroßvater Richard über Großvater Siegfried bis zu Ihrem Onkel Wieland und Vater Wolfgang – immer schon bedeutet, im Auge eines Kulturpolitikorkans eine weltberühmte Institution führen und vorwärtsbringen zu müssen. Wussten Sie 2008, worauf Sie sich einlassen?

Katharina Wagner: Im Vorhinein natürlich nicht, auch wenn ich meinem Vater viele Jahre über die Schulter schauen konnte. Es gab und gibt sehr viele schöne Erlebnisse und Momente, trotz mancher Kontroversen, die doch mitunter eben auch dazugehören und auf die dann gelegentlich der besondere Fokus von außen gerichtet wird.

Vor wenigen Wochen erst wurde Ihr Vertrag als Festspiel-Chefin um fünf weitere Jahre bis 2030 verlängert. Was ist Ihnen künftig für die künstlerische Arbeit in Bayreuth wichtig?

Dass wir uns einfach wieder stärker auf das Künstlerische konzentrieren können. Dafür muss die Finanzlage natürlich geklärt sein, insbesondere sollte die Frage der Übernahme der Tarifsteigerungen beantwortet werden. Wir bemühen uns gegenwärtig massiv um Neustrukturierungen, insbesondere auch bei den großen Kollektiven wie Orchester und Chor, mit dem Ziel, einen Teil der Kostensteigerungen dadurch kompensieren zu können. Mit Spitzenqualität konkurrenzfähig zu bleiben, steht dabei aber ebenso an oberster Stelle. Ein paar Schrauben im überalterten Stellenplan müssen neu justiert werden, insbesondere auf den Feldern Marketing, Social Media und Sponsoring.

Wären Sie bisweilen als Katharina Wagner nicht lieber anderswo als in Bayreuth geboren worden?

Ich bin sehr gerne in Bayreuth geboren und fühle mich hier wohl. Als Katharina Wagner kenne ich ja nur diese eine bisweilen auch manchmal komplizierte Familie. Und ich darf sagen: Seit Längerem ist der Austausch untereinander sehr eng und harmonisch.

»Ich kenne ja nur diese eine bisweilen auch komplizierte Familie. Und ich darf sagen: seit längerem ist der Austausch untereinander sehr eng.« – Katharina Wagner, Festspielchefin
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»Ich kenne ja nur diese eine bisweilen auch komplizierte Familie. Und ich darf sagen: seit längerem ist der Austausch untereinander sehr eng.« – Katharina Wagner, Festspielchefin

Die Werke Richard Wagners werden inzwischen überall in der Welt ausdauernd und aufopferungsvoll gespielt. Was macht sie aber gerade in Bayreuth immer noch besonders?

Die einzigartige Akustik, das ausschließlich für die Aufführung seiner ­Werke errichtete Festspielhaus, also die Originalität. Das Festspielorchester, bestehend aus den besten Musikern ihres Fachs, die Spitzensängerinnen und Spitzensänger und natürlich die Inszenierungen mit unserer einzigartigen Bühnentechnik.

Was sind die Lieblingsprojekte Ihrer bisher 14 Festivalsommer?

Neben jeder Neuproduktion natürlich die Kinderoper, eines meiner Herzensprojekte seit vielen Jahren, die inzwischen bis nach Japan ausstrahlt. Daneben besonders auch die Förderung des Nachwuchses mit unseren Meisterkursen und das Diskursprojekt, wozu seit zwei Jahren auch die begeistert aufgenommenen Open-Air-Konzerte im Festspielpark gehören.

Haben Sie das Gefühl, die Wagneropern sind langsam deutungsausgelaugt oder sehen Sie immer noch genug spannende Ansätze, sie hier im regelmäßigen Wechsel in neuer Interpretation auf die Bühne zu bringen?

Wagner ist, wie übrigens das Genre Oper allgemein, meiner Meinung nach nie auserzählt, deshalb werden von mir auch die verschiedensten Regisseurinnen und Regisseure verpflichtet, die mit ihren unterschiedlichen Interpretationen immer wieder spannende Produktionen entstehen lassen.

Die Akustik des Bayreuther Festspielhauses ist einzigartig. Zu den Besonderheiten zählt der gedeckelte Orchestergraben, der den Klang zuerst sehr stark mischt und ihn dann nicht in den Zuschauerraum sendet, sondern über den Bühnenraum in den Zuschauerraum hinein.

2026 werden die Festspiele 150 Jahre alt. Können Sie schon etwas über die Planungen verraten? Gibt es extra Opern-Goodies?

Es gibt erstmals alle zehn von Richard Wagner selbst für hier vorgesehenen Werke und eine szenische Neuproduktion des bisher nie im Festspielhaus gezeigten Frühwerks »Rienzi«. Daneben werden wir die 9. Sinfonie von Beethoven aufführen und unser Publikum noch mit Projekten überraschen, die die Stadt und die Festspiele auch im Stadtraum erlebbar werden lassen.

Wenn ein Opernfan zum ersten Mal nach Bayreuth kommen möchte, was würden Sie ihm ganz persönlich für einen Fahrplan ans Herz legen? Was soll er wann, wo und wie ansehen, bei Ihnen im Haus sowie in der Wagnerstadt Bayreuth?

Ich empfehle die Einführungsvorträge von Herrn Dr. Friedrich, dem Chef des Richard-Wagner-Museums, die an jedem Aufführungstag vormittags kostenlos hier im Festspielhaus stattfinden. Daneben die Dauerausstellung der »Verstummten Stimmen« im Festspielpark, natürlich auch das Haus Wahnfried selbst, das Markgräfliche Opernhaus, mittlerweile UNESCO-Weltkulturerbe, das meinen Urgroßvater ja erst nach Bayreuth brachte, sowie die Eremitage beides Hinterlassenschaften der Markgräfin Wilhelmine von Bayreuth, als Lieblingsschwester Friedrich II. von Preußen eine der ersten starken Frauen hier am Ort. An einem spielfreien Tag empfiehlt sich auch ein Besuch der wirklich schönen, entdeckenswerten Fränkischen Schweiz.

Im Jahr 2015 inszenierte Festivalchefin Katharina Wagner die Eröffnungspremiere »Tristan und Isolde«, die nicht zuletzt durch das Dirigat von Christian Thielemann überzeugte.
© Bayreuther Festspiele/Enrico Nawrath
Im Jahr 2015 inszenierte Festivalchefin Katharina Wagner die Eröffnungspremiere »Tristan und Isolde«, die nicht zuletzt durch das Dirigat von Christian Thielemann überzeugte.

Wann begegnet uns die Regisseurin Katharina Wagner wieder?

Mit fünf Jahren Verzögerung endlich mit dem »Lohengrin« am Gran Teatre de Liceu in Barcelona, seit jeher schon eine Wagner-Hochburg in Spanien, wo man erstmals den »Parsifal« nach Ablauf der Schutzfrist direkt in der Neujahrsnacht 1914 um 00:00 Uhr nachts begonnen hat. Wir wurden nach der Schlussprobe im März 2020 durch Corona ausgebremst und die Produktion konnte erst jetzt wieder angesetzt werden, aber dafür mit der fast identischen Besetzung. Außerdem übertrage ich die Kinderoper regelmäßig für das Frühlingsfestival nach Tokio. In China ist eine »Walküre« geplant, außerdem ein neuer »Parsifal« in Riga.

Gibt es eigentlich irgendwelche geheimen Wagner-Familienrezepte? Tendiert die ­liebe Familie eher zu süß oder sauer?

»Kein Fleisch zu essen, das ist das Ende von meinem Komponieren«, sagte mein Urgroßvater Richard Wagner. Somit galt seine Liebe wohl am Ehestem herzhafter Kost.

Erleben Sie die Wagnerianer als Menschen, die auch das Leben jenseits der Opern genießen, oder stürzen die sich doch total in die Musikdramen?

Die Wagnerianer kommen aus aller Welt alljährlich zu uns, natürlich mit einem reichen Erfahrungsschatz und vielen Vergleichen, da Wagner ja ­mittlerweile fast überall aufgeführt wird. Nichtsdestotrotz nehme ich auch immer wieder Genussmenschen darunter wahr, die das kulinarische Angebot in Bayreuth und der Region gerne nutzen.

Wo genießen Sie selbst Bayreuth und Oberfranken kulinarisch? Was sind Ihre Gastro-Tipps?

Bayreuth und auch seine Umgebung bieten kulinarisch eine sehr große Vielfalt. Beispielhafte Adressen wären hier – neben vielen anderen ausgezeichneten Restaurants – das »La Mondi«, »Phoenix by Sudpfanne«, das Restaurant »Dötzer« oder auch in der Region das »Landhaus Gräfenthal« und das »SoulFood« in Auerbach. Letzteres ist wundersamerweise noch ein Geheimtipp – trotz seines Michelin-Sterns. Da wird direkt neben dem Rathaus Nahrung für die Seele serviert, bei hervorragender Produktqualität und zu angemessenen Preisen. In diesem schönen modernen Restaurant wird man ganz liebenswert umsorgt. In dem einen oder anderen der von mir genannten Restaurant trifft man im Sommer bisweilen auch unsere Mitwirkenden.


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Erschienen in
Falstaff Spezial Bayreuth & Franken

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Manuel Brug
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