In der Brennerei Wecklein in Binsbach entstehen nicht nur herausragende Obstbrände, sondern auch fränkische Whiskys, Rums und Gins.

In der Brennerei Wecklein in Binsbach entstehen nicht nur herausragende Obstbrände, sondern auch fränkische Whiskys, Rums und Gins.
© Brennerei Wecklein / Christoph Weiss

Vom Land zum Destillat: Frankens Brennerei-Tradition

Bayreuth
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Die lange Tradition des Obstanbaus hat in Franken eine blühende Brennerkultur hervorgebracht. Die Dichte an Produktionsstätten ist dabei ebenso enorm wie die Qualität und Vielfalt der Liquids. Und bei Obstler ist hier noch lange nicht Schluss.

Majestätische Felsen, malerische Täler, Burgen und Höhlen sowie charmante Dörfer und historische Städte – Franken hat viel zu bieten. Geografisch genau eingrenzen lässt sich Franken allerdings nur schwer, denn neben den bayerischen Regierungsbezirken Unter-, Ober- und Mittelfranken zählen auch Teile der Oberpfalz, Thüringens, Hessens und Baden-Württembergs dazu. Wer Franke ist, fühlt das eben und braucht dafür keine Landkarten.

Eines der verbindenden Elemente dieses über viele Bundesländer verteilten Völkchens ist aber sicherlich die Liebe zur Brennkunst. Wo diese ihre Wurzeln hat, lässt sich beispielsweise in der Fränkischen Schweiz zwischen Nürnberg, Bamberg und Bayreuth vorbildhaft erkunden, denn eine Sache begegnet einem dort immer wieder: die Wiesen. Sie prägen seit jeher das Bild der Region und im Landkreis Forchheim befindet sich beispielsweise eines der größten geschlossenen Anbaugebiete für Süßkirschen in Deutschland. Allein hier finden sich auf rund 3500 Hektar knapp 500.000 Obstbäume und 94 Prozent der bayerischen Süßkirschenernte stammen aus dieser Region. Neben den allgegenwärtigen Kirschen werden auf den Streuobstwiesen jedoch auch Äpfel, Birnen, Zwetschgen, Mirabellen und vieles mehr kultiviert und neben Marmeladen vor allem zu einem weiterverarbeitet: zu grandiosen Destillaten!

Egal ob Birne, Apfel, Kirsche, Quitte oder Zwetschge: Die Streuobstwiesen sind das Herz der fränkischen Brennkultur.
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Egal ob Birne, Apfel, Kirsche, Quitte oder Zwetschge: Die Streuobstwiesen sind das Herz der fränkischen Brennkultur.

Brennen ist Teil der fränkischen DNA

Die lange Tradition des Obstanbaus in Franken hat daher über die Jahre eine selbst für süddeutsche Verhältnisse erstaunliche Brennereidichte hervorgebracht. Allein in der Fränkischen Schweiz beläuft sich ihre Zahl auf gut dreihundert, vieles davon sind Kleinbrennereien, angeschlossen an landwirtschaftliche Betriebe oder Gaststätten. Interessanter Funfact: Die größte Brennereidichte mit einer Destille pro 28 Einwohner hat die nur 2300 Seelen zählende Gemeinde Wartmannsroth nördlich von Würzburg. Schnäpse gehören daher zur fränkischen DNA wie das Fachwerk, der Dialekt und das Bier – nur um mal einige gängige Stereotypen zu bedienen.

Fränkische Brenner haben die Kunst des Destillierens perfektioniert und begeistern Kenner mit regionalem, oftmals von Generation zu Generation tradiertem Brennhandwerk, das zweifelsfrei zu den besten der Welt gehört. Ihr Handwerk vollführen sie durchaus transparent. Wer sich sprichwörtlich auf die Spuren der Destillerien begeben möchte, kann dies beispielsweise bei einer Wanderung entlang des Brennereiwegs rund ums Walberla tun, der über 22 Kilometer durch neun Dörfer führt und ein gutes Dutzend Brennereien passiert. Wer nicht wandern möchte, kann die geballte Brennerkompetenz rund ums Walberla, aber auch beim Tag der offenen Brennereien Ende Oktober erleben.

Neben klassischen klaren Destillaten werden auch im Obstbrandbereich vor allem im Holzfass gelagerte Spezialitäten immer beliebter.
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Neben klassischen klaren Destillaten werden auch im Obstbrandbereich vor allem im Holzfass gelagerte Spezialitäten immer beliebter.

Doch nicht nur hier in der Fränkischen Schweiz finden sich großartige Destillate. Einen Blick wert sind auch die »Rosenhut-Brenner«, eine Vereinigung von Produzenten, die sich vor allem dem reinen, ungezuckerten und unverfälschten Obstbrand verschrieben haben. Ihre Mitglieder findet man von Mömbris nördlich von Aschaffenburg bis nach Pretzfeld im Südwesten von Bayreuth, womit sie regionale Unterschiede liquide erlebbar machen. »Liebhaber können so die Mirabelle, die auf Mainsand gewachsen ist, mit der vom Steigerwald oder der aus der Fränkischen Schweiz vergleichen und ihren Lieblingsbrand finden«, heißt es aus dem Verband.

 

Zur Obstbrand Trophy 2024

 

Obstbrand: Alles andere als angestaubt

Wie aber sieht sie aus, die Trinkkultur in Franken? Früher war der Schnaps nach dem Essen ein selbstverständlicher Bestandteil eines jeden Menüs. Allerdings haben sich die Trinkgewohnheiten über die Jahrzehnte verändert und die gute alte deutsche Digestifkultur wurde vielerorts von der Aperitifkultur überflügelt. In Franken jedoch lebt diese Tradition weiter. Egal, ob aus dem Stamperl oder dem edlen Nosing-Glas – Schnaps als Dessert oder Essensabschuss wird hier noch immer gelebt. »Im Gasthaus oder auch auf Familienfeiern gehört das einfach dazu«, weiß auch Sven Goller, Barchef aus dem »Schwarzen Schaf« in Bamberg. Das liege auch daran, dass viele noch selbst brennen oder ihr Obst regelmäßig brennen lassen, so der Barprofi weiter, der jüngst von Falstaff zum »Bartender des Jahres« gekürt wurde.

 

Kirschbrand macht eigentlich fast alles besser!

 

Und wie steht es um den Einsatz an der Bar? Immerhin sind Obstbrände im Vergleich zu klassischen Mix-Spirituosen recht preisintensiv. Die aromatischen Vorteile überwiegen für Goller jedoch. In seinen Drinks setzt er regelmäßig auf Obstbrände, nutzt diese aber nie singulär. »Wir nutzen sie als Zusatzspirituose, da sie sehr viel Kraft und Aroma mitbringen. Besonders gut eignen sich hierfür Kirsch- oder Quittenbrände sowie Williams. Ein Mezcal passt beispielsweise super zu Williamsbirne. Und Kirschbrand macht eigentlich fast alles besser!« Obstbrände sind also ein probates Mittel, um Drinks um eine fruchtige Dimension zu erweitern, sei es als »Split-Base-Spirituose«, wie sie bei Sven Goller eingesetzt wird, oder als alleinige Basis für Drinks. Alles kann, nichts muss. Das gilt im Übrigen auch für fränkische Destillate jenseits des klassischen Obstbrands, denn die Region ist auch bekannt für ihren Getreideanbau – und damit ist der Weg zu fränkischem Whisky nicht weit. Und diese zählen zum mitunter Spannendsten, was der deutsche Whisky zu bieten hat – was auch unser Best-of beweist.


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Erschienen in
Falstaff Spezial Bayreuth & Franken

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Alexander Thürer
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