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Genuss in Bayreuth: Ein kulinarischer Streifzug durch Wagners Wahlheimat

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Alljährlich im Sommer mausert sich Bayreuth zum Treffpunkt der internationalen Opernszene. Doch auch außerhalb dieser Saison hat die Stadt einiges zu bieten. Bei genauerer Betrachtung entpuppt sie sich als wahre Genusshochburg. Folgen Sie uns auf einem kulinarischen Streifzug durch Wagners Wahlheimat.

Über Bayreuth wird gesprochen, wenn es um »die Festspiele« geht. Der viel diskutierte Genuss für die Ohren steht dabei gemeinhin vor Kulinarik und Freizeitgestaltung. Dabei bietet die Stadt mehr Erholungswert, als die meisten ahnen, was nicht zuletzt damit zu tun hat, dass dieses Fleckchen Erde mitten in Oberfranken liegt – einem der Genuss-Ballungsräume überhaupt in Deutschland.

Bayreuth aus kulinarischer Perspektive zu beleuchten, ist dennoch eher unüblich – an Wagner kommt man trotzdem nicht vorbei. Zu prägend ist der Operngigant für seine Wirkungsstätte, sogar für die dortige Gastronomie.

 

Wagner schwebte ein demokratisches Theater vor, etwas Schlichtes und Monumentales.

 

1871 wählte Richard Wagner Bayreuth als künftigen Ort seiner Festspiele. Die Bratwürste, das Bier und das hiesige Bäckerhandwerk haben seine Entscheidung mit großer Wahrscheinlichkeit begünstigt, ausschlaggebend waren sie allerdings nicht.

Markgräfin Wilhelmine legte das Fundament

Auf der Suche nach einem würdigen Spielort für seinen »Ring« hörte der damals 58-jährige Wagner vom prächtigen Opernhaus, das die Markgräfin Wilhelmine für die 14-tägige Hochzeit ihrer Tochter errichtet und 1748 eröffnet hatte. Auch sie ist eine Figur, ohne die Bayreuth nicht erklärbar ist, hat sie doch höfische Kultur, Schlösser, Gärten, Kunst und auch die französische Küche in die Stadt gebracht, in der sie sich als frisch Zugezogene zu Tode langweilte.

Altstadt Bayreuth
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Altstadt Bayreuth

Das Opernhaus ist heute UNESCO-Weltkulturerbe und in seiner Art mit den hölzernen Verzierungen und dem angeschlossenen Museum definitiv einen Besuch wert. Wagner aber wusste schnell: Das gedrungene Theater mit den Rängen und Balkonen, die vor allem der Gesellschaftlichkeit dienten und weniger dem konzentrierten Theatergenuss, sind nicht geeignet für sein Werk. Ihm schwebte ein demokratisches Theater vor, etwas Schlichtes und Monumentales.

Bayreuth als Standort war ihm trotzdem lieb: keine anderen Kulturschaffenden außer ihm beanspruchten hier Aufmerksamkeit. Außerdem stimmte der prächtig-höfische Rahmen durch die von Wilhelmine geschaffene Infrastruktur mit Gartenanlagen und Prachtbauten durchaus. Der Standort für die Vision seiner Festspiele war gefunden. Heute zählt Bayreuth zu den weltweit am stärksten wahrgenommenen Opernevents.

Ausgeprägte italophilie

Was die Kulinarik angeht, ist Italien prägend für Bayreuth: Pizza, Focaccia, Cicchetti, Gelato, viele Cafés und ambitionierte Gastronomie mit italienischem Einschlag – die Italienreisenden des 18. und 19. Jahrhunderts hätten ihre Freude gehabt.

Im Sommer lässt sich das Italien-Feeling zwischen den Festspiel-Vorstellungen bestens am La-Spezia-Platz oder auf den Stufen am Bächlein zwischen Olivenbäumen, Eis und Wein von der authentischen Osteria »Opera Wein Art« oder einem Snack bei »Engins Ponte« ausleben. Hier, am »Canal Grande«, wie die Bayreuther ihren alten Mühlenkanal liebevoll nennen, genießt man das Sehen und Gesehenwerden mit Blick auf das prächtige historische Opernhaus.

Historische Altstadt

Einen Steinwurf entfernt, in Bayreuths weitläufiger Fußgängerzone, flaniert es sich am besten nach einer Stärkung im »Caffè Rossi« auf einen Espresso und ein Cornetto – auf der Terrasse oder unter Campari-Lampen vor den mit nostalgischen Blechschildern dekorierten dunklen Holzkassetten.

Überhaupt sind Kaffeeliebhaber in Bayreuth bestens aufgehoben. Eine Vielzahl von Röstereien betreibt hier kleine Cafés. Ein Beispiel ist das »1897« gegenüber der Oper im klassischen Wiener-Kaffeehaus-Stil oder die Rösterei »Crazy Sheep« im modernen Industrial-Look mit ihren bunten Verpackungen in den Regalen.

Auf den Spuren von Wilhelmine wandelt man in den Gartenanlagen der Eremitage zu »Mon Plaisier« – ihrem Gartenhäuschen, das ihr Lieblingsort in Bayreuth werden sollte. Als Tochter von Friedrich Wilhelm I., dem »Soldatenkönig«, war sie ursprünglich als Königin von England im Gespräch und erfuhr die entsprechende kulturelle und gesellschaftliche Bildung.

Kleinod mit riesigem Park

Dass am Ende doch der Markgraf von Bayreuth ihr Ehemann und die Stadt ihr neues Zuhause wurde, mag sich zunächst frustrierend für die junge Adelige angefühlt haben – für die Entwicklung der Stadt dagegen war die vielseitig interessierte und engagierte Gräfin ein Glücksfall.

Die Dichte an Parks und Gärten, Pavillons und Schlössern in und außerhalb der Stadt hat einen enormen Freizeitwert, spiegelt die Jahreszeiten wider und schafft die schöne Möglichkeit, Kulturgeschichte auf Spaziergängen im Grünen zu erleben.

Wer etwas tiefer einsteigen will, besichtigt das sehr gut kuratierte Gartenkunst-Museum im Schloss Fantaisie (noch so ein Kleinod mit riesigem Park!) und lernt etwas über Parkanlagen, Gartenarchitektur, Orangerien und höfische Gepflogenheiten.

Auch der botanische Garten auf dem Universitätsgelände und der Tierpark am Röhrensee sind die Schritte an der frischen Luft wert, ausnahmsweise ganz ohne Blick auf eine Schlossanlage.

Tradition & Moderne

Bei all der Pracht ist es kein Wunder, dass Netflix für seine Serie über Kaiserin Sisi die Wagnerstadt Bayreuth als einen der Hauptdrehorte wählte. Die popkulturell ikonische Elisabeth von Österreich-Ungarn hat ein Jahrhundert nach Wilhelmine gelebt – und ihre Vorliebe für Gärten lässt sich durchaus als Parallele betrachten.

Springbrunnen in Bayreuths Eremitage
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Springbrunnen in Bayreuths Eremitage

Blickt man von der Terrasse des Schlosses Fantaisie hinunter auf den kleinen See, bewundert man die bildhauerischen Referenzen zur griechischen Mythologie in der Eremitage oder spaziert man vom Neuen Schloss durch den Hofgarten, kann man sich die Kaiserin in wallenden Gewändern mit einem rüschigen Sonnenschirm und einer Picknickdecke bestens vorstellen.

 

»Mit jungen Ideen alte Traditionen fortsetzen« – das Erfolgsrezept der Bäckerei Lang.

 

Geht man heute durch das flieder- und efeuberankte Tor aus dem Hofgarten hinaus und eine Gasse weiter in die Jean-Paul-Straße, kommt man zur Traditionsbäckerei Lang.

Seit 1764 pflegt man hier in der inzwischen 13. Generation das Bäckerhandwerk – und zwar mehrfach ausgezeichnet. Der Dichter Jean Paul würde sich wundern, dass rund 200 Jahre nach seiner Residenz in Bayreuth hier immer noch sein Lieblingsgebäck Pfeffernüsse nach Originalrezept gebacken wird.

Die dafür verwendeten handgeschnitzten hölzernen Springerle-Modelle, die teilweise über Generationen weitergegeben wurden, symbolisieren ganz eindrücklich, was Betriebe wie die Bäckerei Lang auszeichnet: bewahrtes Handwerk und Rezepturen – und auch die Überzeugung und der Wille, Wege zu finden, das in die Moderne zu tragen.

Denn einfach machen es sich die Zimmers nicht. »Mit jungen Ideen alte Traditionen fortsetzen« lautet ihr Slogan – egal, ob beim gut funktionierenden Onlineshop, bei ihrem fahrenden »Café Roulant« oder ihrer vierteljährlichen Buschenschänke.

Bemerkenswertes Phänomen

Viermal im Jahr veranstaltet die Bäckerei Lang das beliebte Fest im Hof und schenkt dann selbst gebrautes Bier aus. Auch damit wird eine Tradition gepflegt. Als »ordentliche Bürger« hatten die Bäcker schon im 18. Jahrhundert das Braurecht im Kommunenbrauhaus der Stadt und machten rege Gebrauch davon. Kein Wunder, wo ihnen der Umgang mit Hefen aus dem eigenen Handwerk ohnehin lag und der Verkauf von Bier zum Brot natürlich immer auch ein ökonomisch willkommener Faktor war.

Dass kulinarisches Handwerk in Oberfranken so gut bewahrt blieb, ist ein bemerkenswertes Phänomen. Immer noch gibt es hier die weltweit mit Abstand größte Dichte an Brauereien. In Oberfranken – mit rund einer Million Einwohner – sind es ganze 200 Betriebe.

Ähnlich verhält es sich mit Bäckern und Metzgern. Über die Gründe dieses Reichtums lässt sich nur spekulieren. Einer der Gründe mag sein, dass in Franken historisch schon früh auch außerhalb der Städte in den Händen von Bischöfen, Markgrafen und anderen Körperschaften gebraut werden durfte. Günstig gelegene Handelsrouten mögen die Entwicklung und Bewahrung dieser Versorgungshandwerke befördert haben.

Brunhilden-Steak und Co.

Über die kulinarischen Vorlieben Richard Wagners ist erstaunlich wenig bekannt. Im Richard-Wagner-Museum und in seinem Wohnhaus Wahnfried ist das Esszimmer der Raum, in dem am wenigsten Originaleinrichtung erhalten ist.

Der Mythos Wagner, der ihn über seinen Tod hinaus mit dem Image des unantastbaren kulturellen Helden überhöht hat, lässt wenige menschliche Alltäglichkeiten zu. So ist sein professionelles Schaffen zwar im Detail rekonstruierbar – privat bleibt er schwer greifbar. Er würzte gerne kräftig nach, sagt man. Außerdem sprach er dem Champagner zu (ließ ihn sich sogar auf Reisen nachsenden) und bestrich sich Zwieback am liebsten dick mit Butter und Kakao.

Auf den Spuren des Menschen Wagner lässt sich in Bayreuth trotzdem kulinarisch wandeln. Besonders präsent ist Wagner zum Beispiel im »Restaurant Eule«, in dem er ab 1874 viel zu Gast war – auch sein Sohn Siegfried machte die Künstlerkneipe »Eule« später zu seinem Stammlokal.

Historische Fotos schmücken die Wände der urigen Gaststätte, es gibt »Brunhilden-Steak«, »Siegfrieds Drachenschnitzel« oder sehr gute fränkische Bratwürste vom Schwäbisch-Hällischen mit Kraut und einem Senf-gezeichneten Notenschlüssel auf dem Teller. Ein schöner Ort, um der Historie ein wenig nachzuspüren.

Historie bewahren

Wagners liebster Bierausschank, der »Angermann«, existiert heute nicht mehr. In den lokalen Brauereien hier hört man es nicht gerne, aber dort trank er stets sein Lieblingsbier: Weihenstephaner.

Die Bayerische Staatsbrauerei Weihenstephan in den Gebäuden des ehemaligen Klosters gilt als die älteste Brauerei der Welt.
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Die Bayerische Staatsbrauerei Weihenstephan in den Gebäuden des ehemaligen Klosters gilt als die älteste Brauerei der Welt.

Auf dem großen Gelände bei »Maisel & Friends« ist Bierkultur heute eine »Erlebniswelt«. Im historischen Sudhaus, in der modernen Brauwerkstatt, auf Führungen, Verkostungen und in der hauseigenen Gastronomie: Historie bewahren ist auch hier ein wichtiges Credo, umgesetzt mit bewusst modernen Mitteln.

Über 50 internationale Urban-Art-Künstler haben das Hoteldesign des »Liebesbier« mitgestaltet, auf dem Areal finden Skulpturen und Murals ihren Platz und hier ist
Bayreuth wirklich bunt und jung. Der nach kulturellem Fortschritt, Pomp und Innovation strebenden Wilhelmine hätte das sicher gefallen!


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Erschienen in
Falstaff Spezial Bayreuth & Franken

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Annette Sandner
Annette Sandner
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