Das »Table Dot« in Hamburg

Das »Table Dot« in Hamburg
© Ertu Günyar

Die Gourmet-Kantine: Koral Elcis neue Vision von Gemeinschaftsverpflegung

Hamburg
Kulinarik

Kohlroulade mit brauner Sauce, Currywurst und matschige Spaghetti – aus kulinarischer Sicht hat kaum eine Institution einen schlechteren Ruf als die Kantine. Doch jetzt findet ein Umdenken statt. Einer, der das vorantreibt, ist der Hamburger Gastro-Unternehmer Koral Elci mit seiner »Urban Canteen«.

Große Glasfronten, Blick auf die historische Speicherstadt und dazwischen ein Fleet, in dem das Wasser je nach Ebbe oder Flut mal fast bis zum Fenster reicht oder ganz verschwunden ist. Dies ist der Ort, an dem Koral Elci die Revolution der Gemeinschaftsverpflegung anzettelt. Elci ist Betreiber der kulinarischen Kreativ-Agentur »Kitchen Guerilla«, die mit Pop-ups und originellen Dinners Events (u.a. »Ayse rustikal« mit Tim Mälzer) begann. Nun also das oft stiefmütterlich interpretierte Thema Kantine.

 

Mittagessen sollte immer nur schnell und billig sein, obwohl es die wichtigste Mahlzeit des Tages ist.

 

Warum widmet sich jemand wie Elci ausgerechnet der Gemeinschaftsverpflegung mit ramponiertem Ruf, anstatt prestigeträchtigere Spitzengastronomie zu betreiben?
»Weil wir bereits genug Angebote in der Sternegastronomie oder Individualgastronomie haben – und der Qualitäts-Fokus meistens auf dem Abendessen liegt und eben gerade nicht auf dem Mittagessen. Dort ging es immer nur darum, schnell und billig zu sein, obwohl es die wichtigste Mahlzeit des Tages ist«, sagt der Unternehmer.

Auf kulinarischem Expansionskurs

Mittlerweile betreibt Koral Elci vier eigenständige Kantinen und mehrere Pantries. Dazu zählen eine Kantine für den Meta-Konzern (Facebook, Instagram), British American Tobacco und The Trade Desk.

Mit seinem neuesten Konzept geht Koral Elci nun nochmals einen Schritt weiter. Im Hamburg Süd-Gebäude an der Willy-Brandt-Straße hat er eine Kantine geschaffen, die diesen Namen eigentlich nicht mehr verdient: Das kürzlich eröffnete »Table Dot« bezeichnet der Unternehmer als »Urban Canteen«. Eine ihrer Besonderheiten: Sie ist an kein Unternehmen gekoppelt, sondern für jedermann frei zugänglich.

Täglich ab halb zwölf gibt es hier zeitgemäße Gerichte, die die Küchen verschiedener Länder miteinander kombinieren und es so in jedem »normalen« Restaurant mit Anspruch geben könnte. Nur zu anderen Preisen. Beispiele sind Tacos mit Lamm Barbacoa, Salsa Roja und Avocadocreme; Büffelmozarella mit Tomaten-Chili-Salsa und Oliven; Grünteelinsencurry mit Garnelen; Smash Burger mit BBQ Sauce, Chili Crunch und Cheddar oder gegrillter Blumenkohl mit Purple Curry Hummus und Aprikosenchutney. Dazu gibt es Kaffee und Drinks von der Bar, wie etwa den sehr erfrischenden Rhabarber-Shrub mit einem Spritzer Essig.

Hohe Ansprüche

Mit ihrer Gastronomie verfolgen Koral Elci und seine Mannschaft höhere Ziele: »Wir wollen einen kreativen Austausch beim gemeinsamen Essen anregen. Dieser Austausch zielt auf einen positiven Einfluss auf die Ökologie und auf die Gesellschaft ab – und somit auch auf die Gesundheit und Leistungsfähigkeit ihrer Besucher.«

Aber wie kann sich eher preiswerte Gemeinschaftsverpflegung am Mittag für den Unternehmer rechnen? Der Schlüssel liegt beim Personal. »Wir konzentrieren uns auf die Qualität des Essens und ersetzen den Service durch digitale Bestell- und Bezahllösungen und Selbstabholung.«

© Ertu Günyar

Bedeutet: Die Gäste zahlen per App und bekommen eine Push-Nachricht, sobald das Essen bereit ist. Kein zeitraubendes Anstehen mit dem Tablett an der Essensausgabe (noch so ein Kantinen-Unwort aus der Vergangenheit) und an der Kasse, sondern entspanntes Warten am Platz.

Handwerklich versiertes Team

Koral Elci beschäftigt mittlerweile 35 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und legt bei ihnen nicht nur Wert auf das soziale Gefüge, sondern auch auf handwerklichen Anspruch. So kommt es nicht von ungefähr, dass einige von ihnen Erfahrung aus der Spitzen- und Sternegastronomie mitbringen.

Koch Marc Müller arbeitete zuvor im Stuttgarter »5« und erkochte dort einen Michelin-Stern, ebenso Robert Wullkopf, der es im ehemaligen »Tafelhaus« von Christian Rach in Hamburg zu einen Stern brachte. Stephen Bennett war zuvor im Hamburger »Le Canard« tätig, Alex Joseph arbeitete im legendären »Café Paris« in der Hamburger City.

Dass sie sich Koral Elci angeschlossen haben, darf man wohl als weiteren Beweis sehen, dass die Gemeinschaftsverpflegung hier auf einem neuen, anspruchsvollen Weg ist.


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Benjamin Cordes
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