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Franken: Heimat der höchsten Brauereidichte Europas

Bier
Franken

Zahlreiche regionale Bierspezialitäten und eine Fülle von Geschichten rund um den Gerstensaft: Das Gebiet zwischen Rhön und Altmühltal ist nicht ohne Grund als Herzstück der Brauszene bekannt.

Eigentlich sei das Frankenland ja eine einzige Genussregion, findet Markus Raupach. Aber Bier habe sicherlich den größten Einfluss auf den Ruf von »Franggn«, wie die Einheimischen sagen. Raupach muss es wissen. Schließlich ist der grau gelockte Herr Franke und Biersommelier in Personalunion. In den vergangenen Jahren hat der gebürtige Bamberger rund 30 Bücher über sein Herzensthema verfasst.

Wie dominant Frankens Bedeutung für die Bierwelt ist, lässt sich Raupach zufolge ganz objektiv an Zahlen festmachen: 1.492 sogenannte Braustätten gibt es in ganz Deutschland, eine Brauerei kommt somit auf gut 56.000 Einwohner. In Franken hingegen müssen sich lediglich 15.000 Bürger eine Brauerei teilen, in Oberfranken sogar nur 6.500. Unangefochtener Rekordhalter in Franken selbst ist der Landkreis Bamberg mit einer sagenhaften Brauereidichte von einem Betrieb auf 2.500 Einwohner. Diese schiere Masse ist jedoch nicht die einzige Besonderheit: Anders als in weiten Teilen Deutschlands, in denen neben einer Großbrauerei lediglich ein paar neu gegründete Brew-Pubs dem Bierdurst etwas entgegensetzen, sind in Franken noch viele familiäre Kleinbrauereien aktiv. Jede fünfte dort ansässige Brauerei wurde vor dem Jahr 1700 gegründet, nur ein Viertel ist jünger als 120 Jahre.

»Kleinste und geilste Brauerei Frankens«

Solche Zahlen erfreuen natürlich die Traditionalisten, die Franken als letzten Hort althergebrachter Bierkultur weltweit sehen. Und tatsächlich haben sich dort Sitten, Gebräuche, Bierstile und Vielfalten erhalten, über die man sich als kulturbewusster Mensch nur freuen kann. Allerdings birgt eine derartige Traditionsschwere immer ein wenig die Gefahr, junge Leute damit nicht mehr hinter dem Ofen hervorlocken zu können – geschweige denn vom Computer. Zum Glück aber scheint die fränkische Bierliebe trotz unterschiedlicher Prioritäten generationenübergreifend zu wirken. Und so arbeiten Bewahrer wie die Brauerei Schlenkerla in Bamberg, die wie vor Jahrhunderten das Malz über offenem Buchenholzfeuer trocknet, praktisch Tür an Tür mit Kreativbrauern wie David Hertl, der seine Bier-Manufaktur in Schlüsselfeld als »kleinste und geilste Brauerei Frankens« anpreist und schon mal einen Sud mit Portwein oder gar Gurke ansetzt.

Biersommelier und Buchautor Markus Raupach
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Biersommelier und Buchautor Markus Raupach

Während Touristen bei dem kräftigen Geschmack von Rauchbier gelegentlich ein wenig fremdeln, ist genau dieser Stil bei Kennern weltweit hochbegehrt. Die englischsprachige Website ratebeer.com, auf der über elf Millionen Bierbewertungen verzeichnet sind, gibt darüber eindeutige Auskunft: Zehn deutsche Biere wurden nach den Richtlinien der Onlinebiertester mit 100 von 100 Punkten bewertet. Darunter finden sich allein sechs Rauchbiere der Brauerei Schlenkerla. Bei den Zwickel- und Kellerbieren liegt Franken, man könnte fast sagen naturgemäß, mit ebenfalls sechs Bieren ganz vorne. Neben den bekannteren Exemplaren finden sich dort auch die Biere der Brauereien Witzgall (Schlammersdorf) und Heckel (Waischenfeld). Jene bieten vor Ort eine Zeitreise zurück ins 19. Jahrhundert: kleine Wirtsstuben, kein Essen, keine Ablenkung, nur der lokale Stammtisch und ein einziges ausgezeichnetes Bier. Wer selbst aus dörflicher Umgebung stammt, hat kulturelle Vorteile beim Besuch dieser Lokalitäten.

»Auf« den Keller gehen

Das fränkische Bierleben findet im Winter in Wirtschaften statt, Bockbiere haben Hochsaison. Im Sommer hingegen drängt alles ins Freie. Letzteres gilt nicht nur für die den Brauereien angeschlossenen Biergärten, sondern vor allem für die vielen Keller, auf die mit Sack und Pack, Kind und Kegel gezogen wird. »Auf« den Keller gehen die Franken deshalb, weil früher höhlenartige Gewölbe in den Fels im Untergrund geschlagen wurden, um das Bier dort kühl zu lagern. Aus diesen wurde es dann frisch gezapft. Auch heute noch hat jeder in Franken eine persönliche Meinung darüber, welcher Bierkeller der schönste und besuchenswerteste ist. Bei einer knapp vierstelligen Anzahl zwischen Aschaffenburg und Selb ist die Wahl nicht ganz einfach.

Bamberg ist für sein Rauchbier bekannt. Touristen aus aller Welt pilgern förmlich dorthin, um die fränkische Spezialität zu probieren.
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Bamberg ist für sein Rauchbier bekannt. Touristen aus aller Welt pilgern förmlich dorthin, um die fränkische Spezialität zu probieren.

Bierfrauen

Gibt es denn keine Frauen, die in Franken Bier brauen? Doch natürlich – und je intensiver man sucht, desto mehr findet man. Erste fränkische Braumeisterin war Ingrid Reif bereits im Jahr 1965. Zwar gibt es ihre Brauerei Zur Sonne in Lonnerstadt nicht mehr, aber die Gastwirtschaft wird weiterhin von Reifs Tochter geführt.

Einen großen Einfluss in Braufranken hat bis heute Sigi Friedmann (Brauerei Friedmann, Gräfenberg), die 1982 schon mit 21 Jahren die Brauerei übernahm. Tochter Barbara führt die Tradition weiter.

Braumeisterinnen wie Sabine Wiethaler-Dorn (Brauerei Wiethaler, Neunhof), Carina Krug (Brauerei Krug, Breitenlesau) oder die Brauschwestern Moni und Gisi aus dem nördlichsten Teil Frankens (Brauerei Meinel, Hof) stehen Brauereien vor, die weit über die lokalen Grenzen hinaus bekannt sind. Seit 2012 brauen die Meinel-Sisters auch Projektbiere gemeinsam mit Isabell Meieren (Brauerei Drei Kronen, Memmelsdorf) unter dem Namen »HolladieBierfee«. Aktuell: Dinkel Ale.

Und schließlich gibt es noch mit Sabine Weyermann und Tochter Franziska (Mälzerei Weyermann, Bamberg) die vielleicht bedeutendsten Bier-Unternehmerinnen Deutschlands. Warum? Nicht nur wegen des sehenswerten historischen Gebäudes und der 260 Mitarbeitenden, sondern weil die Spezialmalze der Weyermanns schlicht weltweit hochbegehrt sind. So manches angesagte Craft-Bier, sei es aus Korea oder Kalifornien, erhält seinen Charakter dank der Weyermann’schen Getreidekreationen.

Brauerinnen mit Leib und Seele: Moni und Gisi Meinel-Hansen führen die 300 Jahre alte Brautradition fort.
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Brauerinnen mit Leib und Seele: Moni und Gisi Meinel-Hansen führen die 300 Jahre alte Brautradition fort.

Bei aller Kleinteiligkeit besitzt Franken auch im größerem Maßstab bierische Bedeutung. Kaspar Schulz in Bamberg, die seit 1677 bestehende Firma für Brauanlagen, exportiert ebenso in alle Welt wie der Marktführer für Spezialmalze, die Firma Weyermann. Bei Sabine Weyermann und Tochter Franziska entstehen darüber hinaus Craft-Biere in limitierter Auflage, die zum Spannendsten gehören, was Bierfranken zu bieten hat. Im schicken Shop auf dem Betriebsgelände kann man sich davon überzeugen. Ebenfalls Spitzenreiter mit einem weltweiten Marktanteil von unglaublichen 30 Prozent ist der Nürnberger Hopfenhändler BarthHaas.

Vitale Craft-Bier-Szene

Bleiben wir noch kurz an der quantitativen Spitze, bevor es wieder zurückgeht in die fränkische Gemütlichkeit. Mit Tucher und Kulmbacher kann Franken nämlich zwei Großbrauereien aufweisen, die dank der Konglomerat-Tendenzen im Volumenmarkt mittlerweile eine ungeheure Bandbreite an Bieren brauen.

Tucher als Teil des Oetker-Konzerns braut neben eigenen Bieren nicht nur die Marken Lederer, Patrizier, Grüner, Humbser, Zeltner und Zirndorfer, sondern auch Augsburger Hasenbräu, Kloster Scheyern und seit September 2023 Binding-Biere. Kulmbacher wiederum vereinigt neben dem namensgleichen Bier
die ehemals unabhängigen Brauereien Reichelbräu, Sandlerbräu, Mönchshof und EKU unter einem Dach. Seit ein paar Jahren entsteht auch das Erlanger Kitzmann-Bier hier. Dass ganz groß auch ganz klein kann, beweist Tucher mit dem wiederbelebten Sudhaus in der Nürnberger Altstadt ebenso wie Kulmbacher mit der Museumsbrauerei auf dem Mönchshofgelände.

Wer auf Experimente steht, findet in Franken mittlerweile eine beachtliche Anzahl kreativer Craft-Brauereien. Egal, ob Double IPA, Imperial Saison mit Roter Bete oder die erwähnte Gurken-Gose, alles das gibt es von Brauereien wie Hertl, Weyermann, Weiherer, Maisel & Friends, Orca oder den »HolladieBierfee«-Varianten der Meinel-Schwestern. Ein solcher Ausflug über den Tellerrand ist auch für Traditionalisten kein Schaden. Wie heißt es: Es ist keine Schande, nichts zu wissen, wohl aber, nichts lernen zu wollen.

Die Bierbrauerinnen & Brauer im Interview

ProBieren & Kaufen

Landbierparadies Nürnberg

Macht seinem Namen alle Ehre. Der Biersupermarkt in der Nürnberger Südstadt hat Biere von über 100 fränkischen Klein- und Kleinstbrauereien auf Lager, für die man sonst viele Kilometer fahren müsste. Vor Ort zudem Fest- und Bockbiere zur Saison, originale Bierkrüge und Craft-Biere. Kauftipp: gemischter Kasten zum Pauschalpreis. Auch sehr erfolgreicher Onlineshop.

Landbierparadies
Galgenhofstraße 60 90459 Nürnberg
Mo–Fr 9–19 Uhr
Sa 9–17 Uhr.
Onlineshop unter:
landbierparadies24.de

Bierothek Bamberg

Hier begann der Siegeszug des kleinen Imperiums mit mittlerweile 14 Filialen von Hamburg über Dresden bis Wien. Store-Manager und Brauer David Hertl stellt sicher, dass regionale und internationale Craft-Biere denselben Stellenwert haben wie traditionell Fränkisches. Fast alles gibt es auch im Onlineshop.

Bierothek Bamberg
Untere Königstraße 1
96052 Bamberg.
Mo–Fr 12–20 Uhr
Sa 10–20 Uhr.
Onlineshop unter:
bierothek.de/online-shop

Liebesbier, Bayreuth

Jeff Maisel ist mit seiner Serie »Maisel & Friends« der fränkische Craft-Bier-Pionier schlechthin, daneben aber auch Chef der traditionellen Brauerei Maisel, Spezialität Weißbier. Das »Liebesbier« ist ein Universum für sich: Urban-Art-Hotel, Restaurant, Bar, Biergarten. Es gibt 100 Biere, alles von Maisel plus Klassiker aus Franken und aller Welt.

Liebesbier
Andreas-Maisel-Weg 1
95445 Bayreuth
Mo–Do 7–23 Uhr, Fr 7–24 Uhr, Sa 8–24 Uhr, So 8–23 Uhr.
liebesbier.de

Erschienen in
Falstaff Spezial Bayreuth & Franken

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Dr. Matthias Neske
Falstaff Scout
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