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Nordische Spezialitäten: Kulinarische Genüsse aus Lappland

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Im Herbst lohnt sich für Feinschmecker die Reise in Schwedens und Finnlands höchsten Norden. Dann fasziniert die wilde Landschaft von Lappland nicht nur mit Rentierherden und einer intensiven Laubfärbung, sondern sie hält auch Pilze und perfekt gereifte Beeren bereit. Und wenn es nachts wieder dunkel wird, zeigt sich endlich das Nordlicht.

Wild, einsam und faszinierend: Lappland ist eine Landschaft der Extreme. Je nach Definition versteht man unter dem Namen Lappland jenen Teil von Fennoskandinavien, der über dem Polarkreis liegt, oder aber das gesamte Siedlungsgebiet der dortigen Urbevölkerung, der Samen. Ihr Kulturraum mit der Eigenbezeichnung Sápmi erstreckt sich von der russischen Kola-Halbinsel bis nach Idre in der schwedischen Provinz Dalarna. Als inoffizielle Hauptstadt gilt Jokkmokk in Schweden, dort findet seit 1605 jedes Jahr im Februar ein großer Markt statt, der die Samen über die Landesgrenzen hinweg zusammenbringt.

Haben Sie gewusst, dass die Samen das Jahr nicht in vier, sondern in acht Jahreszeiten einteilen? Neben Frühling, Sommer, Herbst und Winter gibt es noch einen Früh- und Spätsommer sowie einen Früh- und Spätwinter. Dass Frühling und Herbst nur jeweils ein Achtel des Jahres ausmachen, zeigt, wie kurz diese Übergangsphasen, die jeweils auf die Tag- und Nachtgleiche folgen, im hohen Norden ausfallen.

Kontinuierlicher Wandel

Von den extremen Lichtverhältnissen geprägt, ist die nordische Natur in ständiger Veränderung. Jeweils sechs Monate dauert der Umschwung von kompletter Dunkelheit zu Sonnenschein rund um die Uhr – und wieder zurück. Pro Jahr hat jeder Ort auf der Welt dieselbe Anzahl an Lichtstunden; sie sind nur verschieden verteilt. Während die Sonne in der vom Äquator durchzogenen Stadt Macapá in Brasilien zwischen 6.00 und 6.30 Uhr aufgeht und zwölf Stunden später untergeht, ändern sich diese Zeiten in der Arktis täglich um mehrere Minuten. Dieser Zustand des kontinuierlichen Wandels prägt die wilde Flora und Fauna sowie den Lebensrhythmus der Rentiere – und damit seit dem 17. Jahrhundert auch jenen der Menschen. Obwohl die Samen seit etwa drei Generationen nicht mehr nomadisch mit ihren Herden ziehen, leben doch noch die meisten von der Rentierzucht. Aber Achtung: Fragen Sie einen Rentierzüchter niemals nach der Größe seiner Herde! Das wäre ein arktischer Fauxpas – ganz so, als ob Sie nach dem Kontostand fragten.

In Form von kleinen, nachhaltig organisierten Ökotourismus-Betrieben öffnen manche Samen ihre geheimnisvolle Welt für Besucher. Es gibt rund 50 Unternehmer dieser Art, von denen die meisten in den letzten zwei Jahrzehnten ihre bestehende Rentierwirtschaft um ein kleinformatiges Angebot für Reisende ergänzt haben. Skeptiker mögen darin eine Bedrohung der authentischen Lebensweise sehen, aber dieser junge Wirtschaftszweig hat für die Einheimischen auch schon einiges verbessert: Alte samische Wanderwege werden wieder begangen, Jagd- und Fischereitraditionen wurden wiederbelebt und nicht zuletzt die uralte Praxis, Rentiere vor einen Schlitten zu spannen, wurde wieder aufgenommen. Hand in Hand mit dieser Neuentdeckung samischer Eigenheiten geht auch die Pflege der urtümlichen Esskultur: Viele essbare Pflanzen werden in der Küche wieder eingesetzt, und die Spezialität Suovas – geräuchertes Rentierfleisch – ist zur Gourmetspeise avanciert. Außerdem gibt es seit 2009 den Verband »Slow Food Sápmi«, der samische Lebensmittelproduzenten vertritt und Restaurants auszeichnet, die dem Slow-Food-Ideal von schmackhaftem, hochwertigem und authentischem Essen folgen. Darunter sind »Ripan Kitchen« in Kiruna und »Huuva Hideaway« in Övertorneå sowie »Hävvi i Glen« in Mittelschweden.

Herrlicher Herbst

Lappland wird gerne als das »Reich der Mitternachtssonne« beworben, aber ganz ehrlich: Sonnenschein rund um die Uhr bringt für das konkrete Reiseerlebnis keinen Vorteil, weil man ja doch irgendwann schlafen muss, und spätestens am dritten Tag völlig gerädert ist. Viel ergiebiger ist eine Reise in dem Achtel des Jahres, das die Samen Tjakttjagiessie – »Herbstsommer« – nennen. Dann zeigen sich nämlich die Früchte der sonnenverwöhnten Monate: Die Molte- und Preiselbeeren erhalten ein besonders intensives Aroma, und in den Wäldern sprießen Pilze aus dem bemoosten Boden. Für kurze Zeit teilt die arktische Mutter Natur ihren Proviant aus, und die Landschaft schmückt sich schon in der ersten Septemberhälfte mit einer intensiven Laubfärbung.

Außerdem sind die Nächte wieder dunkel genug, um ungestört schlafen zu können. Einen Grund zum Aufbleiben gibt’s trotzdem: das Polarlicht, das nun vor dem schwarzen Nachthimmel schimmert! Je nachdem, in welcher Höhe die Sonnenteilchen mit der Erdatmosphäre kollidieren, nimmt die Aurora Borealis – die »nördliche Morgenröte« – einen grünen, orange-roten oder blau-violetten Farbton an. Besonders gut sehen kann man sie im Nationalpark Abisko in der Nähe der schwedischen Bergbaustadt Kiruna.

Baumhäuser und Badespaß

Außergewöhnlich stilvoll beobachten kann man das Nordlicht im »Tree Hotel«, einem einmaligen Rückzugsort im 500-Seelen-Dorf Harads, das etwa 80 Kilometer landeinwärts hinter der nordschwedischen Hafenstadt Luleå liegt. Es besteht aus acht Baumhäusern, die von hochkarätigen Architekten aus Skandinavien gestaltet wurden und Design mit Naturerlebnis kombinieren. Die Mischung aus abgeschiedener Location und hohem Wohnkomfort hat schon so manchen Weltstar zum Entspannen angelockt: Justin Bieber und Elijah Wood, Kate Moss sogar schon mehrmals. Was 2010 als Herzensprojekt eines einheimischen Paares begann, ist heute eine Kultdestination unter Urlaubern, die das ganz Besondere suchen. Um die Unterkunft herum ist ein Netzwerk aus Veranstaltern gewachsen, die zu jeder Jahreszeit die passenden Unternehmungen anbieten: kulinarische Schatzsuche im Wald, Husky-Schlittenfahrt, Besuch bei Samen, Elchsafari, Flusspaddeln, Schneeschuhwanderung und vieles mehr.

Auch das Essen wird zelebriert: Die Küche im »Tree Hotel« verspricht Wild, handgepflückte Beeren und andere Delikatessen aus der arktischen Speisekammer. Serviert werden die Gerichte wahlweise bei Kerzenschein auf einem zugefrorenen See oder als Drei-Gänge-Menü auf zehn Metern Höhe zwischen Baumkronen.Im gleichen Ort hat 2020 mit dem »Arctic Bath« ein ebenso eigenwilliges Wellnesshotel eröffnet: Es besteht aus zwölf Gästezimmern, von denen sechs auf dem Wasser des Lule-Flusses schwimmen. Außerdem gibt es eine kreisrunde Wellnessanlage, die optisch an ein Bündel Treibholzstöcke erinnert. Sie umfasst drei Saunen, zwei Whirlpools, und über Stiegen geht’s nach dem Aufwärmen ins kalte Nass. Außerdem ist dort das Restaurant untergebracht, das durch die Verkos­tungsmenüs des Küchenchefs David Staf besticht.

Im Dorf Hedenäset am Westufer der Torne, des Grenzflusses zwischen Schweden und Finnland, hat die Kunsthistorikerin Gunhild Stensmyr ein Mekka des guten Geschmacks angelegt: Sie hat vier ehemalige Privathäuser aufgekauft, renoviert und fit für anspruchsvolle Urlauber gemacht. Da gibt es das Hauptgebäude Wennberg mit vier Gästezimmern und dem Speisesaal, die Doppelzimmer-Hütte Kristina mit Blick auf den Fluss und die jeweils ca. 120 Quadratmeter großen Villen Tolonen und Anundi für Familien.

Die Gastgeberin stammt ursprünglich aus Hedenäset, lebte jedoch ab ihrem Studium in Südschweden. Im Jahr 2004 zog sie ins Dorf ihrer Kindheit zurück. Das Hotel ist nur ein Teil ihrer Vision für ein kunstvolleres Lappland; der Masterplan sieht eine nagelneue Kunsthalle vor, für die sie nun die letzten notwendigen Gelder organisiert. »Als ich vor Jahren hier stand und aufs Wasser schaute, erinnerte mich das an die Besuche im ›Louisiana‹ in Dänemark, wo man auf den Öresund blickt. So unglaublich inspirierend.«

Appetit auf Rentier

Auf der anderen Seite der Grenze bringt Tero Mäntykangas vielen Finnland-Urlaubern die arktische Esskultur näher. Als Küchenchef der »Lapland Hotels«-Gruppe zeichnet er für die Verpflegung in 19 Unterkünften verantwortlich. Er lebt selbst im nordfinnischen Rovaniemi (mit etwa 63.000 Einwohnern), wo sich das Hotel »Sky Ounasvaara« befindet – aussichtsreich gelegen auf dem namensgebenden Hügel. Das dortige Restaurant »Sky Kitchen & View« zählt dank Mäntykangas’ moderner Lappland-Küche zu den besten Gourmetadressen der Region. »Meine Lieblingszutat ist Rentier. Egal, ob roh, medium oder zu lange gekocht: Das Fleisch ist immer köstlich«, sagt er. Kein Wunder, dass das Symboltier der Samen mehrmals auf der Speisekarte zu finden ist.

Übrigens ist sogar der ganze Stadtplan von Rovaniemi einem Rentierkopf nachempfunden. Nachdem die Stadt im Zweiten Weltkrieg zerstört worden war, wurde der berühmte finnische Architekt und Designer Alvar Aalto (1898-1976) mit dem Wiederaufbau betraut. Der Grundriss des Stadtzentrums ähnelt einem Rentierkopf im Profil, mit dem Zentralstadion als Auge. Und so ist man der arktischen Tierwelt selbst in ­der größten Stadt von Finnisch Lappland wieder nahe.Der Spätsommer und Herbst sind auch für die Rentiere und ihre Züchter eine intensive Zeit. Nach der sommerlichen Weidesaison werden die Tiere zusammengetrieben und die großen, gut genährten Bullen werden geschlachtet. Ende September folgt dann die Brunftzeit, in der die Herde sich selbst überlassen wird. In dieser Zeit wenden sich die Samen dem Jagen und Fischen zu – und füllen ihre Vorratskammern für den anstehenden Winter. Die Erntezeit in der Arktis bringt vorübergehend Farben an die Bäume und auf den Teller. Kurz und bunt blitzt sie auf im Jahreskreis – ähnlich wie ein Nordlicht. Wer sie erwischt, kann sich glücklich schätzen.

Hotels & Restaurants

Tree Hotel
Das 2010 eröffnete, aus spektakulären Baumhäusern bestehende Hotel ist an sich schon eine Reise wert. Den Gästen stehen ganzjährig zahlreiche Aktivitäten zur Auswahl: Elchsafari, Huskytour, Nordlicht-Dinner und vieles mehr.

Edeforsväg 2 A, 96178 Harads
T: +46 928-103 00,
treehotel.se

Arctic Bath
Dieses Boutiquehotel mit zwölf Zimmern und Wellnessbereich zum Kaltbaden besteht erst seit 2020. Auch hier kann der Aufenthalt durch zahlreiche Aktivitäten ergänzt werden.

Ramdalsvägen 10, 96178 Harads
T: +46 928 70 30 40
arcticbath.se

Icehotel
Seit der Eröffnung 1989 hat sich das weltbekannte Eishotel, das jeden Winter neu aufgebaut wird, stets weiterentwickelt. Mit dem »Icehotel 365« gibt es seit 2016 auch einen Bereich, der ganzjährig intakt bleibt. Die Suiten mit Eiskunst können tagsüber gegen Eintritt wie eine Ausstellung besichtigt werden.

Marknadsvägen 63, 98191 Jukkasjärvi
T: +46 980 668 00
icehotel.com

Camp Ripan
Wer im Nationalpark Abisko auf Nordlichtjagd gehen will, kann dieses Hotel als Basis beziehen. Im Wellnessbereich kann man ein Ritualset mit Anwendungen zum Selbermachen dazubuchen. Und das Restaurant »Ripan Kitchen« gehört zum Netzwerk »Slow Food Sápmi«.

Campingvägen 5, 981 35 Kiruna
T: +46 980-630 00
ripan.se

Arthotel Tornedalen
In der schwedisch-finnischen Grenze findet man diesen einmaligen Komplex aus vier renovierten und mit Kunstwerken aufgewerteten Wohnhäusern sowie einem neu gebauten Aussichtsturm im Wald.

Risudden 150, 95795 Hedenäset
T: +46 722 34 21 21
arthoteltornedalen.se

Arctic Treehouse Hotel
Die finnische Antwort auf das schwedische Erfolgsrezept mit den schicken Baumhäusern kam 2016, und zwar in der Nähe des »Santa Claus Village«.

Tarvantie 3, 96910 Rovaniemi
T: +358 50 5176909
arctictreehousehotel.com

Lapland Hotels Sky Ounasvaara
In einem Skigebiet am Rande von Rovaniemi liegt dieses Hotel. Im »Sky Kitchen & View« werden von Tero Mäntykangas konzipierte Überraschungsmenüs mit drei oder fünf Gängen serviert.

Juhannuskalliontie, 96400 Rovaniemi
T: +35816323400
laplandhotels.com
kitchensky.fi

Aktivitäten

Rundflug per Helikopter
Wer die herbstliche Laubfärbung aus der Vogelperspektive sehen oder ohne Fußmarsch einen Berg erklimmen möchte, kann bei Kallax Flyg eine Helikopter-Tour buchen. Eine der fünf Basen liegt bei Kiruna.

Kippiniemivägen 12, 981 46 Kurravaara
T: +46 98081000
kallaxflyg.se

Nutti Sámi Siida
Dieses Freilichtmuseum in der Nähe des Eishotels zählt zu den Pionieren im samischen Ökotourismus. Darüber können auch Besuche bei Rentierzüchtern gebucht werden. Außerdem gibt es ein Slowfood-Restaurant namens »Ovttas« mit typischen Gerichten.

Marknadsvägen 2, 981 91 Jukkasjärvi
T: +46 980 213 29
nutti.se

Arktikum
Im Zentrum von Rovaniemi befindet sich dieses Wissenschaftsmuseum, das die arktische Region und die Geschichte von Finnisch Lappland aus vielen Perspektiven beleuchtet.

Pohjoisranta 4, 96200 Rovaniemi
T: +358 16 3223260
arktikum.fi

Nationalpark Lemmenjoki
In Finnlands größtem Naturschutzgebiet kann man eine Bootsfahrt zu den Ravadas-Wasserfällen machen. In Inari liegt das dazugehörige Besucherzentrum Siida, das sich auch den Samen widmet.

Inarintie 46, 99870 Inari
T: +358 40 0898212
siida.fi

Anreise

Der Flughafen von Rovaniemi verzeichnet nach Helsinki die zweitmeisten Passagiere in Finnland. Im Winter fliegt Austrian Airlines direkt von Wien hin, ansonsten muss man in Helsinki umsteigen. Nach Kiruna sowie Luleå/Kallax kommt man nur indirekt über Stockholm. Weiter geht‘s von allen drei Orten mit einem Mietwagen.


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Erschienen in
Falstaff Nr. 05/2024

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Lisa Arnold
Autor
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