Die bunten Bootshäuser sind ein Wahrzeichen des Fischerorts Smögen.

Die bunten Bootshäuser sind ein Wahrzeichen des Fischerorts Smögen.
© Lisa Arnold

Nordische Aromen: Schweden erleben und genießen

Kulinarik
Schweden
Nordics

Wenn es um maritime Geschmackserlebnisse geht, gilt auch in Schweden: »The West Coast is the Best Coast«. Der Küstenabschnitt zwischen Göteborg und der norwegischen Grenze wartet mit delikaten Austern, allerlei Krustentieren, fangfrischem Fisch und spannenden Experimenten mit Algen auf.

Es ist ein ganz spezielles, rau-­romantisches Schweden, das man an der zerfurchten Westküste vorfindet: Die Häuschen sind weiss statt bullerbürot, statt Sandstränden säumen Felsen das Ufer, und meistens weht eine salzige Brise. Die Landschaft ist von Buchten, Meerengen und über 8000 Inseln und Schären geprägt. Die Klippen aus Granit nehmen eine rosafarbene Nuance an. Und mit dem Gullmarn findet man in Westschweden auch den einzigen richtigen Fjord des Landes, der an der Mündung flacher ist als im dahinterliegenden Tal.

Von den 25 historischen Provinzen Schwedens ist Bohuslän die westlichste. Sie ist nach einer Festung im heutigen Kungälv benannt und besteht aus einem rund 50 Kilometer breiten und 150 Kilometer langen Küstenstreifen zwischen der Hafenstadt Göteborg und der norwegischen Grenze. Es ist die Provinz der Fischer und Lotsen, die ihre Geschichte in »Heringsperioden« rechnet: Epochen zu mehreren Jahrzehnten, in denen die Schwärme besonders nah ans Ufer herankamen und mit damaligen Angelmethoden leichter zu fangen waren. Zwischen 1556 und 1898 gab es vier solche Epochen, die der Region Aufschwung bescherten. Auf der Insel Klädesholmen wird seit über drei Jahrhunderten Hering verarbeitet, und noch heute produziert das dort ansässige Konservierungsunternehmen die Hälfte des in Schweden verzehrten Matjes.

Schwedens »Big Five«

Aber im Meer tummelt sich noch mehr: Weil das Wasser im Skagerrak so sauber, kalt und ständig in starker Bewegung ist, bringt es köstliche Krustentiere und andere Delikatessen hervor. Obwohl es im Hochsommer einige badefreundliche Wochen gibt, kommen Geniesser lieber in der Nebensaison nach Bohuslän. Sie wissen nämlich: In den Monaten mit einem R im Namen haben Meeresfrüchte die höchste Qualität.

In Anlehnung an die fünf grossen Wildtiere Afrikas haben die Gastronomen an Schwedens Westküste die »Big Five« der dort heimischen Meeresfrüchte benannt: den Kaisergranat (auf Schwedisch Havskräfta), die Garnele (Räka) und den Hummer (Hummer) sowie die Europäische Auster (Ostron) und die Miesmuschel (Blåmussla). Hinzufügen könnte man noch den braunen Taschenkrebs (Krabba). Besucher können sie in Restaurants, an Fischwagen und auf Bootstouren verkosten. In Bohuslän gibt es zahlreiche kleine Anbieter, die Interessierte dorthin mitnehmen, wo die Delikatessen ihren Ursprung haben, um den Weg vom Meer in den Mund nachvollziehen zu können.

Die Fischgerichte im Restaurant und Hotel »Salt & Sill« werden von der Jahreszeit bestimmt.
© Katja Ragnstam / westsweden.com
Die Fischgerichte im Restaurant und Hotel »Salt & Sill« werden von der Jahreszeit bestimmt.

Meister des Austernöffnens

Das Klima und die Wassertemperatur bescheren der Provinz Bohuslän erstklassige Austern. Obwohl der Grossteil exportiert wird, bleiben vor Ort genug Exemplare übrig, um den Genuss zu erleben, auf einer Klippe eine »Ostrea edulis« oder auch »Magallana gigas« nach der anderen zu knacken, zu schlürfen und stilecht mit Porter hinabzuspülen. »Das beste Fast Food der Welt«, findet der schwedische Fernsehkoch Tareq Taylor. In Schweden kommen neun von zehn Austern aus dem Gewässer vor dem Ort Grebbestad. Dort bietet die kleine Gastwirtschaft »Everts Sjöbod« Meeresfrüchtesafaris und Gästezimmer direkt am Wasser an.

Wussten Sie, dass es einen offiziellen Wettbewerb im Austernöffnen gibt? Die Europameisterschaft findet jeden Jänner im westschwedischen Trollhättan statt. Heuer haben sich dort 24 Profis aus dreizehn Ländern gemessen. Gewonnen hat Stephen Nolan aus Irland. In seiner Heimat wiederum wird bei der World Oyster Opening Championship der Weltmeister gekürt, und zwar seit 1954. Während die Austern fast ausschliesslich von natürlichen Bänken stammen, werden Miesmuscheln in Schweden auch gezüchtet. Eine kombinierte Austern- und Mies­muschelsafari ab Lysekil gibt faszinierende Einblicke, sowohl was die »Ernte« als auch was die Zubereitung der beiden Arten angeht. Während die Austern fangfrisch geknackt und geschlürft werden, brauchen die Miesmuscheln fünf Minuten in kochendem Wasser, bevor sie sich öffnen und verzehrt werden können.

Kalender der Krustentiere

Was für die nordschwedischen Jäger die Elchjagd, ist für die Fischer in Bohuslän die Hummerpremiere: ein nahezu heiliger Höhepunkt im Jahreskreis. Sie steht jeweils am ersten Montag nach dem 20. September im Kalender. Dann gleiten die Boote im Morgengrauen um sieben Uhr hinaus aufs Meer, wo die Hummerfallen ausgebracht werden. Damit beginnen für Bistros am Pier und die Spitzenrestaurants drei hummerleckere Monate: Das »schwarze Gold des Meeres« darf von Berufsfischern in Schweden bis Jahresende gefangen werden, dann ist wieder Pause. Auch der Kaisergranat hat im Spätsommer sein eigenes Fest: die gesellige »Kräftskiva« (Krebsfest) mit ulkigen Hüten und Trinkliedern. Bis 1994 war der Krebsfang ab November verboten, die neue Fangsaison begann am jeweils ersten Mittwoch im August. Obwohl es diese zeitliche Begrenzung nicht mehr gibt, hat die Tradition weiterhin ihren Reiz.

Das Fangen der nachtaktiven Zehnfusskrebse mit Reusen und bei Dunkelheit ist Berufsfischern vorbehalten. Die Tiere sind eigentlich dunkelbraun und damit gut getarnt am Meeres­boden. Erst beim Kochen erröten sie. Neben den krustigen Klassikern hält eine neue Zutat Einzug in die Küstenküche: Algen. An der schwedischen Westküste gibt es zwei Damen, die sich dem Pflücken und Verarbeiten von Seetang, aber auch der Wissensvermittlung über diese nährstoffreichen Pflanzen verschrieben haben: Linnéa Sjögren mit dem »Catxalot« in Grebbestad und Karolina Martinson mit dem »Algblomman« auf der Insel Styrsö im Göteborger Schärengarten. Zusammen haben sie 2021 ein Buch über das Identifizieren, Sammeln und Verarbeiten von 50 Algen- und Strandpflanzenarten herausgebracht (»Plocka tång & strandväxter«), das bisher leider nur auf Schwedisch erhältlich ist.

Bei »Everts Sjöbod« in Grebbestad können Gäste eigenhändig Austern vom Meeresboden sammeln und dann gleich knacken und verzehren. Dort werden aber auch noch drei weitere Arten der »Big Five« serviert: Kaisergranat, Garnele und Miesmuschel.
© Foto beigestellt/ Roger Borgelid_Westsweden.com
Bei »Everts Sjöbod« in Grebbestad können Gäste eigenhändig Austern vom Meeresboden sammeln und dann gleich knacken und verzehren. Dort werden aber auch noch drei weitere Arten der »Big Five« serviert: Kaisergranat, Garnele und Miesmuschel.

Wer von den Profis lernen möchte, kann dies vor Ort persönlich tun: Beide bieten geführte Wanderungen, Kochkurse und Schnorchel­ausflüge an. »Ich sehe mich als Algentaucherin, Impulsgeberin und Botschafterin der blauen Wirtschaftszweige von morgen«, sagt Karolina Martinson. »Seit über fünfzehn Jahren interessiere ich mich für Meeresalgen und möchte zu einer Esskultur beitragen, die sie ganz selbstverständlich auf den Teller bringt.« Das Restaurant »Salt & Sill« auf der Insel Klädesholmen bereitet seine Vichyssoise mit Meeresfrüchten und Seetang zu. Und die ­Mikrobrauerei im Urlaubsort Smögen verwendet Seetang bereits in mehreren Biersorten der Serie »Smögenbryggar’n«. Na dann: Skål! Auf die schmackhafte Flora und Fauna von Westschweden!

© Badass Food-Stories westsweden.com

Restaurants und Hotels

Feskekörka
Nach fast vierjähriger Renovierung hat die »Fischkirche« von Göteborg im Mai wiedereröffnet. Das aussergewöhnliche Gebäude von 1874, das trotz seiner sakralen Bauweise schon immer ein Fischmarkt gewesen ist, beherbergt nun zwei Fischtheken und vier Seafood-Restaurants.

Fisktorget 4, 411 20 Göteborg
T: +46 31 127227
feskekorka.se

Kajkanten

Dieses Aparthotel am Meer besteht aus elf Häuschen mit je zwei bis sieben Betten. Frühstückskorb und Meeresfrüchtebox werden als Verpflegung angeboten, und im Sommer werden Kajaks vermietet.

Vrångö hamnväg 24, 430 83 Vrångö
T: +46 734 000174
kajkantenvrango.se

Salt & Sill
Unwiderstehlich maritime Mischung aus Hotel und Gastronomie: Bei »Salz und Hering« schwimmen die Gästezimmer auf dem Wasser, und das Restaurant hat unter anderem eine Platte mit achtmal verschieden eingelegtem Hering auf der Karte.

Rytterholmen 1, 471 51 Klädesholmen
T: +46 304 673480,
saltosill.se

Väderöarna
Auf den »Wetterinseln« acht Seemeilen vor der Küste findet man eine einmalige Inselidylle vor. Die Gäste übernachten in maritim eingerichteten Gästezimmern oder stilechten roten Holzhäuschen. Eine Krabben- oder eine Hummersafari kann dazugebucht werden.

Fähre ab: Färjeläget 1, 450 70 Hamburgsund
T: +46 70 7721300
vaderoarna.com

Aktivitäten

Everts Sjöbod
Im namensgebenden »Bootsschuppen« beginnen allerlei geschmackvolle Abenteuer zu Wasser: Austernfischen, Hummersafari, Schärenrundfahrten und mehr. Das dazugehörige Bed & Breakfast verspricht mit zwei Suiten und vier Zimmern ein persönliches Urlaubserlebnis.

Grönemadsvägen 61, 457 95 Grebbestad
T: +46 525 14242
evertssjobod.se

Lysekil Ostron & Musslor
Dieser Veranstalter bietet kombinierte Austern- und Miesmuschelsafaris ab Lysekil an.

Start: Norra Hamngatan 1, 453 31 Lysekil
T: + 46 706 400447
lysekilsostronomusslor.se

Smögens Fiske & Skärgårdsturer

Wer einmal mit einem waschechten Fischer in See stechen möchte, hat bei Martin Olofsson und seinem Vater Tommy die Gelegenheit dazu. Die Familie lebt seit Generationen vom Fischfang an der Westküste. Besucher können entweder vom Boot aus Makrelen angeln oder sie lassen sich bei einer Krabben- oder Hummersafari zu den Delikatessen bringen.

Sälebådsvägen 33, 456 50 Smögen
T: +46 70 3245143,
fisketur.se

Algensafaris

Catxalot: catxalot.se
Algblomman: algblomman.com

Anreise

Von Zürich aus gibt es täglich Direktflüge nach Göteborg mit der Airline Swiss. Die Flugdauer beträgt rund zwei Stunden. Fürs Erkunden der schwedischen Westküste sollte man vor Ort ein Auto mieten.


Nichts mehr verpassen!

Melden Sie sich jetzt für unseren Newsletter an.

Erschienen in
Falstaff Nr. 04/2024

Zum Magazin

Lisa Arnold
Autor
Mehr zum Thema