Die «Brasserie Süd» im Südtrakt des Hauptbahnhofs gehört zu den spektakulärsten Neueröffnungen der letzten Monate in Zürich.

Die «Brasserie Süd» im Südtrakt des Hauptbahnhofs gehört zu den spektakulärsten Neueröffnungen der letzten Monate in Zürich.
© Lukas Lienhard

Zürcher Hauptbahnhof: Nächster Halt – Hochgenuss

Kulinarische Höhenflüge am Hauptbahnhof? Was in den meisten Städten reine Utopie ist, ist in der Foodmetropole Zürich gelebte Realität. Insbesondere seit der Eröffnung des neuen Südtrakts mit gleich mehreren Genuss-Hotspots.

Wer am Zürcher Hauptbahnhof den historischen Südtrakt Richtung Bahnhofstrasse durchquert, läuft an einer der wohl spektakulärsten Neueröffnungen der Stadt vorbei. Die Gastronomen Valentin Diem und Nenad Mlinarevic haben hier, im frisch sanierten, historischen Teil des ältesten Bahnhofs der Schweiz, die «Brasserie Süd» und gleich daneben das Fine-Dining-Lokal «The Counter» eröffnet. Fine Dining im Hauptbahnhof? In Zürich scheint alles möglich.

Die sogenannten «Bahnhofsbuffets» haben in der Schweiz Kultstatus. Sie entstammen einer Zeit, als das Reisen selbst noch grosser Genuss und nicht Alltag oder gar Stress war. Am Zürcher Hauptbahnhof gab es bereits ab 1847 ein kleines «Buffet». Die Bahnhofsgastronomie war ein Treffpunkt für alle, nicht nur für die Reisenden, es waren regelrechte Volksrestaurants.

Neuland Bahnhofsbuffet

«Ich verstehe die ‹Brasserie Süd› nicht als reines Bahnhofsrestaurant. Es befindet sich zwar im Bahnhof, aber auch am Bahnhofplatz, unmittelbar an der Bahnhofstrasse», sagt Valentin Diem. Diem und Mlinarevic sind sich ihres Erbes und der speziellen Lage ihrer neuesten Lokale bewusst. Die beiden betreiben gemeinsam bereits die «Bauernschänke» und den «Neumarkt» im Niederdorf sowie die «Neue Taverne» in der Altstadt auf der anderen Seite der Limmat. Insbesondere die «Brasserie Süd» war für die beiden ein Stück weit Neuland. «Es ist ein Ort, an dem Menschen mit verschiedenen Bedürfnissen zusammenkommen», sagt Diem. «Es gibt die, die den Zug verpasst haben, Leute, die sich zu einem Meeting treffen oder in die Stadt zum Einkaufen fahren und natürlich auch einfach Pendler – und das aus allen Alters- und Einkommensschichten. Das ist eine Challenge, aber auch ein Privileg.» Insgesamt verkehren am Zürcher Hauptbahnhof täglich rund 400.000 Menschen, was ihn zum meistfrequentierten Bahnhof der gesamten Schweiz macht.

Der geschichtsträchtige Südtrakt des Hauptbahnhofs wurde 1871 von Jakob Friedrich Wanner, dem legendären Architekten vieler anderer Bahnhofsbauten im Land, erbaut. «Als der Bahnhof eröffnet wurde, war er der ganze Stolz der Stadt», sinniert Valentin Diem. «Mit der Sanierung des Südtrakts und auch mit der Eröffnung unserer Lokale arbeitet die SBB heute wieder in diese Richtung.» Saniert wurde das prominente Tor zum Zürcher Hauptbahnhof während ganzer fünf Jahre. Dass man danach nicht einfach ein durchschnittliches Gastronomieangebot präsentieren wollte, ist nachvollziehbar. «Beim ­Gastronomieangebot im Süd­trakt war es uns wichtig, dass die ­Konzepte zur Geschichte und Wertigkeit des Gebäudeteils passen und von in Zürich beliebten und bekannten Anbietern betrieben werden», sagt Marina Stettler, Teamleiterin Vermietung und Akquisition Grossraum Zürich bei der SBB, und führt weiter aus, dass man ganz klar einen Nach­fragetrend in Richtung Regionalität feststelle. «Deshalb sind neben skalierbaren nationalen und internationalen Konzepten auch einzigartige regionale Konzepte gefragt.»

Handwerk auf ganzer Linie

Auf der Karte wie im Design respektieren Diem und Mlinarevic die altehrwürdigen Gemäuer, wollen dabei aber auch kontemporär sein. «Wir respektieren die internationale Brasserie-Kultur, kochen aber auch modern», so Diem. Alles im Lokal wird frisch zube­reitet und serviert, es geht um Handwerk – das zieht sich vom Teller über die Weinkarte bis hin zum Angebot an Softdrinks. «Auch unsere alkoholfreien Getränke stellen wir selbst her», so Diem. «Aus meiner Sicht kann man nicht handwerklich kochen und dann Coca-Cola servieren.» Fünfmal im Jahr wird das Menu in der «Brasserie Süd» gewechselt, auch die Saison soll eine Rolle spielen. Und dennoch: Erste Favoriten haben sich bereits herauskristallisiert. «Die Paccheri mit Hummerragout können wir nicht mehr von der Karte nehmen», sagt Valentin Diem. «Sie haben sich zum Signature ent­wickelt.»

Oberhalb des Gastraums der «Brasserie Süd» befindet sich die unter Zürchern einst legendäre «Da Capo Bar». In den 70er-Jahren von Trix und Robert Hauss­mann entworfen, beliess man hier alles beim Alten – im grossen Gastraum unterhalb aber hat man den altehrwürdigen Hallen gekonnt einen zeitgemässen Charme verpasst. Die Wandbemalung in der «Da Capo Bar» erinnert an die Steinfassade des Südtrakts, ein unwirklicher, kultiger Raum, den man abends nun wieder besuchen kann. Reservationen werden im Barteil keine angenommen, sondern nur in einem Teil der Brasserie und natürlich im exklusiven «The Counter», wo maximal 23 Leute speisen. «In der ‹Brasserie Süd› hat es Platz für spontane Gäste», so Diem. «Zu Spitzenzeiten können wir dieses Versprechen aber gerade nicht einlösen – wir sind dann regelmässig bis auf den letzten Platz ausgebucht.»

Ein Konzept, das überzeugt

Das Konzept «Brasserie Süd» scheint aufzugehen, auch Marina Stettler von der SBB zeigt sich zufrieden: «Unsere Kundinnen und Kunden schätzen und loben die Atmosphäre im sanierten Südtrakt sehr. Entsprechend zufrieden ist die SBB mit dem Resultat der rund fünfjährigen Generalsanierung.» Und auch der Plan mit der Aufwertung der Gastronomie und dem alten Geist der Bahnhofsgastronomie scheint aufzugehen. Zu den Rennern auf der Karte der «Brasserie Süd» gehören nicht nur die Hummer-Pasta, sondern auch gereifte Bordeaux-Weine, die man durch beste Kontakte in den Raritätenhandel zu fairen Preisen geniessen kann.

Die «Brasserie Süd» und das Fine-Dining-Lokal «The Counter» sind aber nur ein Teil des neuen Kulinarik-Hotspots im Süd­trakt des Zürcher Hauptbahnhofs. Auch die Confiserie Sprüngli hat ihre neuen, eindrücklichen Räumlichkeiten hier schon bezogen und das lokale Fried-Chicken-Lokal «Yardbird» hat kürzlich Eröffnung gefeiert. Mit dem legendären Zürcher Smashed-Burger-Anbieter «Action Burger» zieht diesen Sommer ein weiterer Favorit der Food-Szene im Südtrakt ein. «Spannende nationale und internationale Konzepte haben aber nach wie vor einen sehr hohen Stellenwert im Mietermix», sagt Marina Stettler. «Ebenso zentral ist es, dass das Angebot an den Bahnhöfen für jeden Geldbeutel etwas bereithält.»

Am Bahnhof Zürich ist dies auf jeden Fall gegeben – auch ausserhalb des repräsentativen Südtrakts. So betreibt etwa die regionale Rösterei «Miró Coffee» einen Take-away-Standort im Untergeschoss des Hauptbahnhofs, mit «Bakery Bakery» ist eine der besten veganen Bäckereien der Stadt vertreten und mit «Maru» ein spannendes Lokal für japanisches Comfort Food. Unweit davon entfernt befindet sich auch eine Filiale von «Baur au Lac Vins» mit einem Weinangebot, das dem wichtigsten Bahnhof der Schweiz und seiner Stadt gerecht wird. Der Zürcher Hauptbahnhof ist ein echter Hotspot für Kulinariklieb­haber – nicht bloss für solche, die mit der Bahn unterwegs sind, sondern für alle Menschen in der Limmatstadt.


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Erschienen in
Food Zurich Special 2024

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Benjamin Herzog
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