Durch die geringere Luftfeuchtigkeit in der Höhe trocknet der Gaumen schneller aus – und verändert auch das Geschmacksempfinden.

Durch die geringere Luftfeuchtigkeit in der Höhe trocknet der Gaumen schneller aus – und verändert auch das Geschmacksempfinden.
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Mile-high Drinking: Warum Wein in Höhenlagen anders schmeckt

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Wissenschaft
Alpine Küche

In luftigen Höhen schmeckt alles anders, auch der Wein. Das kennt man aus dem Flugzeug. Liegt das am Produkt oder an unserer Wahrnehmung? Vertragen wir weniger Alkohol? Oder ist alles nur Einbildung?

Bergrestaurants erfreuen sich zunehmender Beliebtheit. Ob das »Ice Q« in Sölden (3048 Meter), das »Gütsch« in Andermatt (2340 Meter) oder das »AlpiNN« am Kronplatz (2275 Meter) – die Aussicht ist sensationell und das kulinarische Angebot hat mit klassischer Hüttenverköstigung kaum etwas zu tun. Wer das Leben in der Höhe nicht gewöhnt ist, der kann nach dem ersten Glas schnell das Gefühl bekommen, dass sich die Welt ein wenig anders dreht.

Doch geht der Alkohol in der Höhe tatsächlich schneller ins Blut? Dafür gibt es keine schlüssige Erklärung. Der Abbau erfolgt genauso wie beim Strandurlaub. Mit zunehmender Höhe nimmt jedoch der Luftdruck ab, was den Sauerstoff­gehalt in der Luft senkt. Außerdem ist die Luft trockener und es kommt leicht zur Dehydrierung. 

Unsere Sensoren geschmeidig halten

Wenn wir uns in der höheren Lage noch nicht akklimatisiert haben, können sich die geringere Sauerstoffversorgung und ein Flüssigkeitsmangel auch ohne einen Schluck Alkohol in leichter »Dizziness«, Schwindel oder Lethargie bemerkbar machen. Ausreichend Wasser trinken ist daher in Höhenlagen noch mal ­wichtiger als »zu ebener Erd«. In Verkostungs­situationen sowieso, weil Alkohol auch diuretisch, also harntreibend wirkt. 

Fürs Erfassen der Aromen ist in erster Linie das Riechepithel zuständig. ­Dieses detektiert nicht nur die Düfte in der Luft, sondern retronasal – also über den Gaumen – auch den Geschmack. Eine ausreichende Flüssigkeitsversorgung ist daher auch aus gustatorischen Gründen sinnvoll. Denn sind Gaumen und Nasenschleimhaut ausgetrocknet, verändert sich die sensorische Wahrnehmung und die niedrigere Luftfeuchtigkeit führt ohnehin dazu, dass Aromen von den Schleim­häuten schlechter aufgenommen werden. 

In der Höhe haben subtile Noten daher wenig Chance, erkannt zu werden, das Aroma verflüchtigt sich rasch. Übrig bleiben Säure und gegebenenfalls Tannine. Diese können sich sogar kräftiger am Gaumen zeigen. Schließlich führen Gerbstoffe normalerweise dazu, dass wir mehr Speichel produzieren, um die adstringierende Wirkung zu senken. Hat man einen zu geringen Wasserstand, fällt die Speichelproduktion allerdings geringer aus, folglich nehmen wir die Tannine stärker wahr. 

Kurzum: Nicht der Wein verändert sich in der Höhe, sondern unsere Geruchs- und Geschmackswahrnehmung – üblicherweise nach etwa zwei bis drei Stunden. Wasser trinken hilft, das Potenzial voll auszukosten. 


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Erschienen in
Falstaff Nr. 04/2024

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Marlies Gruber
Autor
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