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Lokalkritik: Was einen im neuen Gasthaus von Harald Brunner im Servitenviertel erwartet

Kritik
Restaurant
Wien

Wer jemals bei ihm einen gebackenen Kalbskopf gegessen hat, der wird rasch feststellen, dass man diese selten gewordene und als altmodisch in Verruf geratene Kreation nirgendwo besser bekommt.

Er hat es nicht leicht gehabt in letzter Zeit. Harald Brunner, vor kurzem 60 geworden, hat jahrelang im Restaurant »Das Spittelberg« eine treue Fangemeinde bekocht. Der einstige Sou Chef von Kochlegende Reinhard Gerer sollte nach seinem unfreiwilligen Abgang vom »Spittelberg« im Landgasthaus-Hotel »Knappenhof« an der Rax am Herd stehen. Doch daraus wurde nichts, Brunner hatte einen Herzinfarkt. Er ist zum Glück wieder völlig genesen – und er hat in der Zwischenzeit ein Gasthaus in Bestlage übernommen: den ehemaligen »Servitenwirt« mit Gastgarten im schönen Servitenviertel, gleich neben einer barocken Kirche.

Von der Einrichtung her ist es ein ganz normales Wiener Gasthaus, da wurde auch nichts geändert, nur die Küche ist neu. Das Lokal passt jetzt wunderbar zu Brunners Küche. Brunner zählt zu jenen Köchen, die noch das alte Küchenhandwerk beherrschen. Seine Küche basiert auf Kochtechniken, die heutzutage nur noch selten angewendet werden, da sie aufwendig und anspruchsvoll sind. Solche Köche der alten Schule sind rar geworden, sie sollten eigentlich auf eine Artenschutz-Liste gesetzt werden.

Weil dem Servitenviertel ein klein wenig Pariser Charme nachgesagt wird, hat Brunner Gerichte wie Schnecken, eine Zwiebel-Tarte Tatin mit Schalottenvinaigrette und eine Krustentier-Bouillabaisse auf der Karte. Zubereitet nach Brunners Vorstellungen, mit guten Produkten und einer mehr als nur soliden Machart.

Sein wirkliches Können zeigt er allerdings mit Gerichten der klassischen, österreichischen Küche. Wer jemals bei ihm einen gebackenen Kalbskopf gegessen hat, der wird rasch feststellen, dass man diese selten gewordene und als altmodisch in Verruf geratene Kreation nirgendwo besser bekommt. Das trifft auch auf Brunners Butterschnitzel mit Erdäpfelpüree zu. Brunner erzählt gerne, dass ihm kein Geringerer als Altmeister Eckart Witzigmann ein paar Tipps gegeben hat, wie man diesen weit unterschätzten Klassiker in Vollendung zubereiten kann. Ebenfalls grandios, das Kalbsbries mit Entenzungen, das klingt für so manchen vielleicht ein wenig dekadent, ist aber umso köstlicher. Seine knusprige Ente steht natürlich auch auf der Karte, es gibt keinen Grund, weshalb sie fehlen sollte, denn damit hat er sich schon vor ewigen Zeiten Lorbeeren erkocht.

Hinreißend sind auch die Desserts von Brunners Lebensgefährtin Edith Berghofer, die in dem neuen Gasthausjuwel gerade zu einer Hochform aufläuft. Die Weinkarte ist noch eher klein und sollte schon bald erweitert werden. Für ein wirklich rundes Angebot fehlt da noch so manches.

Doch auch das wird sich machen lassen. Brunner hat übrigens auch zu Silvester offen und dafür ein mehrgängiges Menü entwickelt. Insgesamt ein höchst erfreulicher Neuzugang – mit einem sympathischen Koch, der gerade ein eindrucksvolles Comeback feiert.

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Herbert Hacker
Herbert Hacker
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