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Dorli Muhr: Mein Portugal

Porto
Portugal

Es war keine Liebe auf den ersten Blick. Im Gegenteil. Nichts wie weg, dachte ich, als ich Porto kennenlernte. Die Stadt wirkte auf mich wie eine Festung, die sich selbst genügte und nicht gefallen wollte.

Dennoch kam ich immer wieder, und dann blieb ich. Nicht der Stadt wegen. Als meine Ehe scheiterte, fiel mir der Abschied von Porto trotzdem sehr schwer. Über die Jahre hatte ich die Stadt ins Herz geschlossen. Es war eine langsam gewachsene Liebe, die auf Tiefgang und echter Kenntnis beruhte. Und es immer noch tut.

Porto in den 1990er-Jahren, das war eine nach innen gekehrte Stadt. Es gab kein Strandcafé mit Blick aufs Meer, kein Restaurant mit Gastgarten. Schien die Sonne, so schloss man die Fensterläden. Porto war wie eine Festung, die sich selbst genügte. In vielen Schaufenstern bestaunte ich vergilbte und verstaubte Packungen von Waschmitteln, Neonröhren flackerten in Restaurants, und die Zubringerstraße vom Flughafen war bis zum Stadtrand an beiden Seiten zugemüllt. Was mache ich bloß hier, fragte ich mich jedes Mal deprimiert, wenn ich hier landete. Die Stadt, die Menschen, die Sprache – nichts war einladend, nichts war einfach. Es kostete mich viele Monate, um die Schönheit zu erkennen.

Die Menschen

Das Besondere an den Portugiesen ist eine Menschenliebe, die jedoch gut verborgen hinter einem Wall an Vorsicht liegt. Niemand klopft dir auf die Schulter und sagt »He, komm uns morgen besuchen«, wie das in den USA ständig der Fall ist. In Portugal spielt sich viel auf Fußballplätzen, in Restaurants und Cafés ab. Wirst du zu jemandem privat eingeladen, gehörst du zum Kreis der Vertrauten. Diesen Status muss man sich erst verdienen. Bis dahin wird man dir sehr freundlich und wohlwollend entgegenkommen. Aber auf Distanz.

Die Sprache

Französisch und Spanisch sprach ich fließend, doch der Klang von Portugiesisch – hart und halb verschluckt – ging mir nicht ins Ohr und noch weniger ins Herz. Wo beginnt und wo endet ein Wort in dieser Wurst, wunderte ich mich resignierend. Es dauerte, bis ich in eine anspruchsvolle Konversation einsteigen konnte. Und noch länger dauerte es, bis ich die unglaubliche Poesie, die komplexen Wortspiele und die Vielschichtigkeit der Sprache verstand. Wenn einer meiner Weine heute »Saudade« heißt, so ist das eine späte, aber sehr aufrichtige Entschuldigung dafür, dass ich ­dieser wunderbaren Sprache so lange mit Ignoranz gegenüberstand.

Die Architektur

In den 2000er-Jahren veränderte sich Portugal. Geld aus Brüssel floss ins Land. Gebäude wurden renoviert, Straßen gebaut, der Flughafen vergrößert, die Casa da Musica errichtet. Der größte Verdienst der Portuenser ist, dass die Stadt trotz des Geld­regens ihren Charakter nicht verlor. Porto ist auch heute noch ur-portugiesisch, selbst wenn sich mittlerweile viele Touristen durch die engen Gassen drängen oder sich die steilen Treppen hochkämpfen. Porto hat im letzten Jahrhundert keinen Krieg erlebt, niemals fielen Bomben. Die Bausubstanz stammt teils aus dem Mittelalter, teils aus dem 19. Jahrhundert, und ganz tolle Gebäude wurden im portugiesischen Jugendstil erbaut.

Dann, Mitte des 20. Jahrhunderts, schüttelten die Architekten alles Manierierte ab. Álvaro Siza ist einer der Proponenten der Schule von Porto, die für Purismus, schlichte Linien und das Zusammenspiel von brasilianischem Holz und portugiesischem Granit steht. Für viele ist Siza der Gott der Ästhetik. Wer seinen Stil genießen möchte, der bucht einen Tisch in der »Casa de Chá de Boa Nova«, ein paar Kilometer nördlich von Porto. Glücklicherweise kocht dort heute Rui Paula, einer der besten Köche des Landes. Das Design des Restaurants, der Blick auf die im Atlantik untergehende Sonne und Paulas Fischkreationen – allein dieser Abend ist eine Reise wert.

Die Küche

Gehe niemals in hübsche Restaurants, die sind nur für Touristen – das bläute man mir seinerzeit ein. Tatsächlich gab es das beste Essen in Lokalen, die ich freiwillig nicht betreten hätte. Heute ist das anders. Zum Beispiel im »O Gaveto« in Matosinhos, der Heimatstadt Álvaro Sizas. Schlicht und puristisch im Ambiente, kriegt man im »O Gaveto« die allerbesten Meeresfrüchte und wählt aus einer großartigen Weinkarte. Wohl auch deshalb sind mittags und abends prominenteste Winzer dort anzutreffen.

Besonders ästhetisch ist die »Cozinha das Flores«. Ein unglaublich schönes Lokal, das selbst in London Aufsehen erregen würde. Kein Wunder, denn Starkoch Nuno Mendes, der schon in London mit »Viajante« und »Lisboeta« die portugiesische Küche auf höchstes Niveau gehoben hat, steht hinter diesem Projekt. Traditionelle portugiesische Gerichte, in elegantester Art in die Gegenwart geholt. Und das in einem atemberaubend schönen Ambiente. Porto kann so viel.

Die Weine

Einen unglaublichen Wandel hat die portugiesische Weinbranche in den letzten drei Jahrzehnten erlebt. Zunächst der Schritt zu anspruchsvollen Roten, später die Entdeckung der mineralischen Weißen und nun die Entwicklung zu den Naturals. Wer die jüngste Szene kennenlernen möchte, ist im »O Genuino« gut aufgehoben. Naturweine aus dem ganzen Land, dazu fröhliche, mehrheitlich vegetarische Küche. Sogar der Hipster-Trend spricht hier mit starkem portugiesischen Akzent.

Das Allerallerschönste aber, was Porto zu bieten hat, ist der Wein, der nach dieser Stadt benannt ist. Völlig zu Unrecht natürlich, denn mit Porto hat er nichts zu tun. Die Trauben für den Portwein wachsen im faszinierend schönen Douro-Tal. Und zum Reifen werden die Weine nach Vila Nova de Gaia gebracht, gegenüber von Porto, wo es kühler und schattiger ist und wo die Ports problemlos einige Jahrzehnte in Fässern ruhen können. Nichts ist köstlicher, als eine leicht gekühlte, etwa 20-jährige Colheita, dazu ein paar Salzmandeln und der Blick von Gaia auf die prächtige Kulisse von ­Porto. Schon schön.


Dorli Muhr

Leitet seit mehr als 30 Jahren die Agentur Wine+Partners und hat am Spitzerberg in Carnuntum ein international renommiertes Blaufränkisch-Weingut aufgebaut. In Porto lebte sie acht Jahre lang.


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Erschienen in
Falstaff Nr. 06/2024

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