Heinz Frischengruber und Roman Horvath, MW.

Heinz Frischengruber und Roman Horvath, MW.
© Xenia Trampusch

Winzer des Jahres 2024: Die Zwei für die Wachau

Wachau
Weingut
Auszeichnung

Gemeinsam haben Heinz Frischengruber und Roman Horvath MW die Domäne Wachau an die Weltspitze geführt. Dafür zeichnet sie Falstaff dieses Jahr mit dem Titel »Winzer des Jahres« aus, mit dem seit 1988 österreichische Winzerpersönlichkeiten für ihre herausragenden Leistungen geehrt werden.

Bereits im Jahr 1137 wurde in einer Urkunde das »Weingut der Herrschaften Dürnstein und Thal Wachau« erwähnt. Im Laufe der Geschichte wechselten die aristokratischen Besitzer, dazu gab es in den Wachauer Weinbergen zahlreiche kirchliche Besitzungen auswärtiger Klöster, meist solcher aus Bayern, Salzburg und Oberösterreich. Auch im malerischen Städtchen Dürnstein gab es neben dem Schloss – heute ein tolles Hotel – als Sitz der Herrschaft ein Kloster der Augustiner Chorherren, deren Prälat in der Barockzeit nicht nur die zauberhafte, heute wieder strahlende blaue Stiftskirche zum Beten, sondern auch ein kleines Lustschloss am Fuße des Kellerberges errichten ließ. Dieses »Kellerschlössel« sollte später zum Wahrzeichen der Domäne Wachau werden.

Als das Stift Dürnstein 1788 säkularisiert wurde, erwarb der Herrschaftsinhaber, die Familie von Starhemberg, die klösterlichen Weingärten sowie das schmucke Schlössel. Ernst Rüdiger Starhemberg, Austrofaschist und Heimwehrführer, emigrierte 1937 in die Schweiz und verkaufte seine Weingärten in der Wachau 1938 an seine Pächter, wohl auch, weil er eine Enteignung seiner Güter durch das NS-Regime befürchtete. Zum Zwecke des Ankaufs des Weinguts Starhemberg hatten die Winzer die Winzergenossenschaft Wachau gegründet. Diese 14 Hektar Weinberge bildeten nun mit dem Kellerschlössel aus 1719, dem Presshaus und den von Propst Hieronymus Übel­bacher einst errichteten riesigen Kelleranlagen, in denen einst bis zu 44.000 Eimer Wein reiften, die Basis für das neue Unternehmen.

Nur zehn Jahre später, 1948, zählte der Betriebsdirektor Marek bereits über 600 Hauer als Mitglieder, worin sich die kleinstrukturierte Weingartenlandschaft der Wachau eindringlich widerspiegelte. 1950 lieferten bereits über 800 Mitglieder aus vierzehn Wachauer Gemeinden ihre Trauben nach Dürnstein, man exportierte nach Deutschland, Italien, England, Schweden, Amerika und sogar nach Zentralafrika – zu Zeiten, als Niederösterreich noch unter russischer Besatzung lebte. Für Aufsehen sorgte damals auch ein zu Versuchszwecken gekeltert TBA aus dem Spitzenjahrgang 1947: Die vielleicht erste Trockenbeerenauslese aus Grünem Veltliner brachte 122 Liter und galt lange als der teuerste Wein Österreichs.

Ein Keller voll Geschichte

In Bundeskanzler Leopold Figl hatte die Winzergenossenschaft einen treuen Freund. Er hielt im tiefen Keller seine Vorgespräche mit dem russischen Außenminister Molotow ab, die 1955 zum Staatsvertrag führten. Der Grüner Veltliner Marke »Katzensprung« floss dabei reichlich. Dass der Dürnsteiner Katzensprung Jahrgang 1954 beim Festbankett im Schloss Belvedere ausgeschenkt wurde, ist Figl zu verdanken – er hatte übrigens einen eigenen Kellerschlüssel für den Dürnsteiner Untergrund.

Der Staatsvertragswein war ein gelungener Marketingschachzug, bald waren auch Flohhaxn und Himmelstiege unter den beliebtesten Weinmarken des Landes. Schritt für Schritt entwickelte sich das Unternehmen zu einem der führenden Anbieter von Weißweinen und einem qualitativen Motor für den Wachauer Wein. Unter der langjährigen Leitung von Wilhelm Schwengler erwarb sich der Betrieb den Anspruch, zu den besten Winzergenossenschaften der Welt zu zählen.

Ab 1990 hieß der Betrieb schließlich Freie Weingärtner Wachau, bevor er 2008 letztlich in die Domäne Wachau umbenannt wurde. Zu den bekannten Weinpersönlichkeiten, die im Unternehmen im Laufe der Jahrzehnte führend tätig waren, zählen mit Dr. Bertold Salomon und Willi Klinger zwei spätere ÖWM-Chefs, aber auch die heutigen ÖTW-Winzer Rainer Wess und Fritz Miesbauer vom Weingut der Stadt Krems. Sie haben zusammen mit umsichtig agierenden Obleuten den Boden für den Erfolg bereitet, den das heutige Führungsduo zu Recht für sich verbuchen darf.

Gemeinsam für die Wachau

Seit gut zwanzig Jahren sind nun Roman Horvath MW und Heinz Frischengruber für die Domäne aktiv und verantwortlich. Ersterer kam im Herbst 2004 nach Dürnstein und übernahm 2005 die Geschäftsführung und wurde 2009 Österreichs zweiter Master of Wine. Frischengruber studierte in Klosterneuburg und Geisenheim in Rheingau und ist seit 2005 als Önologe und Betriebsleiter insbesondere für die Weingartenprojekte und Qualitätsprogramme in der Umsetzung verantwortlich. Was Frischen­gruber und Horvath besonders am Herzen liegt, sind die nachhaltige, biologische Bewirtschaftung und der ökologische Weinbau, den sie in der Wachau gemeinsam mit den Weinhauern der Domäne Wachau vorantreiben. Man ist davon überzeugt, dass Vielfalt und Biodiversität des Terroirs der Wachau die Grundlage für außergewöhnliche Weine sind. Der Anfang war allerdings nicht leicht.

Steile Lernkurve

Die ersten Jahre bei der Domäne Wachau waren von steilen Lernkurven geprägt, begleitet von einer gewissen Naivität gegenüber den tiefkomplexen gesellschaftlich-sozialen Verflechtungen und Verästelungen. Die Wachau ist ein kleines Weinbaugebiet, ein Tal, ein Mikrokosmos für sich. Dass jeder jeden kennt, wäre übertrieben, aber jeder hat irgendwie Bezug zum Weinbau und letztendlich auch eine Meinung und einen Standpunkt zum Wein und zur Domäne Wachau. Schon in den Jahren davor, den 1980ern und 1990ern, wurden hier gute Weine gemacht, jedoch erst in der jüngeren Vergangenheit war es möglich, tief in die Struktur zu arbeiten und ein breites Commitment von den Weinhauern abzuholen, ja eine umgreifende Veränderung auszulösen.

Anfang der 2000er gab es dann einige schwierige, unruhige Jahre, das die Chance auf grundlegendere Veränderungen bot. Die nachhaltige Bewirtschaftung in enger Zusammenarbeit mit den Wachauer Familien setzte langsam aber stetig neue Maßstäbe. Die Arbeits­teilung, dass die Weinhauer die hochspezialisierten Weingartenfachkräfte sind und Vinifizierung sowie Management wiederum in anderen Händen liegen, funktioniert heute bestens. So wurde die Domäne zum Vorreiter für die gesamte Region, man hat die Wertschöpfung enorm gestärkt und vielen Weinhauern wieder eine Zukunftsperspektive gegeben.

»Lange Zeit haben wir in der Kommunikation vermieden, uns als ›Winzergenossenschaft‹ darzustellen. Heute sind wir stolz darauf und betonen es. Eine Genossenschaft kann ein sozial und ethisch extrem nachhaltiges Arbeiten sein, es geht um das Einkommen kleiner Weinbaustrukturen, um extrem aufwendige Handarbeit auf den Steilterrassen und nicht zuletzt auch um die Landschaftspflege in einer Kulturregion«, so die beiden unisono.

Gute Ergebnisse

Heute steht die Domäne Wachau für einen Weinstil mit eigener Handschrift: Das sind straffe, elegante Weine mit Grip und fester Struktur, stilistisch eine Mischung aus Prager und Alzinger, wie Horvath mit Augenzwinkern die Ausrichtung beschreibt. Weine mit einem starken Herkunftscharakter eben. Insbesondere in den letzten Jahren bekamen die Weine noch mehr Charakter.

Das schlägt sich nieder in einem umfangreichen Sortiment, welches das kleinteilige Mikroterroir der Region abbildet (mit rund 30 Rieden-Weinen plus Ortsweine, Gebiets-Weine etc.). Dazu ein spannendes Backstage-Portfolio mit Weinen abseits der Wachauer Klassiker. Abgerundet wird dies durch ein starkes weintouristisches Angebot mit Kulturveranstaltungen, einem großen Wachau-Wein-Festival (Music & Wine), Pop-up-Heurigen, Gastköchen usw. Exportiert wird heute in 40 Länder, etwa 50 Prozent der Produktion gehen ins Ausland und machen die Domäne Wachau zu einem wichtigen Qualitätsbotschafter des heimischen Weins. Der Betrieb repräsentiert heute rund 200 Weinhauer mit etwa 400 Hektar, also einem Drittel der Wachau. 160 Hektar werden biologisch bewirtschaftet, Tendenz klar steigend.

Das Ziel der beiden neuen »Falstaff-Winzer des Jahres« für die Zukunft ist klar definiert: den bisherigen Weg weitergehen, eine starke Gemeinschaft darstellen und in der Region allen Weinhauern eine positive Per­spektive geben. Nicht nur eine der weltbesten Winzergenossenschaften sein, sondern auch als Top-Weingut aus Österreich die Anerkennung und Positionierung auszubauen. Wir sind davon fest überzeugt, dass dies gelingen wird.


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Erschienen in
Falstaff Nr. 06/2024

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Peter Moser
Peter Moser
Chefredakteur Wein
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