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»Jeder soll essen dürfen, was er möchte.«

Vegan
Bayreuth
Franken

TV-Legende Thomas Gottschalk, 74, ernährt sich aus Gesundheitsgründen öfter mal fleischlos. Bayerns Ministerpräsident Markus Söder, 57, ist gegen eine ideologische Bevormundung in Ernährungsfragen. Beide sind Stammgäste der Bayreuther Festspiele. Im Falstaff-Spitzengespräch diskutieren die gebürtigen Franken über politisch korrektes Essen und schwere musikalische Kost.

Falstaff: Herr Söder, Herr Gottschalk, ist Deutschland bereit für einen veganen Bundeskanzler?

Markus Söder: Jeder darf seine Essgewohnheiten für sich entscheiden – aber ich muss gestehen: Ich halte persönlich eher wenig vom Veganismus. Ein Leben ohne Weißwürste, Schäufele und Leberkäse ist zwar möglich, aus meiner fränkischen Sicht aber einfach nicht sinnvoll.

Thomas Gottschalk: Wenn ein Politiker die nötige Kompetenz zum Bundeskanzler mitbringt, ist mir völlig schnuppe, worauf er in seinem Privatleben alles verzichtet. Ich selbst dachte lange Zeit, für ein Dasein als Vegetarier völlig ungeeignet zu sein, und war als Bayer der Überzeugung, dass man ohne Leberkäs’ keinen Spaß am Leben hat. Das musste ich revidieren: Meine Partnerin will, dass ich mich gesund ernähre und möglichst alt werde. Entsprechend kocht sie öfter mal fleischlos. Damit kann ich gut und hoffentlich lange leben.

Die Frage hat einen ernsten Hintergrund: Nie zuvor war Ernährung eine so politische Angelegenheit wie heute. Wie steht es aus Ihrer Sicht um die Freiheit auf unseren Tellern?

Söder: Jeder soll essen dürfen, was er möchte. Es braucht keine Vorgaben. Wir leben in einer Zeit, in der private Dinge, die niemanden etwas angehen, leider zunehmend politisch interpretiert werden.

ICH HABE EINE JÜNGERE PARTNERIN, DIE DAS NETZ POSITIVER SIEHT ALS ICH. DURCH SIE HABE ICH DIE WICHTIGKEIT SOZIALER MEDIEN FÜR EINEN WIE MICH ERST BEGRIFFEN.


TV-Entertainer Thomas Gottschalk

Was heißt das?

Söder: Es kommt inzwischen immer öfter vor, dass Essgewohnheiten in richtig oder falsch unterteilt werden. Ich bin gegen eine solche ideologische Bevormundung. Viele Restriktionen sind auch nicht zu Ende gedacht. Eine Initiative forderte beispielsweise eine Ernährungswende auf dem Oktoberfest: 100 Prozent der Wiesenhendl sollten Bio sein. Dahinter mögen nachvollziehbare Absichten stehen, nur leider gehen sie an der Realität vorbei: Allein die schiere Anzahl an Biohühnern, um die gesamte Wiesn zu beliefern, wäre eine große Herausforderung. Zudem darf Essen nicht immer noch teurer werden. Auch eine Familie muss sich einen Besuch im Wirtshaus oder auf dem Oktoberfest leisten können – es ist eh schon alles teuer genug. Bewusste Ernährung, ja natürlich, aber ohne Zwang.

Falstaff-Spitzengespräch in der Zirbelstube der Bayerischen Staatskanzlei in München.
© LARA FREIBURGER
Falstaff-Spitzengespräch in der Zirbelstube der Bayerischen Staatskanzlei in München.

Gottschalk: Ich habe noch eine Zeit erlebt, in der jeder nach seiner Fasson satt werden konnte. Es hilft aber nicht zu jammern. Schlimm ist nur, dass wir die Generation, die heute pausenlos die Moralkeule schwingt, selbst großgezogen haben. Also müssen wir jetzt mit den Konsequenzen leben. Auch wenn nicht alles, was die Jugend macht, in meinen Augen auch richtig ist. In vielen Fällen ist es Ausdruck einer geistigen Verengung. Statt auf dem Handy zu daddeln, mussten meine Altersgenossen und ich noch im »Großen Brockhaus« blättern. Das war nicht per se besser. Nur: Wenn wir unter »M« nach etwas gesucht haben, sind wir unter »N« zufällig auf etwas gestoßen, das  uns vielleicht im Moment nicht direkt geholfen, auf lange Sicht aber weitergebracht hat. Auf dem Handy kriegt man heute auch ständig Dinge präsentiert, die man gar nicht gesucht hat, aber meistens sind es Videos von süßen Hunden, die gerade gebadet werden.

Söder: Auf Instagram teile ich hin und wieder Fotos meiner Mahlzeiten mit dem Hashtag #söderisst. Mitunter sind diese Schnappschüsse die erfolgreichsten Posts. Spannenderweise bekommt Salat, den ich auch gerne esse, immer nur wenige Likes. Und das sogar im Vergleich zu Gerichten, an denen sich nun wirklich die Geschmäcker scheiden – wie zum Beispiel Kalbskopf oder Saures Lüngerl.

Ist Essen ein legitimes Mittel, um sich von politischen Gegnern abzugrenzen?

Söder: Gepostet wird nur das, was mir schmeckt. Unsere Küche in Franken ist nun mal deftiger als anderswo. Wenn Sie kritisieren wollen, dass die Portionen manchmal etwas kleiner sein könnten, dann verstehe ich das. Aber es schmeckt halt einfach.

Das Nachrichtenportal »T-Online« hat vor einiger Zeit eine Ernährungsberaterin darauf angesetzt, Ihr Essverhalten auf Basis Ihrer Instagram-Posts zu analysieren. Sie kam zu einem vernichtenden Urteil: deftig, fettig, schwer verdaulich. Haben Sie als Ministerpräsident nicht auch in Ernährungsfragen eine Vorbildfunktion?

Gottschalk: Wenn Söder nur das tun würde, wofür er von allen Seiten Applaus bekommt, wäre er wie ich Entertainer geworden. Dass eine Ernährungsberaterin im jugendlichen Alter seine Essgewohnheiten nicht toll findet, hätte ich Ihnen auch ohne »T-Online« sagen können. Ist doch klar, dass die, um beim Essen zu bleiben, das Haar in der Suppe sucht! Würde Söder Fotos verbreiten, auf denen er sich Tofu reinschaufelt, wüsste doch jeder, dass ihm in Wirklichkeit eine echte Bratwurst lieber ist, dann wäre er vielleicht politisch korrekt, aber nicht ehrlich. Wem wäre damit geholfen? Mir nicht!

Zwiegespräch im »Großen Arbeitszimmer« der Bayerischen Staatskanzlei: Hier werden normalerweise Staatsgäste empfangen. Auch Ordensverleihungen finden hier statt.
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Zwiegespräch im »Großen Arbeitszimmer« der Bayerischen Staatskanzlei: Hier werden normalerweise Staatsgäste empfangen. Auch Ordensverleihungen finden hier statt.

Söder: Es gibt alle paar Tage einen Post – also nur einen kleinen Ausschnitt des Speiseplans. Natürlich ist das Essen im Rahmen meiner Möglichkeiten abwechslungsreich und ausgewogen. Auch wenn ich an Nürnberger Rostbratwürsten wahrlich nur schwer vorbeikomme. 1,94 Meter Körpergröße wollen schließlich versorgt sein. Beim Hausarzt gibt es als Mann mittleren Alters übrigens zwei Szenarien: Mediziner, die frisch von der Uni kommen, schlagen die Hände über dem Kopf zusammen und fordern schnell eine komplette Ernährungsumstellung. Ältere Ärzte schauen sich die Blutwerte an, klopfen einem auf die Schulter und sagen: »Für einen Mann aus Franken ganz gut.«

Herr Gottschalk, Sie haben vor Kurzem ebenfalls damit begonnen, Ihr Essen auf Instagram zu posten. Im Gegensatz zum Ministerpräsidenten kochen Sie es sogar selbst. So ambitioniert kannte man Sie bislang gar nicht.

Gottschalk: Ich koche, ich tanze, ich habe mich mit dem Hund meiner Schwester fotografieren lassen. Ich habe eine jüngere Partnerin, die das Netz wesentlich positiver sieht als ich. Durch sie habe ich die Wichtigkeit von sozialen Medien für einen wie mich erst begriffen. Und wenn ich da mitmischen will, muss ich eben abliefern. Ich habe beruflich immer das getan, was das Publikum von mir wollte – von daher hat sich nichts geändert.

DAS ESSEN IST GANZ OKAY IN BAYREUTH. WOBEI: ICH FINDE, ES KÖNNTE ETWAS BODENSTÄNDIGER SEIN.


Bayerns Ministerpräsident Markus Söder

Helmut Kohl hatte die Angewohnheit, Staatsmänner in sein Stammrestaurant nach Deidesheim zu locken und sie dort mit Saumagen zu umgarnen. Auch Angela Merkel soll heikle Themen gerne bei einem netten Essen besprochen haben. Wie vertraut sind Sie mit der Kunst der Gastrodiplomatie, Herr Söder?

Söder: Als Bayerischer Ministerpräsident hat man einen großen Heimvorteil. Während andere Politiker bei Staatsgeschenken lange nachdenken müssen, gibt’s bei uns einen zünftigen bayerischen Brotzeit-Korb oder einen Maßkrug und ein Lebkuchenherz. Das kommt immer gut an. Die ganze Welt kennt und liebt Essen aus Bayern – und darauf sind wir stolz. Deshalb servieren wir gerne beste landestypische Küche und nicht internationale Haute Cuisine, wie man sie bei Staatsbesuchen sonst bekommt.

Wenn Sie an Ihre Kindheit denken: Welche Speisen fallen Ihnen da ein?

Gottschalk: Als ich klein war, gab es in Kulmbach sogenannte »Ausg’straafta«. Das ist Bratwurstbrät mit Zwiebeln auf Brot. Großartig! Franken hat spät die feine Küche für sich entdeckt. Ich habe in fortgeschrittenem Alter in Kalifornien zum ersten Mal Sushi gegessen, meine Kinder sind damit groß geworden. Hätte ich Kulmbach als mein Schicksal hingenommen, würde ich wahrscheinlich immer noch behaupten, Nürnberger Rostbratwürste mit Sauerkraut sind der Gipfel des Genusses.

Söder: Stimmt doch! Im Ernst: Unsere heimische Küche ist unglaublich vielfältig. Aus der Kindheit erinnere ich mich an die hervorragenden Gerichte meiner Mutter: Lüngerl mit Kloß und Kalbskopf mit Kartoffelsalat. Viele kennen das kaum mehr. Ebenfalls hervorragend: Roter Heringssalat. Den gibt es bei uns heute noch jedes Jahr an Heiligabend. Mit all diesen Speisen verbinde ich Kindheit und Heimat.

Es soll Besucher der Bayreuther Festspiele geben, die der fränkischen Bratwurst so wenig abgewinnen können, dass sie für eine Bockwurst zum Kiosk des Freiluftbads Bürgerreuth flüchten. Sieht so Banausentum aus?

Gottschalk: Die flüchten doch nicht vorm Essen, sondern vor der Oper!

Söder: Das Essen ist ganz okay in Bayreuth. Wobei: Ich finde, es könnte etwas bodenständiger sein. Im Stadion meines Heimatvereins FC Nürnberg gibt es einen VIP-Bereich für hochwohlgeborene Zuschauer wie Herrn Gottschalk. Da gab es auch immer edles Essen wie in Bayreuth. Als Aufsichtsrat habe ich eingeführt, dass es auch für die VIPs in der Halbzeit »Drei im Weggla« gibt. Die sind bis heute der mit Abstand beliebteste Pausensnack.

ANGELA MERKELS GROSSE MOTIVATION FÜR WAGNER IMPONIERT UND DISZIPLINIERT ALLE ANDEREN GÄSTE IN DER EHRENLOGE.


Bayerns Ministerpräsident Markus Söder

Zu Bayreuth gehört das Klagen über Bayreuth – erst das macht die Festspiele zu einer urdeutschen Veranstaltung: die harten Sitze, die zu lange Pause, die Hitze und stickige Luft im Festspielhaus. Was mögen Sie so sehr am Masochismus, Herr Gottschalk, dass Sie den Bayreuther Festspielen so lange schon die Treue halten?

Gottschalk: Der Deutsche klagt ja insgesamt gerne. Ich persönlich habe Wagner relativ spät für mich entdeckt – einfach, weil man als normaler Mensch mit Mozart und Vivaldi mehr anfangen kann. Mozarts Leichtigkeit liegt einem wie mit natürlich mehr als die Schwere Wagners. Wir unterteilen ja hierzulande gerne in in »U« und »E«. Dabei steht »U« für Unterhaltung. Dem deutschen Denker liegt aber der Ernst näher. Als ich noch in den USA gelebt habe, war ich im Aufsichtsrat der Los Angeles Opera. Die Verantwortlichen dort haben mal versucht, George Lucas als Regisseur für den »Ring« zu engagieren. Die Amis sind eher bereit, Entertainment und hohe Kunst zu vereinen.

TV-Legende Thomas Gottschalk schwärmt von der fränkischen Küche seiner Kindheit: »Bratwurstbrät mit Zwiebeln auf Brot. Großartig!«
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TV-Legende Thomas Gottschalk schwärmt von der fränkischen Küche seiner Kindheit: »Bratwurstbrät mit Zwiebeln auf Brot. Großartig!«

Seit dem Amtsantritt von Katharina Wagner überraschen die Bayreuther Festspiele jedes Jahr mit Neuerungen. 2022 waren es Bartwürste mit Champagnernote, vergangenes Jahr VR-Brillen. Zu welcher Gruppe der Wagnerianer zählen Sie: den Reformern oder den Traditionalisten?

Gottschalk: Ich bin jemand, der den Parsifal immer noch als den reinen Toren sieht, also als mein Alter Ego. Und Lohengrin ist mir mit einem Schwan, den ich als solchen erkenne, lieber, als wenn er auf dem Mofa daherkommt. Wagner war ein Traditionalist und ich bin der Meinung, wenn man sich schon mit Wagner auseinandersetzt, dann fällt es einem im traditionalistischen Rahmen leichter, als wenn der Chor aus Ratten besteht – was auch schon mal der Fall war, als Schlingensief den »Lohengrin« inszenierte. Die Merkel fand das wiederum sehr gut. Ich allerdings mag per se schon keine Ratten, deswegen brauch ich auch keine singenden.

Söder: Bayreuth ist immer ein Spektakel und international beachteter Kulturgenuss. Es ist schön, dass die erste Adresse für Wagner in Bayern liegt. Das soll so bleiben und deshalb werden wir die Festspiele noch stärker unterstützen. Persönlich nähere ich mich Wagner immer mehr an, aber habe zugegebenermaßen noch ein Wegstück vor mir. Angela Merkel ist von  Bayreuth ja immer sehr angetan. Ihre große Motivation für Wagner imponiert und diszipliniert alle anderen Gäste in der Ehrenloge.

Kürzlich erst wurde Katharina Wagner als Festspiel-Chefin im Amt bestätigt. Nicht ohne Machtverlust allerdings: Die Wagner-Urenkelin ist künftig nur noch für den künstlerischen Bereich zuständig. Könnten Sie sich Bayreuth ohne ein Mitglied der Wagner-Familie an der Spitze vorstellen?

Söder: Wagner ohne Wagner ist für mich unvorstellbar.

Gottschalk: Ich habe bei meinem ersten Besuch in Bayreuth noch Wolfgang Wagner die Hand geschüttelt. Jetzt steht eben Katharina am Portal, wenn’s losgeht. Bayreuth war immer die Wagnerstadt. Die Wagnersippe soll auch in Zukunft mitmischen. Solange sie nicht aussterben oder verblöden! Ich bin Wagner-Influencer. Aber wir haben‘s nicht leicht. Bushido-Fans haben‘s einfacher.

Herr Söder, Herr Gottschalk, ich danke Ihnen für dieses Gespräch.


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Sebastian Späth
Sebastian Späth
Chefredakteur Deutschland
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