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Hans Neuner: Wie der Österreicher zum besten Koch Portugals wurde

Kunst & Kulinarik

Als Tiroler Wirtshauskind wuchs Hans Neuner mit Gröstl und Kässpatzen auf. Heute gilt er als bester Koch Portugals. Nicht zuletzt, weil er landestypischer kocht als viele der Einheimischen.

Hans Neuner zieht genüsslich an seiner Camel Blau und blickt auf die glitzernde Meeresoberfläche, während das Motorboot unter seinen Füßen der untergehenden Sonne entgegenbrettert. Die Fischer, die er an diesem Tag bei der Arbeit begleitet, prosten ihm mit einem Bier zu.

Dass ein Sternekoch mit raus zum Angeln fährt, ist ziemlich einzigartig. »Ich weiß nicht, wo ich mich freier fühle«, sagt der 48-Jährige, »hier draußen auf dem offenen Meer oder wenn ich frühmorgens als Erster eine frisch präparierte Skipiste entlanggleite«. Man kann in diesem Moment nur erahnen, wie sehr sich der gebürtige Tiroler zu diesem Bekenntnis überwinden muss.

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Familienbande und Karriere

Neuners Aufstieg zum vielleicht aufregendsten Koch Portugals ist bemerkenswert. Eigentlich wollte er irgendwann nach Leutasch zurückkehren, wo er aufgewachsen ist, und dort das elterliche Wirtshaus übernehmen. Das stand für ihn von klein auf fest. Sein älterer Bruder Marco hatte sich dagegen nur widerwillig für eine Kochlehre entschieden. Trotzdem führt der Erstgeborene heute den Betrieb.

»Wir hatten als Familie eine Vereinbarung«, erzählt Neuner. »Wer zuerst heimkommt, wenn der Vater mal nicht mehr kann, erbt das Wirtshaus.« Als es dann so weit war, haben sich die Geschwister auch daran gehalten: Neuner blieb nach dem Schlaganfall des Vaters Küchenchef im »Seven Seas« in Hamburg, der Bruder, für den es vom »Steirereck« in Wien nur ein halb so langer Weg nach Hause war, trat die Nachfolge an. Das ist fast 20 Jahre her.

Ein Blick genügte

Kurz darauf erfuhr Neuner von einer vakanten Stelle im Luxushotel »Vila Vita Parc« an der Algarve. Ihm genügte ein Foto von dem malerischen Küstenabschnitt und er sagte zu. Sein neuer Arbeitsplatz: Das »Ocean«, ein verglastes Restaurant mit Blick auf den Atlantik. Seine Aufgabe: innerhalb von vier Jahren einen Michelin-Stern erkochen. Geschafft hat er das in 18 Monaten. Nur zwei Jahre später holte er sich den zweiten Stern.

Radikal produktbezogen

Als der Hafen von Albufeira nur noch in Form von Pünktchen am Horizont wahrnehmbar ist, stoppt das Boot. Neuner und die Fischer werfen ihre Köder aus. Es dauert nicht lange, da hat der Erste einen Tintenfisch an der Angel. Mit einem Metallspieß sticht er dem sich windenden Tier in den Kopf. Im Bruchteil einer Sekunde wechselt es seine Farbe von braun zu blau. Es ist tot.

Ike-Jimi heißt diese Methode, erklärt Neuner. Es sei die schonendste Art, einen Fisch zu töten. Er habe mit vielen seiner Lieferanten die Vereinbarung getroffen, dass sie ihren Fang noch an Bord auf diese Weise töten. So könne er die beste Fischqualität für sein Restaurant gewährleisten.

So schmeckt Portugal

Früher ließ Neuner einen Großteil seiner Produkte zweimal pro Woche aus Frankreich einfliegen. »Ein so großes Netzwerk an regionalen Lebensmittelhändlern, wie ich es heute habe, musste ich mir erst erarbeiten«, sagt er. »Und das ist gar nicht so leicht, wenn man 15 Stunden am Tag in der Küche hackelt.«

Außerdem habe er damals noch auf Nummer sicher gekocht: französische Klassiker, ein bisschen spanische Molekularküche. Genau wie seine portugiesischen Kollegen, die was auf sich hielten. Heimatküche wurde damals in Portugal kaum wertgeschätzt. Dass sich das geändert hat, ist Neuners Verdienst. Und ein bisschen hat auch die Corona-Pandemie damit zu tun.

 

»Eine richtig geile Strandbar, das ist noch ein Lebenstraum.«

 

Statt in dem zwangsgeschlossenen Restaurant auf ein baldiges Ende des Lockdowns zu hoffen, kaufte Neuner sich ein Zelt und einen Schlafsack und reiste auf seiner Harley durch Portugal. Er half den Reisbauern bei ihrer Feldarbeit, fuhr vor Sonnenaufgang mit den Fischern aufs Meer und packte auf einer Teeplantage mit an.

In 12 Gängen um die Welt

Das 12-Gänge-Menü, das er im Sommer 2020 aus diesen Erfahrungen heraus kreierte, war eine Liebeserklärung an seine neue Heimat. Er nahm damit nicht nur die Hotelgäste für sich ein, sondern auch die Einheimischen. Jedes seiner Menüs führt seither in einen anderen Teil der Welt, den die Seefahrernation Portugal ab dem 15. Jahrhundert für den Handel erschloss.

»Wir haben uns mit Historikern zusammengesetzt, die uns genau erklärt haben, wie wir reisen müssen, damit unser Weg dem der portugiesischen Entdecker entspricht«, erzählt er.

Die jüngste Erkundungstour führte Neuner und sein Team nach Asien. »Frühmorgens am Toyosu-Fischmarkt«, heißt ein Gang, für den Neuner Thunfischbauch mit Steinpilz-Miso und japanischem Senf zusammenführt. Hinter »Alles über Reis« verbirgt sich Langustine mit hausgemachtem Koji und Yuzu. »Tokyo Drift« ist eine Komposition von Wolfsbarsch, Hummer-Gyoza, Zuckerkombu und einem Tatar vom Brokkoli. Die Namen: allesamt Anspielungen auf Erlebtes.

Das Österreich-Wunder

Eine Reise steht noch an: die Gewürzroute, über die Portugal einst Pfeffer, Muskat, Nelken und Zimt aus Indien importierte. Güter, die im Mittelalter von unermesslich hohem Wert waren. Danach wäre es Zeit, sich wieder neu zu erfinden, sagt Neuner. Vielleicht kehrt er der Sterneküche irgendwann sogar komplett den Rücken. »Eine richtig geile Strandbar, das ist noch ein Lebenstraum.«

An freien Tagen setzt Neuner sich manchmal aufs Motorrad und fährt 10 Kilometer die Küste entlang zur »Villa Joya« am Rande Albufeiras. Dort kocht seit 1990 ausgerechnet ein anderer Österreicher, auch er hat zwei Sterne: Dieter Koschina.

Als Neuner nach Portugal kam, beäugte der Platzhirsch ihn erstmal kritisch, inzwischen sind sie Freunde. Fahren gemeinsam mit ihren Harleys durch die Gegend, plaudern über die Arbeit und auch über ihr Heimweh nach Schnee und den Alpen.

Das exklusive Restaurant im Luxus-Resort »VILA VITA Parc« wird seit 2007 vom Österreicher Hans Neuner bespielt.

(Aus dem Falstaff Magazin 02/2019)

Rua Anneliese Pohl
8400-450 Porches
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Sebastian Späth
Sebastian Späth
Chefredakteur Deutschland
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