Die historischen Traubensorten haben häufig lockerbeerige Trauben und dickschalige Beeren. Sie wurden nicht auf hohen Ertrag selektiert.

Die historischen Traubensorten haben häufig lockerbeerige Trauben und dickschalige Beeren. Sie wurden nicht auf hohen Ertrag selektiert.
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Alte Sorten, neue Aromen: Die besten Weine aus historischen Rebsorten

Tasting
Wein

Weine aus historischen Sorten schmecken anders: Oft verfügen die Weine über eine ganz eigene, kaum mit etwas Bekanntem zu vergleichende Würze. Wer sich auf die Begegnung einlässt, erfährt völlig neue Aroma- und Geschmackswelten.

Schon die Namen lassen einen aufhorchen: Hartblau, Gänsfüßer, Adelfränkisch, Blauer Hängling – man ahnt bereits, dass man auch im Glas etwas abseits des Alltäg­lichen vorfindet. Dabei gab es von vielen dieser Sorten bis vor wenigen Jahren gar keinen Wein zu kosten. Diese Rebsorten haben entweder nur in Form einzelner Stöcke in irgendwelchen Rebsorten-Sammlungen überlebt, oder man kannte sie nur noch aus den Beschreibungen in alten Büchern. Und ging davon aus, dass die im 18. oder 19. Jahrhundert noch vorhandenen Sorten ausgestorben sind.

Es ist der Forscherneugier einzelner ­Menschen zu verdanken, dass wir heute solche Weine wieder probieren und trinken können. Zahlreiche aktuell wieder in den Anbau gelangenden Sorten gehen auf ­Funde des Ampelografen Andreas Jung zurück, der erst mit öffentlichem Auftrag, dann auf eigene Kosten fast die ganze Republik durchforstet hat, auf der Suche nach alten Rebstöcken, die irgendwo an einem verbuschten Hang, als Hausrebe oder durch irgendwelche Zufälle der Geschichte überdauert haben. Nicht immer ist die Bestimmung der dann gefundenen Exemplare ganz zweifelsfrei möglich. Die einzige Referenz sind ja alte Bücher und deren Abbildungen oder Beschreibungen, verlässliche Dokumente über Pflanzjahre und Sorten der gefundenen Reben gibt es so gut wie nie. Doch die Nachlässigkeit unserer Vorfahren ist letztlich ein Segen: Nur dadurch, dass einzelne Flurstücke ­völlig aus dem Blick gerieten, haben diese Zeugen früherer Jahrhunderte überlebt.

ZUM GANZEN TASTING

Der Duft wirkt noch jugendlich mit einer gerade erst ansatzweise beginnenden Entfaltung: Man riecht Aromen von Blaubeere und Halbbitterschokolade, Schwarzer Johannisbeere, auch Veilchenpastille. Im Mund hat der Wein eine stille Form der Tiefe, der Gerbstoff ist dicht und von fast schaumartiger Plastizität, reif und zugleich fest, griffig. Der kompakte Bau integriert eine lebendige Säure und erweckt den Eindruck großen Reifepotenzials.
Deutschland
Ein Anflug von Holz unterstreicht eine noch verschlossene, leicht kräuterig untermalte Kirschfrucht. Estragon. Der Gaumen rollt ein geradezu veloursartig feines, dennoch auch präsentes und druckvolles Tannin aus, die reife Säure ist gut integriert, der Wien klingt lange und homogen ab, wobei taktil-mineralische Komponenten und die Ahnung der kommenden aromatischen Komplexität Hand in Hand gehen.
Deutschland
Komplex im Duft: Nugat, Herzkirsche, Schlehe, »wilde« Obertöne aus der Spontangärung, und mineralische Untertöne. Im Mund hat der Wein einen festen, nicht zu weichen, aber dennoch makellos reifen Gerbstoff, der Bau hat Dichte, wirkt aber auch sehr gut austariert in seiner Proportion, die Säure sitzt, die Frucht saftig, der Abklang ist füllig und lang mit mineralischer Färbung.
Baden, Deutschland
Der Duft ist nicht extrem offen, zeigt aber Komplexität: Gewürzkiste, Süßmandel, Strohlblumen. Im Mund ist der Wein voll und satt mit geradezu öligem Fond, seidiger Textur und nahtlos mit dem Körper verschmolzener Säure. Edel in allen Komponenten, ganz still und in sich ruhend. Tolle Länge. Ein getragener Stil ohne Breite.
Deutschland
Ein burgunderhafter Duft: Holz und Hefe, kalkmineralische Untertöne. Der Gaumen strahlt Weite und Kraft aus, das Volumen ist mit sehr kultivierten, feinen Phenolen gefüllt, eine feste, aber reife Säure trägt den Bau, Geschmeidigkeit gibt Fülle, ohne dass der Wein zur Breite neigt. Reichhaltig und nuancenreich zugleich und mit der balsamischen Tönung des Muschelkalks.
Deutschland
Rauchiges Neuholz, balsamische Noten und eine noch verschlossen wirkende, Kirschtöne andeutende Frucht. Der Gaumen zeigt ein feinkörniges, zugleich druckvolles Tannin, einen runden, saftigen Fluss, wahre Eleganz in einem etwas kraftvolleren als mittelgewichtigen Bau. Fruchtiges Entfaltungspotenzial.
Deutschland
Cuvée aus Chatus, schwarzblauem Riesling, Hartblau, kleinem fränkischem Burgunder, blauer Arbst. Im Duft dominieren anfangs Holz und Hefe. Mit Luftkontakt zeigen sich Kirscharomen, Holunder, schließlich Menthol, grüner Pfeffer. Im Mund besitzt der Wein eine enorme Dichte, ohne zu adstringieren oder hart zu wirken. Der Gerbstoff füllt den Körperrahmen vollständig aus, die reife Säure ist nahtlos mit dem Ensemble verschmolzen, die Aromen bleiben noch jugendlich-zurückhaltend, zeigen aber kommende Komplexität.
Deutschland
Fränkischer Burgunder. Etwas Leder, Sauerkirsche, Wacholder, Assam-Pfeffer. Der Gaumen hat Spannung und Dichte, ist straff mit sehnigem, leicht körnigem Gerbstoff ausgekleidet, eine lebendige Säure gibt Drive, untermalt die saftige, würzige und noch sehr jung wirkende Abgangsfrucht.
Deutschland
Reife Birnen im Duft. Im Mund besitzt der Wein viel Schmelz, geradezu Viskosität, dann auch eine markante Salzigkeit, mehlige Pheeole. Das ist voll und extraktreich, aber zugleich voller Abrundung und Charme. Fülle und trotzdem auch Differenzierung. Würziger und mineralischer Abklang.

Alte Sorten


Unsicherheiten (I)

Die Identifikation einer Sorte ist komplex. So ergaben Genanalysen, dass die von Andreas Jung in der Südpfalz gefunden und als Grünfränkisch identifizierten Reben eine Kreuzung Auxerrois x Kövidinka sind. Es könnte sein, dass die Kreuzung Mitte des 19. Jahrhunderts im Elsass oder Anfang des 20. Jahrhunderts in Lothringen entstand. Aber auch diese Deutungen haben ihre Ungewissheit. Vielleicht ist der heutige Grünfränkisch eher eine Sorte »in der Art der Grünfränkischen«.  

Unsicherheiten (II)

Im Jahr 1991 wurde EU-weit ein Übereinkommen getroffen, wonach traditionelle Weinnamen wie Weißburgunder oder Grüner Veltliner legal sind, auch wenn die Weine nicht aus Burgund oder dem Veltlin stammen. In den damals angelegten Positivlisten stehen aber Sorten wie Fränkischer Burgunder nicht, weswegen die Weinkontrolle diese Namen beanstandet. Ausgang ungewiss!

 


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Erschienen in
Falstaff Nr. 05/2024

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Ulrich Sautter
Ulrich Sautter
Wein-Chefredakteur Deutschland
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