Viele Zürcher Mikrobäckereien wie «Freja» backen hervorragende Sauerteigbrote. Durch die lange Gärung sind sie nicht nur köstlich, sondern auch besonders bekömmlich und länger haltbar als herkömmliche Brote.

Viele Zürcher Mikrobäckereien wie «Freja» backen hervorragende Sauerteigbrote. Durch die lange Gärung sind sie nicht nur köstlich, sondern auch besonders bekömmlich und länger haltbar als herkömmliche Brote.
© Sarah Asseel

Zürich: Kleine Bäcker, grosse Brote

Food Zurich 2024
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In Zürich herrscht ein regelrechter Bäckerei-Boom. Seit ein paar Jahren gibt es plötzlich überall richtig gutes Gebäck zu kaufen. Einiges davon kommt aus sogenannten Mikrobäckereien.

Spätestens seit der Corona-Pandemie interessiert sich ganz Zürich für gutes Brot. Viele Leute, die plötzlich (zu) viel Zeit zur Verfügung hatten, zog es in die Küche, wo sie Sauerteig-Starter heranzüchteten und komplizierte Brotrezepte nachbackten, sich der Herstellung von süssem Hefegebäck widmeten oder Cupcakes nach amerikanischem Vorbild dekorierten. Mit dem Wiedereinzug der Normalität fehlte den meisten Bewohnern der Stadt allerdings wieder die Zeit, um diese Hobbys aufrechtzuerhalten. Zurück blieb jedoch ein grosses Verlangen nach qualitativ hochwertigen Backwaren. Zum Glück gab es wiederum andere Menschen, die diesen Einschnitt nutzten, um sich beruflich neu zu orientieren und ihre Backleidenschaft zum Beruf zu machen. Gleichzeitig fanden viele gelernte Bäcker durch die neu aufgeflammte Brot-Besessenheit den Mut, sich selbstständig zu machen und sich der Herstellung von richtig guten Backwaren zu widmen. Heute gibt es in Zürich deshalb etliche Mikrobäckereien, die aus besten Zutaten handwerklich hervorragendes Brot und anderes Gebäck herstellen. Manche dieser Bäckereien haben nicht einmal einen eigenen Laden, man bestellt online oder findet das Backwerk auf dem Markt.

Seit Ende letzten Jahres ist Wipkingen um die Mikrobäckerei «Tsugi» reicher. «Tsugi» ist Japanisch und heisst übersetzt «das Nächste» oder «von Hand zu Hand». Der Name kommt nicht von ungefähr, denn «Tsugi»-Mitgründerin Jinny Watanabe ist ursprünglich Japanerin, wo sie auch das Backen lernte. Lange backte sie Sauerteigbrote, Zimtknöpfe, das japanische Milchbrot Shokupan und weitere Köstlichkeiten zu Hause und verkaufte sie am Samstag auf dem Markt am Brupbacherplatz. Auf diese Weise und mittels eines Crowdfundings wurde der Ofen für die Bäckerei an der Rotbuchstrasse finanziert. Die ­hervorragenden Brote und die stetig wachsende Gebäckauswahl backt Jinny Watanabe seither an der neuen Location.

Keinen Laden hat dafür die Architektin und Stadtforscherin Sarah Asseel. Unter dem Namen «Freja» verkauft sie ihre Sauerteigbrote auf Bestellung. Sie werden zu den Kunden nach Hause geliefert – sofern sie in Zürich Nord wohnen. Wer nicht im Liefergebiet wohnt, findet die Brote manchmal auf dem Oerlikermarkt. Das Angebot wechselt wöchentlich, die Brote fertigt Asseel aus Bio-Mehlen der handwerklich arbeitenden Altbachmühle im aargauischen Wittnau. Die Teigruhe von mindestens 24 Stunden macht sie besonders schmackhaft und bekömmlich, durch die Sauer­teiggärung mithilfe eines Schusses Apfelsaft bleiben sie lange feucht und sind haltbarer als herkömmliche Brote.

Klein und kleiner

Es geht aber auch noch kleiner: Nur einem einzigen Produkt widmet sich der anonyme Bäcker, der hinter «Züri Cannelé» steckt. Gemunkelt wird, dass er aus Bordeaux stammt und darum eine grosse Affinität für das dort traditionell hergestellte eigelbreiche Küchlein namens Cannelés Bordelais hat. Einmal wöchentlich werden die Cannelés auf Bestellung frisch hergestellt und im Sechserpack ausgeliefert. Sie sollten so schnell wie möglich gegessen werden, denn dann ist das Innere noch feucht und weich, während die dunkle, karamellisierte Kruste schön knusprig ist. Das ist allerdings kein Problem, denn die sechs Küchlein isst man im Nu.

Auch Søren Berner hat ein beschränktes Angebot. Es besteht aus einem dänischen Sauerteig-Roggenbrot, das er «Sørenbrød» nennt. Der Künstler fing 1999 an zu backen, und Exemplare seiner Backkunst waren bereits in verschiedenen Museen ausgestellt. Die Brote sind aber auch in einigen Bio-­Läden der Stadt erhältlich. Dienstags fährt er zudem mit dem Velo zum Markt auf dem Bürkliplatz. Mittlerweile backt er das dunkle, dichte und sehr schmackhafte Roggenbrot in der Backstube der Stiftung St. ­Jakob. Für Herstellung, Lieferung und Verkauf ist er aber immer noch selbst zuständig. Sørenbrød hat viel Charakter und eignet sich perfekt als Basis für das berühmte dänische Smørrebrød, das mit Butter bestrichen und einer Unzahl an verschiedenen Toppings belegt wird.

Weil Zürich dank seiner weltoffenen Bevölkerung und der guten Kaufkraft ein besonders guter Markt für gastronomische Kleinode ist, zieht es natürlich auch Produzenten von ausserhalb auf die lokalen Märkte. Freitags hat zum Beispiel die Aargauer Mikrobäckerei «Sauer & Jung» einen Stand am Helvetiaplatz. Dahinter stecken die jungen Burschen Philipp Nesseler und Nico Kaufmann, die auf dem Mutschellen aufgewachsen sind und seit ein paar Jahren ihr Sauerteigbrot in einer kleinen Backstube in Oberwil-Lieli fertigen. Auch sie beziehen ihr Bio-Mehl in der Mühle Altbach, die so wie sie selbst auf Aargauer Handwerk setzt.

Mikrobäckereien eigenen sich dank ihrer grossen Flexibilität aber auch für Mischkonzepte. So widmet sich etwa «Heisswein» nicht nur der Brotherstellung. Das kleine Lokal im Kreis 5 wurde von Andrea Rothenberger und Samuel Envall Utbult gegründet, die sich zuvor mit etlichen Pop-Ups und Events in der Stadt einen Namen gemacht hatten. Envall Utbult ist ein schwedischer Koch, der unter anderem im legendären Kopenhagener Restaurant «Relæ» kochte und schon damals Sauerteigbrote gebacken hat. Rothenberger arbeitet seit Jahren mit spannenden Naturweinen und ist auch im «Heisswein» für die Auswahl verantwortlich. Neben Envall Utbults schmackhafter, unkomplizierter Küche gibt es im «Heisswein» aber eben auch sein köstliches Sauerteigbrot zu kosten und zum Mitnehmen zu kaufen. Es gilt unter den Zürcher Sauerteigbrotliebhabern aktuell als eines der besten der Stadt.

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Erschienen in
Food Zurich Special 2024

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Larissa Graf
Larissa Graf
Autorin
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