Facetten von Rosa: Beim Farbenspiel kann kein anderer Weintyp dem Rosé das Wasser reichen.

Facetten von Rosa: Beim Farbenspiel kann kein anderer Weintyp dem Rosé das Wasser reichen.
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La vie en rose: Alles über den Sommerstar unter den Weinen

Roséwein

Der Roséwein ist ein Sommer-Star: Mit seinem feinen Farbenspiel sorgt er beim Weingenuss unter blauem Himmel für den passenden Akzent. Bei den Verkaufszahlen kennt der Rosé seit einigen Jahren nur eine Richtung: steil nach oben.

Pastellfarben, Zwiebelschale, korallenrosa, lachsorange, ziegelrot. Die Beschreibungen der Farbpalette, die von den Roséweinen bespielt wird, ist so nuancenreich, wie es die Weinstile sind. Nicht von ungefähr füllen die Rosé-Experten ihre Weine häufig in Flaschen aus Weißglas: Der Genuss soll schon bei der Optik beginnen. Und gerade der Genuss, der sich dem Auge mitteilt, wird nicht dem Zufall überlassen: Spitzenrosés sind nicht nur auf ihren Geschmack, sondern auch auf ihre Farbnuance hin erzeugt – schon im Weinberg, und dann auch bei der Lese und der Kelterung.

Zwei Lager

Zuweilen stehen sich dabei zwei Lager gegenüber: Die eine Fraktion ist davon überzeugt, dass sich die Delikatesse eines Roséweins am besten ausdrückt, wenn er hell in der Farbe ist, und nur um eine Nuance vom Aussehen eines Weißweins abweicht. Die andere Partei sagt: Aber nein, auch ein Rosé hat Rotwein-Gene, man darf in ihm gerne etwas Tannin und Farbe vorfinden, und eine weinige, erdige Frucht.

Diese Meinungsverschiedenheit ist nicht aufzulösen – und das ist am Ende wohl auch gut so, denn es gibt für jeden Rosé-Typ einen idealen Trink-Anlass. Und die Wertschätzung der Weintrinkerinnen und Weintrinker macht ohnehin kaum einen Unterschied zwischen hell und dunkel, zwischen rosa oder orange: Bei den Verkaufszahlen kennen alle Rosétypen seit etwa zehn Jahren nur eine einzige Richtung: steil nach oben.

BEST OF ROSÉ


Wir haben skizziert, wo die Farbtöne einiger Rosé-­Archetypen im Spektrum möglicher Farben liegen. Natürlich sind die Markierungen Verallgemeinerungen, es gibt auch dunklere Blanc de Noirs und hellere Cerasuolo, aber der Konsens der meisten Winzer läuft in die Richtung der angegebenen Farbwerte. 

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Vorbild Provence

Wer an Rosé denkt, denkt häufig zuerst an die Provence – kein Weinbaugebiet der Welt ist derart eng mit dieser Weinfarbe verknüpft wie die südfranzösische Urlaubsregion. Wie aus Zahlen des Conseil Interprofessionnel des Vins de Provence CIVP hervorgeht, machten die Produzenten der drei Appellationen Côtes de Provence, Coteaux d’Aix-en-Provence and Coteaux Varois en Provence im Jahrgang 2022 zu 90 Prozent Roséwein. Insgesamt 157 Millionen Flaschen, was 43 Prozent der französischen Roséproduktion und rund sechs Prozent aller Roséweine der Welt entspricht. Es kann daher kaum erstaunen, dass fast alle Roséhersteller der Welt dem »Rosé de Provence« nacheifern, dem hellen, fruchtig-frischen Rosé, der wie kaum ein anderer Wein auch ein Lebensgefühl transportiert – Sonne, Meer, Strand und totale Leichtigkeit.

Die Erfolgsgeschichte

Der Erfolg des »Rosé de Provence« ist eng mit der Historie des Landstrichs als Urlaubsziel verknüpft. Natürlich, die Region gehört zu den traditionellen Weinregionen mit einer Geschichte zurück bis ins sechste Jahrhundert, doch zum Roséland wurde die Provence erst in den vergangenen Dekaden. Die Erfolgsgeschichte des provenzalischen Rosés begann nach dem Zweiten Weltkrieg, als der Sommertourismus förmlich explodierte. 

Die damals in der Provence hergestellten, eher rustikalen Rotweine aus Sorten wie Carignan, Cinsault und Grenache passten so gar nicht zum Sommervergnügen der Touristen und ihren Erwartungen, geschweige denn zu den Speisen, die ihnen gereicht wurden – zum Fisch, dem Ratatouille oder dem gegrillten Lamm. Doch schnell gepresst oder nach kurzer Zeit auf der Maische, ließen sich dieselben Trauben in einen Sommerwein erster Güte verwandeln, was die Winzer fortan auch in großer Zahl taten. Bis in die 1980er-Jahre war der provenzalische Rosé übrigens eher dunkel in der Farbe. Winzerin Régine Sumeire von der Domaine Barbeyrolles war die Erste, der es Anfang der 1980er-Jahre gelang, aus Grenache-Trauben einen hellfarbigen Wein herzustellen – dank Inspiration aus Bordeaux und der Champagne.

Die Technik perfektionierten die Kellermeister der Region immer weiter. Heute werden die Trauben für den Rosé de Provence in der Nacht und in Windeseile maschinell geerntet und sofort verarbeitet. Kühle Temperaturen und der Ausschluss von Sauerstoff sind oberstes Gebot in den modernen Kellereien. Weingüter wie die Maison Saint Aix etwa haben sich gänzlich auf die Roséproduktion spezialisiert. Auch das Marketing wurde perfektioniert. Rosé-Etiketten wie die von Whispering Angel (Château d'Esclans), der Domaines Ott oder des Brad-Pitt-Projekts Miraval sind längst Ikonen.

So steht die Provence heute so stark für einen einzigen Wein, wie es sonst nur noch in der Champagne der Fall ist; dort mit dem Schaumwein. Tatsächlich tritt die Champagne in der Provence heute in Form wichtiger Investoren in Erscheinung. Champagnerhäuser wie Roederer, LVMH, wie Vranken Pommery oder auch Bruno Paillard wurden in den vergangenen Jahren in der Provence aktiv und versuchen mit ihrem Know-how, die Region weiter zu beflügeln.

Auch in anderen Regionen Frankreichs gibt es Rosé-Traditionen, so etwa in Sancerre (auf Pinot-Noir-Basis), oder in den höher gelegenen Regionen des Languedoc, von wo der höchst bewertete Rosé des diesjährigen Tastings stammt: Der »Clos du Temple« von Gérard Bertrand wächst in der AOC Cabrières auf 250 Höhenmetern. Ein Wein mit Geschichte: Schon Sonnen­könig Louis XIV. kannte und schätzte die Weine dieser Herkunft.

Château d’Esclans stieg durch Sacha Lichine zu Weltruhm auf, inzwischen besitzt Moët Hennessy eine Mehrheitsbeteiligung.
Foto beigestellt
Château d’Esclans stieg durch Sacha Lichine zu Weltruhm auf, inzwischen besitzt Moët Hennessy eine Mehrheitsbeteiligung.

Italiens rosati 

In Italien heißt der Roséwein »Rosato«. Im Salento, dem Stiefelabsatz der Apenninen-Halbinsel, wurde 1943 der erste Rosato erzeugt. Ein zweites Gebiet mit Rosé-Tradition liegt ebenfalls in Apulien, etwas weiter nördlich bei Castel del Monte. Dort hat die Bombino-Nero-Traube als Rosé eine eigene DOCG-Ursprungsbezeichnung. An der Stiefelspitze, in Kalabrien, ist der Cirò Rosato lange ein Begriff. In den Abruzzen sind Rosé-Weine aus der Montepulciano-Traube weit verbreitet, die dort Cerasuolo heißen, dank der kirschroten Farbe der Weine. Ebenfalls Tradition haben die Rosé-Weine in Bardolino am südöstlichen Gardaseeufer. Dort wird der Rosé Chiaretto di Bardolino genannt. Am gegenüberliegenden Ufer wird aus der Groppello-Traube Valtenesi Rosato gekeltert. In Südtirol wird aus dem farbintensiven Lagrein nach wenigen Stunden Maischestandzeit der zart rosafarbene Lagrein Kretzer erzeugt. Seit einem Jahrzehnt zählt auch die Toskana zu den großen Anbietern von Rosati. 

Deutschland: Pinot rules

Der deutsche »Weißherbst« war früher oft ein leicht von Botrytis beeinflusster, kraftvoller Rosé. Heute verwenden die meisten guten Erzeuger kerngesunde Trauben und arbeiten in Richtung Frische und Eleganz. Oder – auch dies ein Trend – sie legen die Rosés aus ihrem extraktreichsten Lesegut ins Holzfass, um ihnen im Réserve-Stil zusätzlich Tiefe und Reifevermögen mitzugeben. Auch bei Tisch können solche Weine spannende Begleiter sein. Die überwiegende Zahl deutscher Rosés wird aus Spätburgunder gekeltert, manche Winzer experimentieren aber auch erfolgreich etwa mit Cabernet Sauvignon, Merlot und Syrah oder auch – die Tradition der Champagne grüßt – mit Schwarzriesling, also Pinot Meunier.

Schweiz: Das Rebhuhnauge

Ähnlich wie in Deutschland ist auch in der Schweiz der Blauburgunder (Pinot Noir) die bevorzugte Traube für die Rosé-Produktion. Der Kanton Neuchâtel kann beanspruchen, den »Œil de Perdrix« erfunden zu haben, benannt nach der Farbe, die das Auge des Rebhuhns besitzt. Heute kann diese Bezeichnung allerdings überall in der Schweiz verwendet werden, und die Weine begeistern nur selten. Eine Spezialität des Wallis ist der Dôle Blanche – ein hell gekelterter Wein aus einem Pinot Noir und Gamay. Die besten Rosés der Schweiz bestechen durch knackige Säure, animierende Frucht sowie durch schönen Trinkfluss. Und sie schlagen die Brücke zwischen lebendigem Sommerwein und ernstzunehmendem Speisenbegleiter.

Österreichische Legende

In Österreich führte der Rosé-Stillwein lange Zeit ein Schattendasein, erst in jüngeren Jahren lebt die Produktion etwas auf. Zunächst ist der Rotweinanteil in den Weingärten von zehn auf 33 Prozent angewachsen, was auch die Herstellung von Roséweinen etwas ankurbelt. Anfangs wurde dieser Produktionszweig, von Ausnahmen abgesehen, eher als Nebenprodukt des Rotweines betrachtet. Entsprechend schmeckten diese Weine, die Gegenliebe der Konsumenten hielt sich in Grenzen. 

Der einzige besondere und qualitativ bedeutende Roséwein bildet eine Kategorie für sich. Der Schilcher stammt aus der kleinen Anbauzone Weststeier­mark und hat heute DAC-Status. Der rassige Roséwein, der dort seit Menschengedenken aus der rustikalen roten Sorte Blauer Wildbacher gewonnen wird, ist eine österreichische Weinlegende. Gewachsen auf Steilhängen, geprägt durch sein Terroir, Urgesteinsböden aus Gneis und Glimmerschiefer, ist er ein unverwechselbarer Herkunftswein.

Vor wenigen Jahren wurde im Burgenland die geschützte Herkunft Rosalia DAC ins Leben gerufen, hier wird ebenfalls der gezielten Produktion von Roséweinen aus Blaufränkisch und Blauem Zweigelt besonderes Augenmerk geschenkt. Der abnehmende Absatz beim Rotwein und die gezielte Herstellung von Trauben für die Roséproduktion haben dazu beigetragen, dass sich der Rosé nun auch in der Alpen­republik wachsender Beliebtheit erfreut.


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Erschienen in
Falstaff Nr. 04/2024

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Benjamin Herzog
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Chefredakteur Wein
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