Daumen Hoch für den Bordeaux 2023.

Daumen Hoch für den Bordeaux 2023.
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Bordeaux En Primeur Jahrgang 2023: Das Sorgenkind als Glücksfall?

Wenn die Preise für 2023 richtig gesetzt werden, könnte Bordeaux auch für Weinfreunde interessant werden, die sich bisher vielleicht noch nicht mit dem Thema auseinandergesetzt haben. Dieser Jahrgang bietet alle Voraussetzungen für einen Einstieg, denn es gibt in allen Preisebenen und Appellationen sehr interessante Weine.

Am Montag, den 22. April, fiel der offizielle Startschuss zur Verkostung der Jungweine in Bordeaux für den Fachhandel, die Fachpresse hatte bereits davor die Möglichkeit, sich einen Überblick zu verschaffen. Das Falstaff-Degustationsteam war bereits eine Woche davor vor Ort, es wurden schließlich über 500 verschiedene Weine auf den Weingütern, bei den Händlern und bei Sammelproben verschiedener Appellationen beurteilt. Die Bewertungen aller verkosteten Weine wurden ab Freitag, den 26. April für unsere Leser auf der Homepage von Falstaff kostenfrei zur Verfügung gestellt. Ab Montag, den 29. April, wurden von den Weingütern bereits die ersten Preise bekanntgegeben; zwei Premier Grands Crus Classés mit Lafite-Rothschild und Mouton-Rothschild werden den Preisreigen gemeinsam mit Publikumslieblingen wie Valandraud oder Ponet-Canet anführen.

Erwartet wird vor allem bei den hochpreisigen Etiketten ein markanter Einschnitt, der wohl um die 20 bis 25 Prozent nach unten sein wird und das ist nicht etwa der Qualität der Weine, sondern der aktuellen Situation am Markt geschuldet. Das führt uns zu Punkt 1: Ja, aus Sicht der Preisgestaltung wird 2023 ein Jahrgang sein, den es zu subskribieren lohnen könnte.

Punkt 2 ist die Frage der Qualität. Vereinfacht gesagt: Es ist ein guter bis sehr guter Jahrgang, mit einigen Ausreißern in Richtung Superlative. Aber die Sachlage ist komplex, denn die Weine zeigen sich heterogen. Es gibt kein rechtes oder linkes Ufer, wenn es darum geht, wo man mit dem Einkauf besser aufgehoben ist. Es gibt überall tolle Weine zu finden. Das anspruchsvolle Witterungsszenario während des gesamten Jahresverlaufs verlangte den Winzern alles ab, wichtig war es, zu jeder Zeit den richtigen Schritt zu setzen. Wer zu große Mengen erntete, dessen Weinen fehlt es etwas in der Mitte, wer zu spät dran war, dessen Weine zeigen Nuancen von gekochten Beeren und Feigen. Wer das richtige Timing und ausreichend Personal für die Arbeit im Weingarten hatte, der konnte den Mehltau meistern; Entscheidend war einmal mehr das optimale Terroir und das Knowhow der Winzer.

Die besten Weine im Rotweinbereich zeigen einen mittleren Alkoholgehalt – Château Margaux liegt bei 12,9% – auch die von Merlot geprägten Weine des rechten Ufers übersteigen kaum einmal 14%. Die Weine zeigen eine sehr tiefe, dunkle Farbe, haben eine angenehme Fruchtaromatik, besitzen ein stattliches, aber völlig ausgereiftes Tanninkleid, das für Länge sorgt, und sie haben eine ungewöhnlich gute Frische, die ihnen Lebendigkeit verleiht. Viele Weine sind bereits sehr harmonisch und wirken zugänglich. Es ist ein Vorzug des Klimawandels, dass heute die Weine durch die höhere Reife viel jünger antrinkbar sind als in früheren Jahrzehnten. Davon, dass man bei Bordeaux zehn Jahre warten muss, kann heute keine Rede sein. Den größeren Teil der Weine kann man bei Auslieferung bereits genießen, weitere Reife in der Flasche wird den Genuss mit der Zeit nur noch vergrößern.

Die Weißweine sind trotz des warmen Sommers erstaunlich elegant ausgefallen und haben dabei ihre Lebendigkeit und Frische nicht eingebüßt, speziell wenn sie bereits vor der zweiten Hitzewelle Anfang September geerntet wurden. Die Süßweine konnten dank einiger Regenfälle im Herbst eine sehr gleichmäßige Edelfäule entwickeln, der Jahrgang verspricht in diesem Segment durchaus Großes, damit werden wir uns im Detail befassen, sobald die Weine einmal auf der Flasche sind.

Nun heißt es, auf die Kalkulation der Preise zu warten und dann wird es sicher schnell gehen, spätestens in der ersten Maiwoche wird der Handel alle Preise haben und die Subskription für den Endverbraucher kann anlaufen. Wer gut vergleicht, wird diesmal endlich wieder für den Subskriptionskauf belohnt werden, es könnten ausnahmsweise sogar Schnäppchen zu machen sein. Das Sorgenkind 2023 könnte sich am Ende noch als Glücksfall für echte Bordeauxfreunde erweisen.

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Peter Moser
Peter Moser
Chefredakteur Wein
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