Der »ehemalige« Küchenchef Micha Schäfer.

Der »ehemalige« Küchenchef Micha Schäfer.
© Anne Schönharting

»Nobelhart & Schmutzig« verbannt Küchenchef

Die Ära des traditionellen Küchenchefs ist im »Nobelhart & Schmutzig« vorbei. Das Restaurant verkündet das Aus für Micha Schäfer – doch arbeitslos wird der Koch dennoch nicht zurückgelassen.

»Wir haben im Nobelhart & Schmutzig den Küchenchef abgeschafft«, verkündete die Pressemitteilung des Berliner Restaurants am Freitagmorgen. Ein Satz, der auf den ersten Blick dramatisch klingt und vielleicht den ein oder anderen Stammgast in Angst um sein Lieblingsgericht versetzt. Doch schnell entpuppt sich die Ankündigung als nur ein weiterer Schritt des »Nobelhart & Schmutzig« progressiver als der Rest sein zu wollen.

Der »ehemalige« Küchenchef Micha Schäfer ist nämlich ab sofort weder arbeitslos noch wird sich die erst kürzlich geänderte Speisefolge ändern. Das »Nobelhart & Schmutzig« rund um Wirt Billy Wagner hat sich lediglich dazu entschieden, den traditionellen Posten des Küchenchefs abzuschaffen und durch die Position der »kulinarischen Leitung« zu ersetzen. Diese Neudefinition soll nicht nur die tatsächliche Arbeitsaufteilung in der Küche widerspiegeln, sondern auch eine Welle der Modernisierung in der Gastronomiebranche einläuten. Im Team soll sich vor allem die Kommunikation ändern, beziehungsweise die tatsächliche Arbeitsteilung widerspiegeln und somit mehr Wertschätzung für das gesamte Team und Micha Schäfer selbst zum Ausdruck bringen.

Nach intensiven Auseinandersetzungen

Schäfer wird weiterhin die kulinarischen Kreationen entwerfen und entwickeln, während er gleichzeitig die Anbauplanung der Lebensmittel mit den Erzeugerinnen und Erzeugern betreut und Auszubildende unterstützt.

 

Der Druck, der mit dem Titel des Küchenchefs einhergeht, setzt ungesunde Erwartungen an Einzelpersonen.

 

Die Entscheidung, den Titel des Küchenchefs zu überdenken, ist das Ergebnis einer intensiven Auseinandersetzung mit den Arbeitsstrukturen und -bedingungen in der Gastronomie. Das Team von »Nobelhart & Schmutzig« strebt danach, gute und nachhaltige Arbeitsplätze zu schaffen, die von vernünftigen Bedingungen und angemessener Entlohnung geprägt sind. Bereits im vergangenen Sommer hat Billy Wagner mit seinem Team den sogenannten »Guide of Conduct« erarbeitet, um gegen Machtmissbrauch, sexuelle Belästigung und Diskriminierung in der Gastronomie vorzugehen.

Ungesunde Erwartungen an Einzelpersonen

Die Bezeichnung des Küchenchefs ist laut dem »Nobelhart & Schmutzig«-Team überholt und wird teils sogar als schädlich für beide Seiten angesehen. Zum einen werde die harte Arbeit der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dadurch oft nicht angemessen gewürdigt, zum anderen setze der Druck, der mit dem Titel des Küchenchefs einhergeht, ungesunde Erwartungen an Einzelpersonen.

Die Umdeklarierung von Micha Schäfer zur kulinarischen Leitung signalisiere nicht nur einen Paradigmenwechsel in der Gastronomie, sondern ermögliche es auch, die individuellen Stärken jedes Teammitglieds besser zu nutzen und anzuerkennen.


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Anna Wender
Anna Wender
Redakteurin
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