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Tradition und vergoldete Krönchen

Wein
Pfalz
Weinkönigin

In der Pfalz sollen künftig »Pfalzweinbotschafterinnen« und »Pfalzweinbotschafter« anstelle einer Weinkönigin ernannt werden. Dass diese Entscheidung im Jahr 2024 so viel Empörung auslöst, verdient eine eingehende Betrachtung. Ein Kommentar von Wein-Chefredakteur Ulrich Sautter.

Die Pfälzer Weinwerbung hat bekannt gegeben, von der Wahl einer »Weinkönigin« Abstand zu nehmen und eine Transformation dieses Amtes zur »Pfalzweinbotschafterin« oder auch zum »Pfalzweinbotschafter« zu vollziehen. Dass solch eine Entscheidung im Jahr 2024 noch einen Sturm der Entrüstung auslöst, würde eine Betrachtung eigener Art verdienen. Ich möchte mich hier aber auf etwas anderes konzentrieren, nämlich auf den von manchen Seiten erhobenen Einwand, hier werde die Tradition »mit Füßen getreten«, »gebrochen« oder sonstwie beschädigt.

Ein Winzer, den ich für einen der Topleute hierzulande halte und der wohlgemerkt als Sohn eines Denkmalpflegers aufgewachsen ist, antwortete mir einmal kurz und bündig auf die Frage, was für ihn die »Tradition« definiere: »Tradition ist Schlamperei«. Was er damit meinte, war mir sofort klar: An alten Bräuchen und Techniken festzuhalten, nur »weil man es schon immer so gemacht hat«, ist letztlich ein Reflex der Bequemlichkeit, um Dinge nicht neu denken zu müssen.

Eine anderer Weinmarkt als 1931

Das Amt der Weinkönigin wurde im Jahr 1931 erfunden, der Legende nach vom Verleger Daniel Meininger. Der Weinbau war damals gerade durch die Reblauskrise gegangen, die Rebflächen gingen überall zurück, schließlich sorgte auch noch die Weltwirtschaftskrise für große Not. In diesem Moment hatte die Wahl einer »Königin« zweifellos einen hohen Symbolwert – schließlich leg es auch erst 13 Jahre zurück, dass der letzte deutsche Kaiser seine Abdankungsurkunde unterschrieben hatte. Versucht man sich in diese Zeit zu versetzen, dann mag das Zitat der Monarchie in diesem neu geschaffenen Amt etwas Sentimentales, vielleicht auch etwas Augenzwinkerndes gehabt haben. Es scheint mir aus der Zeit heraus völlig plausibel zu sein.

 

Glauben die Fürsprecher des Amts der Weinkönigin denn wirklich, dass ein Krönchen auf dem Haupt einer jungen Frau in London, New York oder Singapur auch nur eine einzige Flasche Wein verkauft?

 

Ob diese Funktion nach 1933 ihre Unschuld behalten konnte, darüber weiß ich zu wenig. Sicher ist aber: Heute sind unsere Lebenswelt und unser Weinmarkt ganz andere als 1931. Der deutsche Wein allgemein hat viel von dem internationalen Ansehen zurückerlangt, das er nach 1918 verloren hatte. Dies durch die harte Arbeit und das Qualitätsstreben der Winzerinnen und Winzer im Weinberg, und ebenso durch die Weitsicht mancher Verbände, etwa durch die Lagenklassifikation des VDP. Die Pfalz gilt in diesem Ensemble als ein Ort, in dem sich die Winzer schon in den 1990er-Jahren gegenseitig die Hof- und Kellertüren geöffnet haben, um voneinander zu lernen und gemeinsam etwas zu bewegen. Die Pfalz hat den Ruf, einer der kulinarischsten und der herzlichsten Landstriche hierzulande zu sein. Und diesen Ruf hat sie nicht nur in Frankfurt oder Mannheim, nicht nur in Hamburg oder Berlin, sondern auch weit über die deutschen Landesgrenzen hinaus.

»Tradition ist Schlamperei!«

Aber glauben die Fürsprecher des Amts der Weinkönigin denn wirklich, dass ein Krönchen auf dem Haupt einer jungen Frau in London, New York oder Singapur auch nur eine einzige Flasche Wein verkauft? Auf die dortigen Multiplikatoren dürften solche Auftritte eher antiquiert wirken, im schlimmsten Fall bescheren sie den Vorurteilen aus der Liebfrauenmilch-Ära ein Comeback. Für diejenigen Marktsegmente, in denen der Pfälzer Wein seine größte Strahlkraft besitzt, braucht es völlig andere Symboliken.

Tradition ist Schlamperei! In meinem persönlichen Weltbild gehören vergoldete Phantasiekronen, pardon, eher in den Umkreis von Karneval und Kindergeburtstag als zu den Insignien einer Person, die ein Kulturgut vermitteln soll. Mit dieser Aussage möchte ich überhaupt nicht das Talent der jungen Frauen in Frage stellen. Die Beispiele, dass frühere Weinköniginnen in der Weinwelt Herausragendes geleistet haben und leisten – in der Politik und in Verbänden, im Marketing, oder mit eigenen Weinen – sind Legion. Ich glaube einfach, dass sie etwas Besseres verdient hätten. Würde nicht eine erwachsenere Form, dieses Amt auszugestalten, sowohl der Sache des Weins als auch den beteiligten Menschen gut tun?

Prinzipien der Vernunft

Eine schlampige Tradition aufzugeben, heißt zu guter Letzt nicht, den Faden der Geschichte zu kappen. Wenn ich an jene Tradition des Pfälzer Weinbaus denke, die sich über die Jahrhunderte immer wieder erneuert hat und lebendig geblieben ist, dann kommen mir die Worte in den Sinn, die der große Weingelehrte Johann Philipp Bronner 1833 nach einem Besuch Deidesheims schrieb: »Es herrscht hier ein hoher Grad von Intelligenz, und alle Mittel und alle Regeln werden hier angewandt, um nach richtigen Prinzipien den Weinbau zu treiben«. Dass dieser Satz im Jahr 2024 bezüglich des Weinbaus noch immer Gültigkeit hat, darüber kann nicht der geringste Zweifel herrschen. Ich würde mir wünschen, dass nun auch bei der Außendarstellung des Pfälzer Weins die Prinzipien der Vernunft zu ihrem Recht kommen.


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Ulrich Sautter
Ulrich Sautter
Wein-Chefredakteur Deutschland
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