Deutschlands Winzerjugend hat in den letzten Jahren immer wieder für Aufsehen gesorgt. Auch dieses Jahr war das Niveau unserer U30-Trophy begeisternd. Gewonnen hat eine Winzerin, die am höchstgelegenen Weinberg Deutschlands aktiv ist.
Was dem Fußball Recht ist, mag der Weinwelt nur billig sein: Während auf dem Rasen die Stars von morgen in »U21«-, »U19«- oder gar »U16«-Mannschaften aufeinandertreffen, braucht es im Weinberg und Keller naturgemäß etwas länger, bis sich ein Talent manifestiert. Daher liegt die Altersgrenze für unseren Nachwuchs-Wettbewerb bei 30 Jahren. Die Idee aber ist genau die gleiche wie beim liebsten Ballsport der Deutschen: Die Jugend soll sich zeigen und beweisen können. Dass sie das oft bereits mit erstaunlicher Reife tut, ist ein Phänomen, das selbst noch relativ jung ist, vielleicht zehn oder maximal 15 Jahre alt. Ein Jungwinzer Anfang 20 lieferte neulich im Gespräch mit Falstaff eine plausible Erklärung für diese Dynamik: »Ich selbst und viele Freunde in meinem Alter dürfen schon ziemlich viel selber machen. Ich glaube, das liegt daran, dass die Generation unserer Großeltern ziemlich meinungsstark war und unseren Vätern nicht viel Freiraum gelassen hat. Jetzt wollen sie es bei ihren eigenen Kindern besser machen.«
Man muss anfügen: Dazuhin sind heute sehr viel mehr junge Frauen aktiv als früher. Gleich zwei der drei erstplatzierten Weine wurden von Frauen gekeltert: Der Wein auf Platz eins wurde von der 28-jährigen Désirée Vollmayer gestaltet: ein Chardonnay im bekannt frischen Stil unserer Tage, allerdings auch einen Tick weniger bissig und fordernd als etwa die modellhaften Weine der Jungtalente von vor zehn Jahren. Auf Platz zwei landete der vor Energie schier berstende Pettenthal Riesling von Johannes Gröhl. Gröhl, 26, ist der jüngste im Trio auf dem Treppchen, und dabei schon der Etablierteste: Seine Handschrift ist unverkennbar.
Eine ganz neue Facette bringt der Wein auf Platz drei ins Spiel: Der von Christin Robrecht, 27, gemeinsam mit ihrem Freund Oliver Schell gekelterte PiWi-Wein aus Ahr-Steillage ist absolut außergewöhnlich: ein PiWi mit solcher Vielschichtigkeit! Und solche Opulenz mit solcher Eleganz! Ist das schon ein Konzept für die Zukunft?
Am Südwesthang des Hegauvulkans Hohentwiel wachsen Reben bis auf 560 Meter hoch – deutscher Rekord. Seit 2020 arbeiten zwei der drei Töchter Vollmayer mit im Familienbetrieb. Die jüngste, Désirée (28), verantwortet den Keller – und liefert mit ihrem Höhen-Chardonnay eine beeindruckende Talentprobe ab: guter Holzeinsatz, feinfühlige Phenolik, elegante Säure. Zu den Stationen der jungen Frau gehören: von Winning, Rings, Manincor, und die Ausbildung zum Techniker in Weinsberg.
Natürlich, sagt Johannes Gröhl, würde er gerne mal ganz oben auf dem Treppchen stehen, «oben guckt es sich schließlich besser«. Aber der 26-Jährige, der schon zweite und dritte Plätze bei der U30-Trophy belegte, sieht Wettbewerbe sportlich. Der Techno-Fan hat mit rasanter Geschwindigkeit das elterliche Weingut in Weinolsheim umgekrempelt und eine Stilistik mit Reduktionsnoten und einer markanten Hallo-Wach-Säure entwickelt, die niemanden gleichgültig lassen kann.
Als sie 2021 auf dem Schiefer im Dernauer Burggarten 15 Ar Souvignier Gris pflanzten, mussten sich Christin Robrecht und Oliver Schell einiges anhören von den Nachbarn. Oft wird pilzresistenten Rebsorten wie Souvignier Gris nur wenig zugetraut. »I can’t believe it’s a Piwi« – mit selbst gestaltetem Etikett in Pop-Art-Ästhetik – ist Nagelprobe und Gegenbeweis: Unter der Regie der 27-jährigen Winzerin entstand eine opulente, tiefgründige, trockene Auslese.
Das Geburtsdatum zählt
Teilnahmeberechtigt an der Falstaff U30-Trophy waren dieses Jahr alle Winzerinnen und Winzer, die nach dem 1. Juli 1994 geboren sind. Die zur Verkostung gelangenden Weine müssen von ihnen selbst produziert oder – da naturgemäß auf vielen Betrieben Söhne und Töchter zusammen mit ihren Eltern arbeiten – »maßgeblich gestaltet« worden sein.
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