Wie ist die Lage?: Weinpersönlichkeiten über die Stimmung am Markt
Sind wir noch in der Nach-Corona-Zeit, oder erleben wir gerade einen Strukturwandel ganz anderer Art? Diese Frage stellte Falstaff 14 Entscheiderinnen und Entscheidern aus diversen Zweigen der Weinbranche.
Wie alle Bereiche der Wirtschaft, und unser gesamtes Alltagsleben, geht auch die Weinwelt durch bewegte Zeiten: Erst bremste Corona den öffentlichen Raum aus, dann kam als weitere Belastung der Ukraine-Krieg hinzu und in seinem Fahrwasser die Inflation, ehe im vergangenen Herbst schließlich auch noch der Überfall der Hamas auf Israel erfolgte – und der politischen und wirtschaftlichen Großwetterlage eine weitere toxische Komponente hinzufügte. Kein Wunder, dass auch die Weinwirtschaft sich neu positionieren muss und anfängt, nach Antworten auf völlig neue Fragen zu suchen.
Das Stimmungsbild
Die vergleichsweise milde Rezession, die derzeit die meisten Länder Mitteleuropas im Griff hält, wird in der Weinbranche von fallendem Weinkonsum und von prohibitionistischen Tendenzen in Teilen der Politik (und sogar in manchen Medien) begleitet. In Deutschland ließ der seit gut und gerne drei Jahrzehnten stabil um die 24 Liter pro Kopf pendelnde Weinkonsum in den letzten zwei Jahren erstmals deutlicher nach und liegt jetzt bei knapp über 22 Litern.
In dieser Situation wollten wir von namhaften Akteuren am Weinmarkt wissen, wie sie die Situation einschätzen. Fazit: Es herrscht keine Krisenstimmung. Sehr wohl beobachtet die Weinbranche die Lage aber mit wacher Aufmerksamkeit – und ist sich dessen bewusst, dass Reaktivität gefragt ist.
AUSBLICK
Auch nach der Nutzung von Wein-Medien haben wir gefragt. Tenor der Antworten ist: Print und Online ergänzen sich. Online und Social Media werden eher für News und direkte Kontakte genützt, Print ist attraktiv durch Haptik und Optik sowie dadurch, dass Informationen mehr in die Tiefe gehen.
Nach den Wünschen für 2024 gefragt, nannten nur zwei von 14 Befragten eine Deeskalation der militärischen Konflikte. Offenbar hat die Weinbranche mehrheitlich vor der schier unentwirrbaren Gemengelage der Weltpolitik kapituliert.
Die Meinungen im Überblick
- Rudi Bindella: »Der Markt für hochwertige Weine ist stabil«
- Alexander Borwitzky: »Themen wie »alkoholfrei«, »Cocktailkultur« oder »bewusster Genuss« sind relevante Stichworte«
- Andreas Braun: »Beim Weintourismus schöpfen wir unsere Chancen in Deutschland noch nicht hinreichend aus«
- Pablo Calvo: »Alle Trends sind vorübergehend«
- Hans Martin Gesellmann: »Ich die Zurückhaltung als mittelfristigen Trend«
- Carolin Gross: »Es könnte sich eine generelle Abwehrhaltung gegen den Weinkonsum in der jungen Generation bilden«
- Benjamin Mayr: »Wir sehen die aktuelle Zurückhaltung beim Weinkonsum als eine Chance, unser Know-how zu verbessern«
- Markus del Monego: »Trends bei den jüngeren Konsumenten stimmen mich positiv«
- Maximilian J. Riedel: »Fingers crossed, dass wir von den Wetterkapriolen der Vergangenheit weitestgehend verschont bleiben«
- Gesine Roll: »Die weinbegleitenden Medien und den Journalismus halte ich für enorm wichtig«
- Michael Schwarz: »Es ist verständlich, dass bei Wein und anderen Genussgütern gespart wird«
- Katharina Wolf: »Vom Weintrinken hat die Weltlage bislang keine und keinen abgehalten«
- Christopher Yorke: »Wir treffen mit unseren Weinen den Nerv der Zeit«
- Stefan Richard: »Ich sehe keine wirkliche Trendwende«