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Was macht eigentlich ... Ron Arad?

Designer, Architekt, Künstler. Ron Arad zeigt seit über 40 Jahren, dass die Welt auch ganz gut ohne rechte Winkel auskommen kann, und liefert unermüdlich schwungvolle Ideen und Entwürfe.

06.08.2024 - By Manfred Gram

Wer eine Malerin zur Mutter und einen Fotografen zum Vater hat, dem sind, zunächst einmal rein am Papier, künstlerische Gene, respektive ein eventuell anderer Blick auf die Welt, mit in die Wiege gelegt. Wie bei Stardesigner Ron Arad, der 1951 in Israel geboren wurde. Und so startete seine Karriere auch zunächst einmal mit einem Kunststudium in Jerusalem. Das hängte er aber relativ schnell an den Nagel, um mit 22 Jahren nach London zu gehen und Architektur zu studieren – unter anderem zusammen mit Zaha Hadid. Nach seinem Abschluss verdingte er sich in einem Architekturstudio und langweilte sich dabei ziemlich schnell. Eines Tages – so geht die Mär – ging er einfach in die Mittagspause und kam nie mehr zurück.

Design-Ikonen am laufenden Band

Wohin er ging? In Richtung Design natürlich, was aber nicht bedeutet, dass Arad der Kunst oder Architektur entsagt hätte. Im Gegenteil: »Ich will weder mich noch sonst jemanden langweilen!«, postuliert der israelisch-britische Designer immer wieder mit Inbrunst und lebt diese Eigenvorgabe. Soll heißen: Der mittlerweile 73-Jährige bespielt stets alle drei Felder. Arad macht Lampen, Vasen, Sofas, Sessel, aber auch Opernhäuser, Showrooms und Skulpturen. Diese wahre Produkt- und Objektflut hat hohen Wiedererkennungswert, denn Arad, hochdekorierter Kreativer und seit 2012 Mitglied der Royal Academy of Art, liebt alles, was schräg, kurvig und gewölbt daherkommt. Sogar ein von ihm entworfener Ping-Pong-Tisch ist konkav.

Rechter Winkel? Ein Sakrileg im Œuvre des Gestalters. So gesehen lässt sich sein kommerziell größter Erfolg »Bookworm« auch als Pars pro Toto für sein Werk hernehmen. Ein Bücherregal, das als skulpturale Spirale den Wesenskern von Regalen, Bords, Stellagen und Ablagen nicht nur in Frage, sondern gleich auch auf den Kopf stellt. Ein ikonisches Stück, das Grenzen zwischen Form und Funktion, Design und Kunst verwischt und Bücher förmlich an der Wand entlang kriechen lässt.

Zu Ikonen werden üblicherweise auch die Sessel und Stühle, die Arad so designt. Bereits seine erste Arbeit, der »Rover Chair«, in der Ur-Version, die heute noch in seinem Londoner Studio One Off zu sehen ist, ist legendär. Er hat ihn 1981 aus einem Rover-2000-Sitz vom Schrottplatz und einigen Stahlröhren zusammengeschweißt. Jean Paul Gaultier war davon so begeistert, dass er gleich einmal sechs Stück direkt von der Werkbank weg kaufte. Nicht weniger bekannt im Sessel-Universum ist der »Well Tempered Chair«, eine Arbeit für Vitra, gefaltet aus vier Bahnen gebogenem Stahl – wenn man so will, Arads Lieblingswerkstoff.

Dass Stühle auch politisch aufgeladen werden könnten, demonstrierte Arad übrigens vor vier Jahren, als er kurzerhand seinen mickymouse-förmigen »Big Easy Chair« aus dem Jahr 1988 überarbeitete und mit Zeitungsberichten rund um den Brexit tapezierte. Und zwar als Teil einer Stuhlserie, die sich »Don’t F**k With The Mouse« nennt.

Arad beherrscht aber auch die hohe Kunst der leisen Anspielung. Als sein Studio beauftragt wurde, das berühmte, aber auch in die Jahre gekommene »Watergate Hotel« in Washington neu zu gestalten, kreierte er nicht nur eine sensationelle Bar, die aus 2.500 beleuchteten Whisky-Flaschen besteht, sondern auch Bleistifte fürs Hotel. Auf ihnen prangt in goldener Schrift der Satz: »I stole this from the Watergate Hotel«. Subtiler kann man den größten Politskandal des 20. Jahrhunderts kaum zitieren.

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Erschienen in:

Falstaff LIVING 04/2024

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