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Trend: Der Garten im wilden Poesielook

Stimmungsvolle Gärten, da wild, dort gezähmt, jeder für sich ein Reich betörender Kontraste und gewachsener Wunderwerke der Natur. Fünf renommierte Landschaftsarchitekt:innen zeigen LIVING ihre Lieblingsprojekte und verraten Gestaltungstipps für private Sommeridyllen.

25.07.2024 - By Susanna Pikhart

Titelbild: Grüne Gartenkunst: Möglichst natürlich, mit Formenvielfalt und vorwiegend heimischen Pflanzen sowie reich an Kontrasten – die aktuellen Gartentrends finden sich auch im preisgekrönten Refugium der Landschaftsarchitektin Christina Schnelting wieder. naturwohnraum.de

Die Sonne wandert allmählich in Richtung Westen und taucht den Garten in ein warmes, goldenes Licht. Ein sanfter Wind trägt den Duft von Salbei, Mädesüß und anderen, scheinbar wild wuchernden Blumen und Stauden herüber. Doch sie wachsen hier nicht zufällig. Bewusst belassen oder gesetzt, als naturnahes Gesamtwerk sowohl aufeinander als auch auf die Region und die vier Jahreszeiten abgestimmt, sorgen sie stets für neue Wow-Effekte. So sieht perfekte Harmonie aus, wenn im Garten alles im grünen Bereich ist.  3.000 Quadratmeter sind es insgesamt – ein kostbares Refugium im Münsterland, wo Naturidyll auf Kunstfertigkeit trifft, komponiert von der Landschaftsarchitektin Christina Schnelting. Ihr Werk wurde dieses Jahr vom Callwey Verlag zum schönsten Privatgarten im deutschsprachigen Raum gekürt. »Durch die Lage am Fluss und die Geschichte des Hauses war es mir wichtig, die Aspekte Wasser und Feuchtwiesen in das Konzept zu integrieren«, erzählt sie. »Da Holz und Wasser gut harmonieren, war auch die Idee der Stege, die durch etliche Staudenbeete führen, schnell geboren.« Statt organischer Formgebung entschied sich die Gartendesignerin für klare Linien, »um der wilden Bepflanzung einen starken Kontrast entgegenzusetzen«. So geben die Wege und Beete mit ihrer Linearität der bewusst ungezügelten Pflanzenwelt einen Rahmen. Schnelting: »Die Raumaufteilung bricht mit der üblichen Gliederung in Rasenfläche, Terrasse, Spielbereich etc. und integriert unauffällig einzelne Elemente wie Schaukel, Feuerschale, Hängematte und Sandkasten.« Dazu tragen auch die regionalen Materialien bei, die mit dem Haus und den Nebengebäuden im Einklang sind: Herdecker Ruhrsandstein für den Hauptweg und die Beeteinfassungen sowie Stadtlohner Riemchen für die Terrasse, übrigens ein Abfallprodukt aus der Tonproduktion in der Region – Stichwort Upcycling. Holzdeck und Steg sind aus naturbelassenem Lärchenholz. Als größtes Geschenk ihrer Lieblingsgartenidylle, die sie für sich selbst und ihre Familie realisiert hat, bezeichnet Schnelting den alten Baumbestand. »Jeder dieser Baumveteranen erhielt im Konzept seine besondere Rolle und war integraler Bestandteil der Gestaltung.«

Wasser im Garten als vierte Dimension

Eine ebenso begnadete Meisterin der Landschaftsarchitektur und für ihre Gärten bereits international mehrfach ausgezeichnet ist Brigitte Röde. Die von Köln aus agierende Expertin legt bei ihren Projekten großen Wert darauf, den Garten in die umliegende Landschaft zu integrieren, und darauf, »dass die Besitzer und Nutzer viele Jahre Freude daran haben«. So müsse die wortwörtlich wachsende Entwicklung der grünen Oase von Anfang an mitberücksichtigt und eingeplant werden. »Ein Garten hat immer eine vierte Dimension – die Zeit«, so Röde. LIVING zeigt sie ein besonders schönes Beispiel aus dem Bergischen Land in Nordrhein-Westfalen. Ein Naturparadies in Hanglage, das sich über zwei Ebenen erstreckt, wobei der ganze Garten vom Haus aus als Gesamtkomposition sichtbar ist. »Die obere Ebene ist als architektonischer Garten angelegt und wird von einem Wasserbecken umrandet. Seine Oberfläche spiegelt den Himmel wider, und der Garten scheint am Horizont mit der Landschaft zu verschmelzen.« Zusätzliche Raffinesse: »Durch das Wasserbecken wird ein 80 Zentimeter hohes Geländer vermieden, das bei einem derart steilen Hang sonst aus Sicherheitsgründen vorgeschrieben ist.« Denn: Steht man hier im Wasser, übernimmt es eine Art unsichtbare Barrierefunktion. Die untere Ebene des Gartens bildet mit dem lauschigen Naturteich einen optischen Kontrast. Röde: »Je weiter man sich vom Haus und tiefer ins Tal entfernt, desto natürlicher wird das Ganze.« Beim Durchschreiten der Sommeridylle macht die Landschaftsarchitektin auf eine wesentliche Veränderung der letzten Jahre aufmerksam: »Es wird nur noch verbaut, was unbedingt nötig ist. Ansonsten belässt man die Gärten möglichst natürlich, verwendet also etwa Kiesel- statt Pflastersteine, Holz statt Fliesen, damit die grüne Residenz auch den zunehmenden Extremwetterereignissen standhalten kann.«

 

 

Nur scheinbar wild: Auf der Wildblumenwiese in Schneltings Naturgarten-Paradies dominieren neben Gräsern blühende, insektenfreundliche Stauden wie Kratzdistel, Natternkopf und Teufelsabbiss.

(c) Ferdinand Graf Luckner

»Ob kleiner oder großer Garten – eine räumliche Einteilung verbessert die Optik. Nahe der Terrasse machen sich schirmartig wachsende Gehölze gut, in Staudenbeeten das Gras ›Heidebraut‹«, sagt Christina Schnelting.

(c) beigestellt

Der Garten nach dem Vorbild der Natur

Den Genius Loci zu erahnen und in die Gartengestaltung einfließen zu lassen, darauf versteht sich auch das Schweizer Landschaftsarchitekten-Duo Jan Schelling und Robin Lustenberger: »Unsere Entwürfe respektieren die Natur und nutzen deren Kraft.« Den beiden ist die Pflanzenwahl sowie deren richtiger Standort sehr wichtig, wie bei ihrem Projekt im Raum Baden: »Wir kreieren Außenwohnzimmer, wo Details eine große Rolle spielen«, sagt Schelling, »sie müssen optimal aufeinander abgestimmt werden.« Denn genau das verschafft den Gärten Ruhe und eine stimmungsvolle Atmosphäre. Unter den österreichischen Landschafts­architekten, die auf naturbelassene Gärten, Biodiversität und Nachhaltigkeit Wert legen, stechen aktuell Kramer & Kramer sowie das Büro 3:0 hervor. Robert Luger zeigt uns einen beeindruckenden Patchwork-Garten, der zwei ehemalige, typische Streckhöfe im Mittelburgenland zu einem breiten Grundstück zusammengefügt hat: »Unser Ziel ist eine Balance zwischen Schönheit und Funktionalität. Dabei kombinieren wir traditionelle Elemente mit modernen Designprinzipien.« Zum Konzept der Gartenarchitekten gehört Klarheit: »Die erreicht man einerseits durch Reduktion– weniger ist mehr –, andererseits durch das bewusste Setzen von Kontrasten. Beides etwa beim Farbspektrum und bei den Materialien«.

Kunst trifft Natur : Gleicher Garten, andere Perspektive: Die Garageneinfahrt wird als Gesamtkunstwerk inszeniert. Ähnliche Kunstobjekte finden sich auf dem ganzen Areal wieder, ebenso originell edle Möbelstücke.

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Steilpass fürs Paradies: Ein schmales Grundstück in Hanglage – was tun? Versetzte Treppenaufgänge mit viel Grün, Naturmaterialien wie Stein und Holz sowie mehrere Extra--bereiche für die unterschiedlichen Bedürfnisse. Außenküche inklusive. lsla.ch

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Pflanzliches Patchwork.: Der neu angelegte Garten, der zwei ehemalige Streckhöfe zusammenfügt, besteht aus einer Vielzahl an Materialien und Pflanzen, die kreativ arrangiert wurden. 3zu0.com

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Himmlischer Rahmen: Die Hanglage des Gartens nutzte Landschaftsarchitektin Brigitte Röde für zwei unterschiedliche Ebenen: Oben umrahmt ein geradliniges Design-Wasserbecken den Garten …

(c) Gary Rogers

Der Garten als stilistische Ergänzung zur Immobilie

Stefan Hinterhölzl von Kramer & Kramer veranschaulicht seine Arbeitsweise mit einem Gartenprojekt, das er gemeinsam mit Bernhard Kramer umgesetzt hat – ein 3.000 Quadratmeter großes Areal, das ein generalsaniertes Haus im Stile der 1950er/1960er-Jahre umgibt. »Hier haben wir verschiedene »Räume« konzipiert, den Eingangsbereich beim Haus, den Woodland-Garten im Süden und Norden sowie den alpinen Garten beim Pool. Da rücken etwa große Pflanzflächen mit Lavendel, Eisenkraut und Waldmeister das originelle Gebäude mit Mosaikfassade in den Vordergrund.« Ein prachtvolles, natürliches Refugium, das Gartenpoesie auf vielen Ebenen repräsentiert.

Nostalgie mit Flower-Power: Auf einem 3.000-m²-Areal rund um eine Villa aus den 1950/60er-Jahren hat Kramer & Kramer eine idyllische Vielfalt erschaffen – mit organischen Formen, unterschiedlichen Themengärten und Naturmaterialien. kramerundkramer.at

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Erschienen in:

Falstaff LIVING 05/2024

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