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Stylische Cottages und Cabins

Immer mehr Städter schwören auf die Rauszeit, auf ein paar Tage in einer Cabin im Nirgendwo. Wie man sie findet – und wohin die Designreise führt.

11.08.2024 - By Nicola Afchar

Sussex, England. Inmitten des Waldes thront die »Musician’s Cabin«, die in ihrer Architektur an offene Scheunen der Gegend erinnert, nur das Dach wurde abgeflacht und begrünt. Die Struktur besteht aus Holz und Hanf, mit seiner blattgrünen Farbe schmiegt sich der Kubus in die Umgebung. Nichts stört hier den Blick, und doch bleibt er hängen. Ein Sehnsuchtsort, innen wie außen. Der offene Musikraum mit Piano, der Gong im Schlafzimmer, der Hot Tub für den freien Blick in den »Dark Sky«, einen nicht von Stadtlichtern getrübten Nachthimmel. Eskapismus, wie er schöner nicht geht. Die Musiker:innen-Zuflucht ist der aktuelle Neuzugang von Architects Holiday, das sich auf derart einzigartige Tiny Homes auf Zeit spezialisiert hat. Auch eine »Chef’s Cabin« oder eine »Explorer’s Cabin« finden sich seit Kurzem im Portfolio. Jede Einheit durchdacht bis ins letzte Designdetail – und sehr speziell.

Über die Gründe für die Quickie-Stadtflucht muss man vermutlich nicht großartig philosophieren. Der Mensch hat ein Verlangen nach der Natur, nach Ruhe, nach Einfachheit. Im urbanen Alltag mögen bibliophiles Design und Pflanzen all-over helfen, aber gerade wenn uns scheinbar nichts fehlt, fehlt es eben oft am großen Nichts. Cabins, also durchdesignte Hütten, können hier für zwei oder drei Tage helfen, runterzukommen. Der Trend ist nicht ganz neu, Hashtags wie #cabinporn sind ein Renner und das Buch »Walden: Life in the Woods« erschien 1854! Tatsächlich bedient man sich auch heute – gleich ob in England, Skandinavien oder Österreich – an bekannten Strukturen und verleiht ihnen ein architektonisches Upgrade. Auch ein technisches ist denkbar, siehe die »Cabin Anna« in niederländischen Nationalparks. Hier lässt sich der Mittelteil des Häuschens öffnen bzw. komplett einfahren – sowohl Bett als auch Badewanne stehen dann plötzlich im Freien. Gleichzeitig ist »Anna« aber zumindest an einer Location »off-grid«, nur angeschlossen an eine Klärgrube und versorgt durch Solarstrom, zehn Liter Trinkwasser pro Aufenthalt inklusive.

»Cabin Anna«. Mehr »mitten in der Natur« geht nicht. Zu kaufen oder zu testen in niederländischen Nationalparks.
cabin-anna.com

© it ’t Hoen

Coolcation in der Cabin

Genau das ist das Spannende an diesem Trend. Man holt heute das Maximale aus diesen Minimalhäusern heraus – und das Optimum ist eben sehr subjektiv. Kabinen speziell für Musiker:innen, Yogis, Hobbyfischer:innen oder -ornitholog:innen, Wassermenschen oder Hundebesitzer:in-nen – alles im Programm. Beispielsweise bei Landfolk, einer Plattform für Ferienhäuser und -hütten. Gegründet 2021 in Dänemark, dem Land der 200.000 Sommerhäuser. Über 2.600 potenzielle Lieblingsplatzerln hat Landfolk derzeit im Onlinekatalog, die meisten davon in Dänemark, aber eine wachsende Anzahl auch in Schweden, Norwegen und Deutschland. Und: »70 Prozent der Ferienhäuser finden Sie nur bei uns«, verspricht Mitgründerin Camilla Swartz. Auf der Plattform kann man selbstredend nach Land und Region suchen, aber auch – und das ist das Beson­dere – nach der »Art der Natur«, wie es Swartz nennt. »Am beliebtesten sind unsere Domizile, in denen Hunde erlaubt sind, und Ferien­häuser in Strandnähe. Unsere letzte Gästebefragung hat ergeben, dass 92,5 Prozent unserer dänischen und 97,5 Prozent der deutschen Klientel etwas unweit des Strands suchen.« Und ja, Skandinavien ist hier eine Alternative, den oft unbarmherzig heißen Sommern in Südeuropa sei Dank. »Coolcation«: ein Buzz­word der letzten Zeit. Swartz weiter: »Die skandinavische Hüttentradition ist einzigartig! Sie ist in Schweden als ›stuga‹, in Norwegen als ›hytte‹ und in Dänemark als ›sommerhus‹ bekannt. Sie steht für das Leben an einem anderen Ort mit anderen Gewohnheiten, anderen Aktivitäten und einem generell anderen Lebensstil als im Alltag.« Auch wenn der durchschnittliche Landfolk-Gast eine Woche bleibt, ist die Unternehmerin überzeugt: »Ein langes Wochenende ist oft ein guter Ausgleich. Mehr muss es nicht sein.« Luft nach oben gibt es für Landfolk noch: »Von rund sieben Millionen Ferienhäusern in Europa werden erstaunliche 80 Prozent nie vermietet.«

Ein etwas anderes Konzept verfolgt dagegen das Berliner Hospitality-Tech-Start-up Raus, auch wenn der Grundgedanke – zurück zur Natur – der gleiche ist. Mobile Cabins, verstreut an idyllischen, aber doch gut erreichbaren Orten in Deutschland und seit Kurzem auch in Österreich. »Straußen­wiese«, »Obstbaumwiese« und »Wildblumenwiese« nennen sich die hiesigen Locations, die man von Wien aus in maximal zwei Stunden und 30 Minuten erreicht. Die neuen smarten Cabin-Modelle 2.0 punkten mit dunkler Fassade, modularen Treppen und Duschen mit Panoramablick. Man arbeite, so heißt es, eng mit Land- und Forstwirt:innen zusammen, um ungenutztes Land sinnvoll zu nutzen. Die Idee kommt an – das beweist allein die letzte Finanzierungsrunde, die Raus über 8,5 Millionen Euro einbrachte. In diesem Sinne: aus und raus – inklusive ein bisschen Saus und Braus.

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Erschienen in:

Falstaff LIVING 05/2024

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