© Johannes Kernmayer

LIVING Salongespräch: Wo ist mein Concierge?

Es gibt in Österreich kaum ein Wohnprojekt im Luxussegment, das heute noch ohne Concierge auskommen würde. Umso überraschender, dass die Anfänge dieser Dienstleistung ausgerechnet im barocken Bürgertum liegen. Und dass dieses Service auch schon im sozialen Wohnbau angeboten wird. Ein Gespräch mit der Immobilienmaklerin Karina Schunker, dem Concierge-Anbieter Raffaele Sorrentino und dem Sozialwissenschaftler Daniele Karasz.

10.11.2023 - By Wojciech Czaja

Header-Bild: Im Dienste der Dienstleistungen Concierge, das ist mehr als nur Doorman und Liftboy: Sozialwissenschaftler Daniele Karasz, EHL-Wohnen-Geschäftsführerin Karina Schunker und Raffaele Sorrentino, CEO der RAS Service Group.

LIVING Haben Sie sich in Ihrem Leben schon mal einen Butler gewünscht, der Ihnen die Arbeit abnimmt und die Wünsche von Ihren Lippen abliest?

Raffaele Sorrentino Sie werden lachen, aber ich bin bis zu meinem 14. Lebensjahr mit einem Portier aufgewachsen. Ich stamme aus Neapel, und dort hat fast jedes Wohnhaus einen Portier, der sich um Post, Reinigung und technische Arbeiten kümmert. Und manchmal, wenn die Eltern unterwegs waren, hat uns Don Mario sogar mit Essen versorgt.

Karina Schunker Ich bin Wienerin, da ist ein Portier wie in Neapel eher eine Seltenheit. Aber Hilfe wünscht man sich natürlich immer wieder, beispielsweise bei der Reinigung der Wohnung oder bei alltäglichen Wegen wie etwa Supermarkt, Putzerei und Schuster.

Daniele Karasz Ich lebe mit meiner Frau zusammen, wir sind beide vollzeitberufstätig und haben zwei Kinder, und ich gebe zu: Am Abend, wenn man k. o. aus der Arbeit nach Hause kommt, gibt es Momente, da wünsche ich mir eine Köchin, einen Babysitter, einen Pflanzengießer.

Seit wann gibt es denn Diener, Butler und Concierges?

Sorrentino Die Geschichte des Concierge beginnt im Barock, also Ende des 18. Jahrhunderts in Paris, und zwar im klassischen Palais der Bourgeoisie. Die meisten dieser großbürgerlichen Mehrparteienwohnhäuser hatten einen Concierge, der damals aber eher eine Art Portier, Türöffner und Wachperson war.

Woher stammt denn der Begriff? Die einen meinen, er leite sich vom lateinischen »conservius« ab, also von Diener oder Sklave. Die anderen sehen in der Etymologie eine Herkunft aus »comte des cierges«, also Graf der Kerzen, eine Art nächtlicher Wärter.

Sorrentino Die Etymologie ist nicht mein Spezialgebiet. Ich weiß nur, dass die Bezeichnung auf das historische Frankreich und auf Ludwig XI. zurückgeht und ursprünglich einen hohen Beamten des Königshauses bezeichnet hat.

Karasz Ich finde vor allem die Vorsilbe »con« an dieser Stelle sehr interessant. Der klassische Diener, Butler, Bedienstete war ja historisch betrachtet eine Dienstleistung für den Adel, für das Königshaus, für die Aristokratie. Im Barock scheint sich daraus dann eine Art Helfer für alle entwickelt zu haben, eine Dienstleistung, die sich die bürgerlichen Bewohner eines Hauses teilen, wie uns die Vorsilbe verrät: con, cum, teilen, miteinander. Damit verliert dieser Posten ein Stück weit an Exklusivität und wird Teil des Bürgertums.

Die Anwenderin Meist werde das Angebot von Concierge-Diensten gerne in Anspruch genommen, sagt Karina Schunker. Bei EHL Wohnen ist dieses Service seit acht Jahren Teil des Portfolios. 

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Der Dienstleister Raffaele Sorrentino ist in Neapel mit einem Portier aufgewachsen. Für ihn ist der Concierge keineswegs nur Luxus, sondern ein selbstverständlicher Bestandteil des Wohnens.

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Gab es den Concierge nur in Frankreich? Oder auch in anderen europäischen Städten?

Karasz Natürlich gab es auch in Wien in etwas vornehmeren Bürgerhäusern einen Portier, der in seiner Loge saß – vor allem innerhalb der Ringstraße sowie in den ehemaligen Vorstädten innerhalb des heutigen Gürtels. Der Wiener Portier war Teil der bürgerlichen Stadt. Und im englischsprachigen Raum gab es den sogenannten Doorman.

Schunker In der Architektur von barocken, biedermeierlichen und gründerzeit­lichen Häusern sind die Spuren bis heute erhalten – in Form von Türen, Schildern und verglasten Logen.

In Wien ist dieses Kulturgut verloren gegangen. Im romanischen und mediterranen Raum ­hingegen hat der Concierge bis heute überlebt. Worauf führen Sie das zurück?

Karasz Auf die politische Entwicklung. In Österreich gab es in den 1920er-Jahren einen politischen Bruch, was sich im Roten Wien, vor allem aber auch in der Geburtsstunde des Gemeindebaus manifestiert hat. Österreich hat sich dazu bekannt, die Kluft zwischen Arm und Reich zu schließen und sich in der Unterstützung vor allem auf die ärmeren Schichten zu konzentrieren. Diese Linie wurde nach dem Zweiten Weltkrieg beibehalten.

Schunker Es gibt kaum Wohnobjekte aus der Zeit der Fünfziger, Sechziger oder Siebziger, die man aus heutiger Sicht als gehoben oder luxuriös bezeichnen könnte. Das ist ein absoluter Mangel am Markt. Anders als etwa in Italien, Frankreich oder der Schweiz, wo es wunderschöne Objekte aus dieser Zeit gibt, konzentrierte sich der Wiener Wohnbau vor allem auf die große Masse. Wohlhabende haben sich Villen am Stadtrand gebaut.

Herr Sorrentino, Sie waren Chefconcierge in einigen Fünf-Sterne-Hotels in Deutschland. Wie kam es zur Idee, 2009 ein eigenes Concierge-Unternehmen zu gründen?

Sorrentino Ich bin in diesen Beruf, so scheint es, hineingeboren. Ich habe mich in der Betreuung von Immobilien und mensch­lichen Anliegen immer schon zu Hause gefühlt. In den letzten 14 Jahren sind wir als RAS Service Group massiv gewachsen. Wir haben heute an die 120 Aufträge – zum überwiegenden Teil in Deutschland und in Wien.

DIE GESPRÄCHSPARTNER:INNEN

Daniele Karasz (45) studierte Sozialan-thropologie in Wien und Barcelona und leitet seit 2021 das Search-and-Shape-Institut für angewandte Sozialwissenschaft – u. a. mit einem Fokus auf Wohnen, Migration, Diversität und Stadtentwicklung. Außerdem ist er Dozent an der Universität Wien und an der TU Wien sowie Associated Researcher am Laboratoire Architecture Anthropologie (LAA) in Paris.

Karina Schunker (29) studierte Immobilienwirtschaft und Immobilienmanagement an der FH Wien und ist seit 2012 für das Immobilienunternehmen EHL tätig. Seit 2021 ist sie Geschäftsführerin des Tochterunternehmens EHL Wohnen mit rund 25 Mitarbeitenden. Erst kürzlich wurde sie als »Maklerin des Jahres« mit dem Immobilien-Award Cäsar 2023 ausgezeichnet.

Raffaele Sorrentino (60) absolvierte die Hotelfachschule Vico Equense in Sorrent und war Chefconcierge im »Grand Hotel Continental« in München sowie im »Hotel Adlon« in Berlin. 2009 machte er sich mit dem Concierge-Unternehmen RAS Service Group selbstständig. Mit der österreichischen Tochter GCS Grand Concierge Service betreut RAS rund 120 Objekte in Deutschland und Wien und wurde schon dreimal zum »Concierge des Jahres« gewählt.

Erschienen in:

Falstaff LIVING Nr. 07/2023

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