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Living Salongespräch: Die Lebenskunst der Gemütlichkeit

In den langen Wintermonaten ist die Sehnsucht nach Wärme, dem Knistern und Flackern im Ofen. Doch was ist bei der Planung und Anschaffung zu beachten? Und warum übt das offene Feuer eine so große Faszination auf uns aus? Darüber sprechen Architekt Christian Prasser, Ofenhändler Roland Wiltschnig und die Wiener Buchhändlerin Anna Jeller.

26.01.2024 - By Wojciech Czaja

LIVING: Haben Sie heuer schon einmal eingeheizt?

Roland Wiltschnig: Natürlich! Ich wohne im Wienerwald, bei uns ist es immer ein paar Grad kälter als in der Stadt, ohne Heizung überlebt man das nicht. In der Regel brennt der Kaminofen bei uns jeden Tag, den ganzen Winter hindurch.

Christian Prasser: Ich wohne in einem Dachboden mit Niedrigtemperatur-Heizsystem, dadurch müssen wir erst ab Dezember heizen. Wir haben auch einen Ofen, mit dem wir – quasi als Unterstützung – an besonders kalten Tagen einheizen.

Anna Jeller: Und ich habe einen Ölofen bei mir in der Buchhandlung in der -Margaretenstraße. Das ist eine hocheffiziente Maschine, mit der ich das Geschäft im -Winter jeweils für ein paar Stunden beheize. Supergemütlich!

Ich kenne Ihre Buchhandlung. Ich habe das immer für einen Holzofen gehalten.

Jeller: Pssst … meine Kundinnen und Kunden auch! Das ist ja das Schöne daran! Ich lasse die Kundschaft gerne in diesem romantischen Glauben.

Was bedeutet die Wärme aus dem Kaminofen für Sie?

Jeller: Die Wärme im Winter ist etwas Wunderschönes. Man sieht eine schöne Flamme im Glasfenster, und so verwandelt sich die Buchhandlung mit dem warmen Ofen an der Wand in einen irgendwie winterlichen, weihnachtlichen Ort. Zudem habe ich zu Hause ein ebenso winterlich anmutendes Schaffell herumliegen.

Wiltschnig: Was soll ich Ihnen sagen? Feuer ist meine Leidenschaft! Mit dem offenen Feuer fühle ich mich wohl und gemütlich geborgen. Im Kaminofen einheizen und das Holz

nachlegen – das ist für mich ein alltägliches, allabendliches Ritual. Dann sitzen wir auf der Couch und genießen das Knistern.

Prasser: Die Flamme strahlt ein sehr, sehr warmes Licht aus. Hinzu kommt die Strahlungswärme des Kamins, die wir als gemütlich und irgendwie archaisch und urtümlich wahrnehmen, weil wir sie im Gegensatz zu einer klassischen Heizung auf der Haut ­spüren – eine Faszination, der man sich kaum entziehen kann.

Frau Jeller, Sie betreiben Ihre Buchhandlung schon seit 1982. Wir kam es dazu, dass Sie einen Ölofen haben?

Jeller: Altbau, hohe Räume, Stuck an der Decke, riesige Auslagen auf die Straße, da braucht man einen wirklich starken Ofen, um gegen diese schöne, aber oft unwirtliche Situation anzukämpfen. Mein Vorgänger ­hatte schon einen Kohleofen drin stehen, aber nachdem er eines Tages vergessen hatte, das Türchen zu schließen, und es daraufhin zu einem Brand gekommen ist, musste das Geschäft renoviert und der Ofen ausgetauscht werden. Seit damals geht’s bei uns urgroßmütterlich gemütlich zu.

Wenn wir einen Blick in die Geschichte werfen: Seit wann wird denn zu Hause geheizt? Was können Sie uns über die Entstehungsgeschichte des Heizens sagen?

Prasser: Wie heißt es so schön: »Am Anfang war das Feuer.« Im Grunde hat das Einheizen mit der Sesshaftigkeit begonnen – und damit meine ich nicht nur das Bauen von gemauerten Häusern, sondern auch das ­Aufstellen von temporären Zelten und Textilbehausungen. Je nach Klimaregion gab es selbst bei Nomaden ein Feuer im Zentrum.
Die traditionellen Zelte hatten ein Loch in der Mitte, damit der Rauch entweichen kann.

Und wie war das später?

Prasser: In den gemauerten Häusern des Mittelalters merkt man, wie die Kochstelle immer mehr ins Zentrum des Hauses rückt und von dort aus das ganze Haus mitheizt. Grob kann man sagen: Je wohlhabender die Bewohner:innen waren, desto besser war die Heizinfrastruktur, desto besser hat sich die Wärme im ganzen Haus verteilt. Heute ist ein Haus ohne Heizung unvorstellbar – es sei denn, wir reden vom Passivhaus. Das ist ein dichtes, in sich abgeschlossenes System mit Niedrigenergiestandard, das eigentlich ohne Feuer auskommen soll.

Wiltschnig: Und dennoch passiert es immer öfter, dass auch Bewohner:innen von Passivhäusern sich einen Kaminofen wünschen.

Gibt es dafür eine technische Lösung?

Wiltschnig: Natürlich. Gerade in den ­letzten Jahren haben sich die Anbieter viel ­einfallen lassen und Varianten entwickelt, die mit möglichst kleinen Brennräumen, mit möglichst geringer Heizleistung und sogar ohne thermische Verluste über den Kamin auch in einem Passivhaus eingebaut werden können. Die Nachfrage nach diesen Systemen nimmt kontinuierlich zu.

Auch in der Musik und Literatur spielen das Heizen und das gemütliche Wohnen eine ­zentrale Rolle. Warum eigentlich?

Jeller: Den Menschen hat es immer schon zum Feuer und zur Wärme gezogen. Das ­Feuer – oder aber auch dessen Abwesenheit – liefert Stoff für Geschichten. In »La Bohème« bei Giacomo Puccini geht es um die kranke Mimi am kalten Dachboden in Paris. In Franz ­Schuberts »Winterreise« werden der kalte Winter und die Eiskristalle auf den Glasscheiben besungen. Und ich muss unweigerlich auch an »Oblomow« denken, an den land­adeligen Protagonisten in Iwan Gontscharows Buch, der eines Tages beschließt, sein Bett nicht mehr zu verlassen und von nun an in der warmen Geborgenheit seiner Bettdecke zu verbleiben.

Was wird denn in der Literatur häufiger ­thematisiert, das Heizen oder die Kälte als Abwesenheit der Wärme?

Jeller: Das ist schwer zu quantifizieren, und ich kenne auch keine Forschungsarbeiten dazu, aber ich würde sagen, auf jeden Fall die Kälte und das Frieren! Der Mangel und der Schmerz sind in der Literatur – und überhaupt in der Kunst – von jeher der größere Motor als das Wohlbehagen und der Überfluss.

Wiltschnig: Auch bei »Hänsel und Gretel« geht es ja um das Herumirren im Wald, um die Kälte und Dunkelheit, ehe die beiden das Knusperhäuschen der Hexe finden.

Jeller: Ein zutiefst brutale Geschichte! Eines der schlimmsten und grausamsten ­Märchen aller Zeiten. Ein Wahnsinn!

Und wie sieht es in der zeitgenössischen ­Literatur aus? Sind Wärme und Kälte da auch ein Thema?

Jeller: Schon auch! Grob kann man sagen, dass das Kaminfeuer in Krimis, in schwülstigen Familienromanen und auch in zeitge­nössischen Büchern über das Wohnen in der Platte – beispielsweise in der ehemaligen DDR – häufig thematisiert wird. 

Prasser: Wenn wir schon bei Sprache sind: Spannend finde ich, dass im Deutschen ja vor allem die Funktion beziehungsweise der Heizgegenstand thematisiert wird: Kaminfeuer. Im Englischen hingegen spricht man eher vom Feuer als Ort: »fireplace« oder »open fire«.

Wie erklären Sie sich das?

Prasser: Mit der Bedeutung des Feuers. Im deutschsprachigen Raum steht das Einheizen im Vordergrund, im angelsächsischen Raum hingegen die soziale Zusammenkunft der Menschen. Das zeigt sich nicht nur in der Sprache, sondern auch in der Architektur.

Inwiefern?

Prasser: In Frankreich, England und den USA findet man durchwegs offene Kamine – vor allem auch in historischen Villen und alten Bauernhäusern. Es reicht, wenn man sich die Settings von französischen, britischen oder amerikanischen Filmen anschaut. Das Feuer in einer Blockhütte in Colorado wird bis heute zelebriert.

Jeller: Mit Bärenfell, bitte schön!

Prasser: Genau! Und sogar der Santa Claus kommt in Amerika durch den offenen Kamin ins Haus. In Österreich jedoch wurde früher ganz anders geheizt, nämlich mit gemauerten Kachelöfen mitsamt Schornstein. Man hat das Feuer nicht gesehen, nur die Wärme gespürt.

Herr Wiltschnig, spiegelt sich diese Unterscheidung auch am Markt wider? Deckt sich diese Beobachtung mit dem Vertrieb von Kaminöfen?

Wiltschnig: Ich finde das sehr spannend, und ja, bis zu einem gewissen Grad deckt sich das auch mit meiner Beobachtung. Österreich ist in der Tat ein klassisches Kachelofenland, und je weiter man nach Norden kommt, desto größer ist der Anteil an Kaminöfen mit sichtbarem Feuer: Norddeutschland, Frankreich, Skandinavien. Und weil Sie, Herr Prasser, auch den französischen Bereich angesprochen haben: Frankreich ist in der Tat ein wichtiger Markt für Kaminöfen!

Winterliche Gemütlichkeit Im Feuerhaus in der Wiener Gumpendorfer Straße wurde bei Knistern und Flackern eifrig diskutiert: Anna Jeller, Inhaberin einer Buchhandlung in Wien-Wieden, Roland Wiltschnig, Geschäftsführer im Feuerhaus, und Architekt Christian Prasser, CP Architektur, v. l.

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Flamme und Feuer als Beruf Nicht nur im Geschäft, auch zu Hause heizt Roland Wiltschnig im Winter jeden Abend ein. Kaminöfen sind längst nicht nur zum Heizen nützlich, sondern auch für die Atmosphäre. feuerhaus.at

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Architektur eines Kaminofens Ein offener Kamin, sagt Architekt Christian Prasser, ist nicht nur eine Wärmequelle, sondern auch ein Sozialisationsort mit Mehrwert – mit einem Buch oder guter Gesellschaft und manchmal auch mit Romantik. cp-architektur.com

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Der Kamin zwischen den Zeilen Auch in der Kunst und Literatur, sagt Anna Jeller, sind Feuer, Wärme und offene Kamine immer wieder zu finden. Sie selbst liebt es, auf dem heißen Ofen ein Brot zu rösten. annajeller.at

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Und wie ist die Situation innerhalb ­Österreichs?

Wiltschnig Je weiter man in den Westen kommt, desto mehr befeuerte Küchenherde werden verkauft. Im Westen Österreichs halten sich die Verkaufszahlen von Kaminöfen und Küchenherden die Waage.

Jeller Küchenherde haben ja den ­Vorteil, dass man das Knoblauchbrot auf den heißen Ofen legen kann, um es knusprig zu ­rösten. Schmeckt köstlich und erinnert mich an meine eigene Kindheit. Bei einem schönen Designkamin, glaube ich, würde ich mich das nicht trauen.

Worauf ist denn in der Planung von Räumen, wenn man mit offenen Feuerstellen arbeitet, besonders zu achten?

Prasser Die grundsätzliche Entscheidung ist: Will ich mit dem Kaminofen heizen? Oder geht es mir vor allem um optische, behagliche Gründe? Zum Heizen empfehle ich, den Kamin möglichst in der Mitte des Hauses zu positionieren. Geht es vor allem um den visuellen Effekt, findet man immer häufiger, dass ein Kamin auch am Rande des Hauses eingebaut wird, oft sogar direkt vor der Glasfassade mit Blick ins Freie.

Jeller Ein Kaminofen vor der Glasfassade? Ist das überhaupt noch thermisch sinnvoll?

Prasser Nur punktuell. Da geht es vor allem um den visuellen Effekt und die punktuelle Behaglichkeit rund um den Ofen.

Und wie schaut es auf der Produktebene aus? Worauf ist da zu achten?

Wiltschnig Die allerwichtigste Frage ist: Wie groß ist der Schornstein? Und in welchem Zustand befindet er sich? In Altbauten ist es manchmal erforderlich, den Kamin zu sanieren, bevor man einen Kaminofen installiert. Im ­Neubau hingegen, der meist schon eine gut gedämmte und fast luftdichte Hülle aufweist, braucht es meist eine externe Frischluftzufuhr, damit es im Haus nicht zum Unterdruck kommt. Die zweitwichtigste Frage ist dann: Wie groß soll der Kaminofen sein?

Wo liegt das Spektrum?

Wiltschnig Die kleinsten Kaminöfen haben Platz für einen Holzscheit, weisen also eine ­Leistung von 2,5 bis 3,5 Kilowatt auf. Sie eigenen sich für kleine Räume oder als Zusatzofen, wenn es bereits ein primäres Heizsystem gibt. Die größten Kaminöfen, die wir im Sortiment haben, liegen bei etwa zehn Kilowatt. Damit kann man schon ein ganzes Haus heizen.

Oder eine alte Buchhandlung mit fünf Meter hohen Räumen?

Wiltschnig Für Sie, Frau Jeller, wird das eher schon zu viel sein. Sie würden mit einem mittelgroßen Kaminofen auskommen, bräuchten idealerweise aber ein oder zwei Ventilatoren an der Decke, damit die warme Luft wieder durchgewirbelt wird und in den unteren Teil des Raumes strömt.

Jeller Danke! Das bestärkt mich, denn das habe ich mir auch schon überlegt, aber ­stemmen Sie mal einen Ventilator in eine ­historische Stuckdecke aus Putz und Stroh! Hilfe! Ich glaube, davor habe ich ein bisschen zu viel Respekt.

Wie unterscheiden sich die Öfen in der ­Herstellung?

Wiltschnig Der Korpus ist aus Stahl oder Gusseisen. Je nach Geschmack kann der Ofen außen mit Keramikelementen verkleidet ­werden. Grundsätzlich gilt: je schwerer, desto besser die Speicherfähigkeit des Ofens. Ein Ofen, der 500 Kilogramm wiegt, speichert die Wärme wesentlich besser als ein ­Leichtgewicht mit 100 Kilo.

Mit welchen Anschaffungskosten muss man rechnen?

Wiltschnig: Die Öfen selbst kosten zwischen 2.500 und 7.000 Euro. Hinzu kommen Liefer-, Montage- und Anschlusskosten in der Höhe von rund 1.000 Euro.

Jeller: Das schreckt mich jetzt gar nicht so. Eine Investition, die Sinn macht, ist mir allemal lieber als die vielen Flachbildschirme mit Kaminfeuer-Dauerloop, die in manchen Bars oder Restaurants an der Wand hängen!

Prasser: Oh, wie schrecklich! Ein bissl ­teurer wird’s natürlich, wenn die Bau­herr:innen kein Standardprodukt kaufen, ­sondern sich einen in die Architektur ­integrierten Kamin­ofen wünschen. In diesem Fall muss man mit Kosten in der Höhe von 15.000 bis 20.000 Euro rechnen.

Zum Abschluss: Gibt es einen Moment ­winterlicher Gemütlichkeit, an den Sie sich besonders gern zurückerinnern?

Wiltschnig: Aus der Kälte draußen ­reinkommen nach zwei oder drei Stunden rodeln oder spazieren und dann im Ofen einheizen. Großartig!

Jeller: Ich bleibe dabei: Brot rösten am Ofen. Oder auch Orangen- und Mandarinen­schalen. Was für ein wunderbarer Duft!

Prasser: Ich bin da ganz kitschig und ­klischeehaft unterwegs: Feuer, ein gutes Buch oder eine feine Gesellschaft, dazu eine Tasse Tee oder ein Glas alter Whisky.

Die Gesprächs-partner:innen

Anna Jeller (63) absolvierte die HBLA. Seit 1979 arbeitete sie in der Buchhandlung in der Margaretenstraße 35, 1040 Wien, seit 1985 ist sie deren Inhaberin. Zudem hat sie mit der Edition Anna Jeller 2017 ihren eigenen Verlag gegründet. Seit Kurzem betreibt sie einen Podcast mit Buchtipps. Sie wurde mit dem »Wiedner Rosa«-Frauenpreis 2020 ausgezeichnet. annajeller.at

Roland Wiltschnig (52) absolvierte eine Lehre zum Einzelhandelskaufmann und machte eine Ausbildung zum Verkaufs-manager. Er arbeitete lange Zeit als Produktmanager im Sportartikelhandel. Seit 2001 ist er Gesellschafter im Feuerhaus, seit April 2023 ist er dessen Geschäftsführer. Das Feuerhaus betreibt zwei Geschäfte in Wien und Wr. Neudorf und ist auf Vertrieb, Verkauf und Planung von Kaminöfen spezialisiert. feuerhaus.at

Christian Prasser (54) machte eine Ausbildung zum Tischler und studierte Archi-tektur an der Universität für angewandte Kunst in Wien. 1999 gründete er sein Büro CP Architektur. Seit 2012 ist er Architekturprofessor an der NDU New Design University in St. Pölten. Zu seinen Projekten zählen u. a. das »Hotel Beletage«, der »Eis-Greissler« in Wien, das »Arthotel Blaue Gans« in Salzburg sowie das »Hotel Post« in Lech am Arlberg. cp-architektur.com

Erschienen in:

Falstaff LIVING 08/2023

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