(c) Kurt Hoerbst

Landidylle: Revitalisierte Höfe

Lange galten historische Bauernhöfe am Land als Überbleibsel vergangener Zeiten, nun werden sie behutsam in die Moderne geführt: ästhetisch, thermisch und mit allem Komfort ausgestattet. Revitalisierung ist ein lohnender Prozess, wie diese charmanten Beispiele aus Österreich eindrucksvoll zeigen.   

27.08.2024 - By Magdalena Meergraf

Titelbild: Durch die alten Scheunentore betritt man erst den Innenhof und gelangt dann in die neu gestalteten, modernen Wohnräume. Hier gibt es so viele charmante Ecken!

Als Sandra Gnigler den alten Hof in der kleinen Ortschaft Niederfraunleiten zum ersten Mal betrat, sprudelte im Vorraum noch eine Quelle aus dem aufgeweichten Boden. Die Architektin ließ sich davon nicht abschrecken. Gemeinsam mit dem jungen Ehepaar, das den leer stehenden Vierkanter von den Großeltern geerbt hatte, entwickelte sie einen umfassenden Revitalisierungsplan. Die Scheune und Teile des Holzschuppens sowie die ursprüngliche Dachform blieben erhalten, marode Gemäuer wurden abgetragen und zwei neue Wohntrakte eingefügt. Nun verbindet eine verglaste Wohnküche mit offener Dachkonstruktion den außen liegenden Obstgarten mit dem Innenhof. Links und rechts davon ermöglichen klassisch gemauerte Rückzugsbereiche weiterhin Intimsphäre. Ein gelungenes Beispiel für Revitalisierung, das so aber nicht überall umsetzbar wäre.

Revitalisierung fordert Mut

Was macht Revitalisierung unmöglich? »Ängstliche Bauherren«, antwortet Sandra Gnigler, ohne lange zu überlegen. »Beim Abtragen von Mauern und Bodenschichten können durchaus Überraschungen auftauchen, die Planänderungen erzwingen. Wir kalkulieren solche Eventualitäten zwar mit ein, aber man kann nicht alles schon im Vorhinein wissen.« Bausubstanz und Baustruktur müssen natürlich eine sinnvolle Basis bieten, um eine Revitalisierung anstelle eines Neubaus zu ermöglichen. »Das ist öfter der Fall, als man glaubt«, sagt Sandra Gnigler, die mit mia2 in Linz ein erfolgreiches Architekturbüro leitet: »Manchmal kommen Bauherren zu uns und rechnen mit einem Abriss. Sie denken gar nicht ans Sanieren. Wir schaffen erst Bewusstsein dafür.« Wirtschaftliche Parameter werden stets berücksichtigt. »Revitalisierung bedeutet nicht immer gleich teurer als Neubau. Es kommt darauf an, wie kompliziert eine Situation ist.« Staatliche Fördermodelle und Steuervorteile für die Renovierung historischer Gebäude können die finanzielle Belastung zusätzlich verringern.

Wohnen und arbeiten

Was es bedeutet, ein kompliziertes Umbauprojekt umzusetzen, hat der Unternehmer Franz Parzmair erfahren. Er lebt mit seiner Familie am Humergut in der Nähe von Schwanenstadt: ein 262 Jahre alter Vierkanthof. Heute fügen sich neben den privaten Wohnräumen auch eine moderne Destillerie samt Degustationsraum und ein Shop in die geschichtsträchtigen Mauern ein. Das Highlight ist sicherlich der Innenhof samt Kamin und modularer Überdachung. »Unser Wunsch an die F2 Architekten sah vor, dass kein zusätzliches Grün- oder Ackerland verbaut werden soll. Das war uns wichtig, weil eine Bodenversiegelung die landwirtschaftlichen Flächen für immer vernichtet«, schildert Parzmair. Die größte Herausforderung stellte die Integration ästhetisch ansprechender Architektur in den Altbestand dar, sodass dieser auch betrieblich sinnvoll genutzt werden kann – und alle gewerbebehördlichen Auflagen erfüllt. Franz Parzmair rät, sich von Anfang an professionell begleiten zu lassen. »Wir hatten glücklicherweise einen Freund an der Seite, der in der Bauplanung tätig ist. Bereits mit den ersten Skizzen haben wir die Bezirksbehörde zu einer Begehung eingeladen. Das hat uns böse Überraschungen erspart.« Ein lohnendes Projekt, denn mittlerweile hat sich die Destillerie Parzmair als beliebtes Ausflugsziel sowie als Eventlocation etabliert.

Mit viel Mut, einem tiefen Verständnis für Bausubstanz sowie einem feinen Sinn für zeitlose Ästhetik wurde dieser alte Vierkanthof, ein Familienerbstück, revitalisiert.

(c) Kurt Hoerbst

Dank Revitalisierung wurde ein alter Stadl zum einzigartigen Fotostudio samt Ausstellungsfläche. Glasdachziegel und offene Schiebeläden sorgen für natürliches Licht.

(c) Kurt Hoerbst

Studio am Heuboden

Beispiele wie diese zeugen vom großen Potenzial ländlicher Gebäude. Auch der Immobilienmarkt zeigt: Wird in Revitalisierung investiert, zieht das eine enorm hohe Nachfrage von all jenen an, die etwas Außergewöhnliches suchen. Für Sandra Gnigler trägt Revitalisierung außerdem zum Erhalt des sozialen Erbes bei. So etwa jener Heuboden in Rainbach im Mühlkreis, wo erst noch Heureste beseitigt werden mussten, ehe er zu einem Fotostudio umfunktioniert werden konnte. »Wir haben das Studio nach hinten verschoben und rundherum Öffnungen mit Schiebeläden eingeplant, sodass der wunderbare Stadl in voller Größe wirken kann.« Bewusst gesetzte Glasdachziegel lassen natürliches Licht einfallen. »Der Raum kann jetzt für Feste genutzt werden, auch die Kinder der Bauherren spielen gerne dort. Dadurch wird die Kommunikation mit den Nachbarn gestartet, die am Dorfplatz vor dem Stadl ihren Feierabend genießen.«

Das Hinterhaus

Während man in Oberösterreich auf Vierkanthöfe trifft, prägen in Vorarlberg die Einhöfe das architektonische Bild. An der bewohnten Vorderseite schließt traditionell direkt der Stall an. Architekt Simon Moosbrugger hat dem ehemaligen Stall eines 400 Jahre alten Bauernhauses in Hirschau neues Leben eingehaucht. »Es wurde schon damals erstaunlich gut gebaut: mit Massivholz aus der Gegend und Steinsockeln als konstruktiven Schutz.« Das ökologisch gedämmte und zum Teil raumhoch verglaste Hinterhaus ist nun zweigeschoßig, mit einer Pelletsheizung ausgestattet, außen mit Fichte und innen komplett mit gebürsteter Weißtanne verkleidet. Holz ist im ökonomischen und ökologischen Sinne ein idealer Baustoff. Der Gesamteindruck entsteht aber aus der Summe aller Materialien. Das baufällige Hinterhaus ist durch seine thermische sowie ästhetische Aufwertung zum schönen Wohn- und Arbeitsraum avanciert. Die Auftraggeber, ein junges Paar aus Wien, wollten es erst als Ferienhaus vermieten, sind schlussendlich doch selbst eingezogen. »Natürlich ist es einfacher, auf die grüne Wiese zu bauen. Denn bei altem Bestand weiß man anfangs oft nicht, ob die Substanz noch gut in Schuss ist und was hinter der Oberfläche zum Vorschein kommt. Da hilft nur eine Ortsbeschau mit Fachleuten verschiedenster Gewerke«, sagt Simon Moosbrugger: »Doch es lohnt sich, denn man schafft ein Zuhause, das einzigartig ist.«

Charmante Ecken

Schlussendlich werden revitalisierte Gebäude zu einem Zeugnis unverwechselbarer Identität. Architektin Sandra Gnigler: »Es gelingt selten, dass man in einem Neubau diese Vielzahl an charmanten Ecken wieder-her-stellen kann, wie man sie in einem Altbestand findet«.

Mit schönen Kontrasten überzeugt dieser traditionelle Einhof, dessen Hinterhaus durch schlichte und doch außergewöhnliche Umgestaltung neues Leben eingehaucht wurde.

(c) Simon Moosbrugger

Der Innenhof des Humergut als Herzstück: Hier lädt der Familienbetrieb seine Gäste zu Führungen, Verkostungen und Festen, trifft sich aber auch privat zum Abendessen.

(c) beigestellt

Erschienen in:

Falstaff RESIDENCES 01/2024

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