(c) Sumitomo Forestry & Nikken Sekkei

Holzbau XXL: Matador Records

Holz ist längst nicht mehr nur etwas fürs kleine, gemütliche Bauen, sondern hat sich auch als wichtiger Baustoff im Maßstab XXL etabliert. In den kommenden Jahren werden damit riesige Bürokomplexe, ziemlich hohe Hochhäuser und sogar abgrundtiefe U-Bahn-Stationen errichtet.

15.01.2024 - By Wojciech Czaja

Ein Kräutergarten, eine grüne Blumenwiese, eine räumliche Collage aus Obstbäumen in unterschiedlichster Blütenfolge, die ins Fachwerk hineingestellt wurden, als handle es sich dabei um kleine Bonsai-Miniaturen in einem hölzernen Bücherregal. Mit dem Unterschied, dass das Wohnzimmer in diesem Fall die Stadt Tokio ist und statt der Bücher moderne Büros mit Lounges, Schreibtischen und hochwichtigen Konferenztafeln ins Regal platziert wurden – mit Blick hinaus ins Freie, ins riesige Atrium, auf eine der Terrassen, die in die Fassade hineingeschnitten wurden und wo einem das Lüftchen um die Ohren pfeift, irgendwo hoch oben zwischen der 60. und der 70. Etage. Was heute noch Zukunftsmusik ist, wird sich in den nächsten 18 Jahren als überaus reale Gegenwart präsentieren, geht es nach dem japanischen Forstunternehmen -Sumitomo Forestry. Zu seinem 350-jährigen Jubiläum nämlich möchte sich das 1691 gegründete Holzimperium, das sich seit damals um die Bewirtschaftung der japanischen Waldflächen kümmert, mit einer neuen Unternehmens-zentrale belohnen. Im Tokioter Bezirk Marunouchi soll dafür ein 350 Meter hohes Holzhochhaus entstehen, das auf den Namen W350 hört – ein Höhenmeter für jedes bestehende Firmenjahr. Kolportierte Baukosten: 600 Milliarden Yen, rund 4,8 Milliarden Euro. Geplante Fertigstellung: 2041.

Holz ist integraler Kultur-Bestandteil

»Holz spielt in der japanischen Architektur seit geraumer Zeit eine unverzichtbare Rolle«, sagt Akira Ichikawa, Präsident der Sumitomo Forestry Co. Ltd. »Holzhäuser schaffen eine einzigartige Atmosphäre für den Menschen und eine angenehme Umgebung für Pflanzen und Organismen. Indem wir uns darauf -spezialisiert haben, die Materialforschung und die technologischen Entwicklungen und -Fertigungstechniken auf diesem Gebiet voranzutreiben, wollen wir Holz als zukunftsfähigen Baustoff vorantreiben – und so groß und so hoch bauen wie noch nie.« Laut OECD weist Japan – hinter Finnland – prozentuell den weltweit zweithöchsten Wald-anteil auf. 68,5 Prozent der japanischen Landfläche sind von Wald bedeckt. Rund ein Drittel davon wurde im Laufe der letzten Jahrzehnte und Jahrhunderte künstlich angelegt, wobei sich die Pflanzungen nach dem Zweiten Weltkrieg vor allem auf die beiden für die japanische Bauwirtschaft wichtigsten Baumarten konzentrieren, auf Zedern und Zypressen. »Dieses Holz ist nun in großen Mengen ausgewachsen und bereit zur Ernte«, so Ichikawa. »Mit dem Projekt W350 wollen wir ein Exempel statuieren.« Errichtet wird das 70-stöckige Mammutprojekt auf einer Grundfläche von 70 mal 70 Metern, wobei das Haus wie eine innen hohle Röhre, wie eine Art Cannellone, in den Himmel ragen wird. Der Innenhof dient nicht nur dem Lichteinfall, sondern auch der Erschließung in Form von Liften und -Treppenläufen. 90 Prozent des Wolkenkratzers werden in Massivholz errichtet: Säulen, Pfeiler, Balken, Decken, Böden, Wände, -Innenausbau. Ergänzt wird die Konstruktion von einem stählernen, außen liegenden Traggerüst, das dem Haus die nötige Elastizität und Erdbebensicherheit verleihen soll. »Ein Holzhaus mit 350 Metern Höhe klingt zunächst einmal ziemlich utopisch«, sagt Architekt Tadao Kamei, Vorstandsvorsitzender von Nikken Sekkei. »Aber tatsächlich könnten wir mit dem Bau, wenn der Auftraggeber nicht erst bis 2041 warten wollen würde, schon heute beginnen. Das Know-how ist bereits da.« Mit 2.600 Mitarbeitenden zählt das im Jahr 1900 gegründete Unternehmen zu den größten und ältesten Architekturbüros der Welt. In seiner Geschichte realisierte Nikken Sekkei, das heute Dependancen in Asien, Europa und im Nahen Osten betreibt, bereits mehr als 25.000 Bauwerke. Und Nikken Sekkei ist bei Weitem nicht das einzige Architekturbüro, das im Bereich Holzbau experimentiert und sich an innovative Konzepte und Konstruktionen heranwagt.

Mit Holzbau nachhaltig bauen

Gerade in Zeiten dringlichen Klimaschutzes, knapper werdender Rohstoffressourcen und eines immer wichtigeren Commitments im Sinne von Environmental, Social, Governance (ESG) sowie der 2022 in Kraft getretenen EU-Taxonomie ist ein neuer Holzbau XXL, der sich über die bisherigen geometrischen und konstruktiven Grenzen hinauswagt, ein wichtiger, unverzichtbarer Beitrag. Da kann es auch schon mal passieren, dass der Baustoff in die Tiefe befördert wird und im Fall der Stadt Kopenhagen – zur Stützung einer unterirdischen U-Bahn-Station genutzt wird. Derzeit ist das 2019 fertiggestellte HoHo in der Wiener Seestadt Aspern das höchste Holzhochhaus der Welt. Aber schon bald wird es abgelöst, und zwar von einem 113 Meter hohen, 32-geschoßigen Timber-Büroturm, den die UBM Development AG mit dem Pariser Architekten Dominique Perrault ­errichtet. Der Flächenwidmungsplan befindet sich in Ausarbeitung. Angestrebt wird eine Zertifizierung in LEED Gold. Bei Fertigstellung Ende 2026 wird der Timber Marina Tower den Rekord übernehmen und das – vorerst – höchste Holzhaus der Welt sein.

Timber Peak, Mainz Im ehemaligen Zollhafen Mainz errichtet die UBM mit Sacker Architekten ein Holz-Hybrid-Projekt mit 8.500 Quadratmetern Mietfläche. Die Decken des zwölfgeschoßigen Gebäudes werden mit sichtbarer Holzunterseite ausgeführt. Insgesamt kommen 1.200 Kubikmeter Holz zum Einsatz. Baubeginn war im Sommer, geplante Fertigstellung: Frühjahr 2025. sacker.de, ubm-development.com, timber-peak.de

(c) Sacker Architekten

T3 Bayside, Toronto Im aufstrebenden Quartier Bayside, direkt am Ontariosee gelegen, soll das größte und höchste Holzbürogebäude Nordamerikas entstehen. Der von 3XN geplante Komplex ist 42 Meter hoch und birgt jede Menge konstruktiv schöner Holzhallen, die an Matador für Erwachsene erinnern. Abgestufte Dachterrassen schaffen wertvolle Freiräume für die Angestellten. 3xn.dk

(c) R. Hjorthoj

Atlassian Timber Tower, Sydney Die New Yorker SHoP Architects, die im Hochhausbau schon eine jahrelange Expertise haben, planen in Kooperation mit BVN Architecture und Eckersley O’Callaghan Engineers diesen 39-stöckigen Hybrid-Holzturm mit einem Exoskelett aus Stahl. Teil des Konzepts sind offene Gartenflächen, die auch als grüne Lunge und mechanische Kühlung fungieren. shoparc.com, bvn.com.au, eocengineers.com

(c) SHoP

LeopoldQuartier, Wien Nicht nur ein einziges Holzgebäude, sondern gleich ein ganzes Wohn- und Büroviertel in Holzbauweise errichtet die UBM Development AG im zweiten Wiener Gemeindebezirk. Das von HNP Architects geplante Projekt am Donaukanal soll bei Fertigstellung das erste zertifizierte Carbon-Net-Zero-Quartier Österreichs werden. hnp-architects.com, ubm-development.com, leopoldquartier.at

(c) Squarebites

Metro Kopenhagen Mit Holz kann man nicht nur in die Höhe, sondern auch in die Tiefe bauen, das beweist das -Kopenhagener Verkehrsunternehmen Metroselskabet. Als Sieger aus einem Ideenwettbewerb ging das dänische Büro JAJA Architects hervor – und zwar mit einer U-Bahn-Station in konstruktivem Holzbau. In den kommenden Jahren soll die Utopie Wirklichkeit werden. jaja.archi, m.dk

(c) JAJA Architects

Erschienen in:

Falstaff RESIDENCES Nr. 02/2023

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