(c) Alessi

Design Icons unter 100 EUR: Pulcina von Alessi

Mit dem Mokkamacher »Pulcina« wurde das Erscheinungsbild von Kaffeekochern radikal verändert. Zudem macht sie auch noch besseren Kaffee. Ein guter Grund, der Kanne genauer auf den Schnabel zu schauen.

02.07.2024 - By Manfred Gram

Es gibt Gegenstände, die in ihrer Formgebung tief im kollektiven Gedächtnis verankert sind. Die achteckige Mokkakanne von Alfonso Bialetti, bekannt unter dem Namen »Moka Express«, etwa. Die ikonische Form dieses kleinen Espressoreaktors wurde derart oft kopiert, dass es eigentlich an Frevelei grenzt, wenn man sich daransetzt, die ganze Angelegenheit neu zu denken. Ein aber witziges Designparadoxon und Wagnis zugleich. Und genau deswegen ein Fall für Memphis-Legende und Design-Haudegen Michele De Lucchi. »Pulcina« heißt sein Espressokocher, an dem er mehr als 15 Jahre lang in enger Abstimmung mit dem italienischen Kaffeekonzern Illy und im Auftrag von Alessi tüftelte. Und was soll man dazu noch groß sagen? Man sieht ohnehin auf den ersten Blick, dass man es hier mit einem herausragenden und unverwechselbaren Stück Design zu tun hat. Einem, das mit verspieltem Übermut lustvoll in Richtung skulpturale Gestaltung abbiegt.

Debüt in London

Und auch noch Witz mitbringt. »Pulcina« ist das italienische Wort für Küken, und es braucht nicht viel Fantasie, um in der Silhouette der Kanne mit ihrem Henkel und ihrem Schnabelausguss ein kleines Pipihendl zu erkennen. Möchte man meinen. Denn als die »Pulcina« 2015 bei der London Design Week vorgestellt wurde, gab De Lucchi, der alte Anarcho, zu Protokoll: »Der Name bezieht sich auf die Form des Innenraums. Also den Teil, der nicht sichtbar ist.« Vielleicht eine Finte des Designgenies. Jedenfalls lenkt es die Aufmerksamkeit auf das Innenleben der Herdkanne. Denn hinter den horizontalen Aluminiumringen, die das abgestufte und einprägsame Profil der »Pulcina« bilden, stecken zwei miteinander verbundene Kugeln.

Design ist Feinarbeit

Zu Recht fragt man sich, warum denn die Tüftelei daran 15 Jahre gedauert hat. Aber es dauert eben seine Zeit, bis Thermodynamiken, die beim Kaffeebrühen entstehen, genau analysiert sind und die perfekte Form des Kessels, also des unteren Teils der Mokkakanne, in dem das Wasser kocht, ermittelt ist. Das Resultat der Studien: Die »Pulcina« liefert Kaffee ohne verbrannten, bitteren Nachgeschmack, wie man ihn vielleicht von anderen Mokkakannen kennt. Die Forschung hat sich also ausgezahlt und eine weitere Erkenntnis gebracht. Wenn man die Formensprache bei Alltagsgegenständen schon komplett auf den Kopf stellt, ist es ratsam, auch gleich innovative Verbesserungen mitzuliefern, sonst hat man nichts weiter als eine unbrauchbare Küchenskulptur im Regal stehen.

Gesehen bei:
connox.at, kulina.at

Michele de Lucchi (73), visionärer Architekt und Designer, war u. a. Mitbegründer der radikalen Designbewegung Memphis. Designs wie seine ikonische »Tolomeo«-Lampe haben Kultstatus erreicht und beeinflussen Generationen von Designer:innen. Einer seiner wich-tigsten Zugänge beim Gestalten ist es, Objekten nicht nur praktischen -Nutzen, sondern auch inneren Wert zu verleihen. Das sorgt für Relevanz und Spannung. micheledelucchi.it

(c) Alessi

Erschienen in:

Falstaff LIVING 03/2024

Für den LIVING Newsletter anmelden

* Mit Stern gekennzeichnete Felder sind Pflichtfelder.
Anrede

Lifestyle & Genuss – das sind die zentrale Themen der Falstaff-Magazine. Nun stellen wir das perfekte Surrounding dafür in den Mittelpunkt. Das Ambiente beeinflusst unsere Sinneseindrücke – darum präsentiert Falstaff LIVING Wohnkultur und Immobilien für Genießer!

JETZT NEU LIVING 24/04