(c) Werkstätte Carl Auböck

Carl Auböck IV. : »Jede Materie ist beseelt«

Die handgefertigten Erzeugnisse aus Messing, Holz, Horn, Leder und Naturfasern aus der Werkstätte Carl Auböck prägen das österreichische Design seit vier Generationen. Das MAK widmet der ikonischen Manufaktur heuer eine Ausstellung. Carl Auböck IV. im LIVING-Interview über die Werkstätte, den Begriff Design und darüber, warum Fuß und Hand zu Objekten wurden. 

24.07.2024 - By Florentina Welley

Titelbild: Carl Auböck IV.: Typische Auböck-Produkte zeigen den autochthonen Witz der Werkstätte und haben im wahrsten Sinne Hand und Fuß. carlauboeck.at

Am Wiener Brillantengrund, wo einst Lusterglassteine zu »Brillanten« geschliffen wurden, liegt in der Bernardgasse ein anderes Juwel seit 110 Jahren an gleicher Adresse. Die Werkstätte Carl Auböck wird bis heute als Familienbetrieb in fünfter Generation geführt. Auböck-Objekte sind weltweit begehrte Sammelstücke, finden sich in internationalen Museen wie im Museum of Modern Art, New York, und im Victoria and Albert Museum, London. Und manchmal regen die schön geformten Alltagsobjekte sogar Nobelpreisträger:innen zu Texten an. Wie Elfriede Jelinek. In ihrem collagenhaften Text »Lampen am Stiel« übersetzte die Schriftstellerin die Bambusleuchten von Carl II. und III. in Sprache, nachdem sie welche erstanden hatte. Heute ist die Werkstätte, der das MAK seit Mai die Ausstellung »ICONIC AUBÖCK« (LIVING berichtete) widmet, in ihrer Produktion auf Mittelserien spezialisiert und stellt Alltagsobjekte her, die zu humorvollen Gesten bewegen. Wir trafen Carl Auböck, den IV., 70, zum Interview.

LIVING Herr Auböck, Ihre Werkstätte steht im Mittelpunkt einer Ausstellung über Handwerk. Was macht sie so besonders?

CARL AUBÖCK Dass wir bis heute ein Familien-betrieb sind, der ständig mit der Entwicklung von neuen Produkten beschäftigt ist, kaufmännisch wie kreativ.

Wie hat sich seit der Gründung der Werkstätte durch Ihren Urgroßvater Design verändert?

Die erste Generation war noch dem Publikumsgeschmack der Wiener Bronzen verhaftet. Die zweite Generation begann mit der Produktion von Kollektionierungen. Die dritte und die vierte Generation versuchten, und das ist bis heute so, am Designmarkt zu agieren, statt auf Trends zu reagieren. Unsere Werkstätte ergriff damals als Gegenmaßnahme zu Plagiaten eine Design-offensive, der wir die serienreifen Produkte und Spin-off-Modelle in unserem Archiv verdanken.

Sie meinten einmal, dass Sie den Designgrundsatz »Form follows function« in »Form follows spirit« umwandelten. Ist das das Geheimnis Ihres Erfolgs?

Der Begriff »Form follows function« kommt aus der Moderne vor 1900 in den USA und wurde vom Architekten Louis Sullivan als Abgesang einer Beaux-Arts-Gestaltung geprägt. Die Werkstätte war seit Carl II. vom Bauhaus Weimar geprägt, daher erweiterten wir den Formgedanken in Richtung spiritueller Qualität, was den Benutzer:innen mehr als nur Funktionalität bringen sollte. Ohne esoterisch sein zu wollen, sind wir der Ansicht, dass jede Materie »beseelt« ist. 

Less is more: Der Leitspruch ist zwar von Mies van der Rohe, aber der Gedanke ist bei Carl Auböck IV. immer stark präsent. Details können die Idee in Unübersichtlichkeit zergliedern.

(c) Nadine Poncioni

Viele Objekte von Carl II. kommen wieder in Mode und werden in Zusammenhang mit den Surrealisten genannt, wie Hand und Fuß. Wie sehen Sie das?

Aus Mangel heraus entstanden in der Geschichte der Kunst bemerkenswerte und notwendige Werke, wie etwa unser Baumtisch. Die Tischplatte, ein Baumstammabschnitt, war zur Verwertung als Brenn­material bestimmt. Was heute oft als surreal gilt, sind Produkte, die einen Witz, eine Verfremdung, eine nicht gleich erkennbare Funktion besitzen. Hand und Fuß haben seit der ägyptischen Plastik eine inspirierende Wirkung auf bildende Künstler:innen. 

Sie sind ein Verfechter von Qualität im Handwerk, fügen Ihren Objekten aber Spirit hinzu. Wie kommt es zu Designer:innen-Kooperationen wie etwa mit Petar Petrov?

Uns verbindet eine jahrelange sehr gute Zu­s­ammenarbeit. Die Nutzung unserer Messinghand als Schließe für eine Handtasche war seine Idee. Jetzt arbeiten wir für das Modelabel Lemaire, Paris, für exklusive Produkte. Ähnlich jenen, die ich in den 1980er-Jahren für Hèrmes und Tiffany entworfen habe.

Sind kostbare, handgefertigte Home-Accessoires nach wie vor gefragt?

Ich glaube, alles, was beseelt ist und zu uns spricht, ist gefragt. Wir müssen bei unseren Entscheidungen zu produzieren, verantwortungsvoll mit Ressourcen umgehen. Holzschalen zum Beispiel müssen auf dem globalen Markt eine besondere Qualität haben. Heute muss ein Produkt viel erzählen können. Und alles, was uns berührt, darf auch gesammelt werden.

In Ihrer Metallwerkstätte wird nach wie vor der »Optimist« aus Messing hergestellt. Sehen Sie die Zukunft eher opti- oder pessimistisch?

(Lacht.) Die Zukunft liegt in unserer Hand – natürlich muss sie positiv sein!

Was würden Sie noch gerne entwerfen?

Ich möchte nicht unbescheiden sein, aber es ist alles, was da ist und was entsteht. Wie etwa Bestecke, die wir zwar entworfen, aber nie selbst produziert haben. Erst mein Sohn Carl V. hat begonnen, handgefertigte Bestecke herzustellen. Das ist ein zukunftsorientierter Ansatz, ein Zeichen des kreativen Widerstands gegen die Massenproduktion von überaus wichtigen Werkzeugen, die wir täglich verwenden.

Die Ausstellung: »ICONIC AUBÖCK. Eine Werkstätte formt den österreichischen Designbegriff« ist bis 6. 1. 2025 im MAK zu sehen. mak.at/iconicauboeck

(c) Nadine Poncioni

Designer-Kooperationen: Für Michael Anastassiades, der nur eine mündliche Erklärung einer Pfeffer- und einer Handkaffeemühle abgab, setzte die Werkstätte den Auftrag mit ingenieurmäßiger Präzision um.

(c) Nadine Poncioni

Erschienen in:

Falstaff LIVING 05/2024

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