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Brüssels Kunst und Architektur: Alle top Tipps für ein Wochenende

Diese Stadt bietet viel mehr als Eurokraten, Nebel und Bier: Brüssel ist hart und zart zugleich, feudal, floral und frech, mit surrealen Überraschungen en masse. Der ideale Ort für eine aufregende Reise durch die zeitgenössische Kunst.

05.06.2024 - By Maik Novotny

Titelbild: Brüssel ist Business-, Politik- und Kulturmetropole.

Die unsterbliche Finesse der flämischen Meister. Die blumige Opulenz des Art nouveau. Der plakative Surrealismus von René Magritte. Die Assoziationen, wenn die Begriffe Belgien und Kunst in eine Schnittmenge gebracht werden wollen, sind reichlich. Doch wenn es um die Hauptstadt Brüssel geht, ist die Sache nicht ganz so einfach. In dieser rauen Metropole, die sich nicht so pittoresk präsentiert wie Brügge oder Gent, meldet sich die Gegenwart laut, deutlich und vielstimmig zu Wort. Sie meldet sich von oben, wo die EU-Institutionen, die Parlamentarier:innen und Lobbyist:innen die Geschicke bestimmen, sie meldet sich von unten in Stadtvierteln wie den Marolles und ihrer Realität globaler und heimischer Mischungen. Wo Belgien ansonsten administrativ sauber zwischen Flamen und Wallonen geteilt ist, überlagert sich in Brüssel die zweisprachige Schnittmenge. Es ist eine Stadt voller Gegensätze und Spannungen, voller ungewohnter Nachbarschaften und ästhetischer Kollisionen. Es sollte nicht über-raschen, dass genau das einen idealen Nährboden für zeitgenössische Kunst bietet. Also: auf in ein Wochenende voller Überraschungen! Und keine Angst, zur besseren Übersichtlichkeit haben wir es thematisch ordentlich aufgeteilt.

 

Alles in Bewegung: Eine Performance in der Halle des Bozar.

(c) Marin Driguez

FREITAG

Eine gemalte Pfeife mit dem Schriftzug »Ceci n’est pas une pipe«: René Magritte ist nicht nur Belgiens berühmtester Surrealist, seine Werke sind praktisch die Definition des Surrealismus an sich. Kein Wunder also, dass das stolze Brüssel ihm einen Raum mitten in der Stadt als Museum freigeräumt hat. Das kaum übersehbare Musée Magritte beherbergt 230 Gemälde, Zeichnungen, Poster, Fotografien und Filme. War das Museum anfangs nur ein Magritte-Raum in den Königlichen Museen der Schönen Künste, hat es sich dank des enormen Besucher:innenandrangs seit 2009 ein eigenes Haus erobert.

SECHS MUSEEN IN EINEM

Das heißt nicht, dass die Königlichen Museen der Schönen Künste seither an Malereimangel leiden muss. Im Gegenteil: Neben Magritte umfasst es noch fünf andere Museen: Fin de Siècle, Alte Meister, Moderne, Meunier und Wiertz. Genug also für ein ganzes Wochenende. Die alten Meister sind natürlich Pflichtprogramm, aber wenn wir uns heute etwas aussuchen dürfen, dann am besten das Museum für zeitgenössische Kunst, denn dieses ist derzeit wegen Umbau nur für ­Sonderausstellungen geöffnet – hier heißt es, den richtigen Zeitpunkt zu wählen. Tägliches Gegenwartsprogramm bietet das Bozar, das – Wortspielalarm! – im monumen­talen Palais des Beaux-Arts aus dem Jahr 1929 zu Hause ist und zu den meistbesuchten Kultur­destinationen Brüssels gehört. Musik, Performance und Theater füllen die reichlich vorhandenen Kubikmeter, und das Ausstellungsprogramm für bildende Kunst gehört dank Kuratoren wie Christophe Slagmuylder und Zoë Gray (>>hier geht's zum Interview) zu den spannendsten des Landes – 2024 obendrein mit
großem Surrealismus-Schwerpunkt.

Musée Magritte
Dauerausstellung »René Magritte«
musee-magritte-museum.be

Royal Museums of Fine Arts of Belgium
»IMAGINE! – 100 Years of International Surrealism«

21. 2. bis 21. 7. 2024
fine-arts-museum.be

Bozar Centre of Fine Arts
»
Histoire de ne pas rire«

21. 2. bis 16. 6. 2024
bozar.be

Dies ist kein Apfel: Das Musée Magritte bei seiner Wiedereröffnung.

(c) Shutterstock

SAMSTAG

Wer gestern gut aufgepasst hat, wird schon im Bozar Spuren des Architekten Victor Horta entdeckt haben. Dieser wurde Anfang des 20. Jahrhunderts zur Leitfigur des belgischen Jugendstils. Die zarte Eleganz, mit der er filigranes Glas, Holz und Eisen zum Schwingen brachte, entlockt auch heute noch neidvolles Staunen. Sein 1901 in Saint-Gilles errichtetes eigenes Haus ist heute ein Museum und gilt als ein Hauptwerk – ein florales Fest pflanzlicher Ornamentik und dazu komplett erhalten. Neben dem Haus selbst sind hier auch Wechselausstellungen zu sehen.

BUNTGLAS-PSYCHEDELIK

Nur samstags zu besichtigen ist ein weiteres Wunderwerk Hortas, das »Hotel Solvay«, welches sich noch in Privatbesitz befindet. Gleichzeitig mit dem Musée Horta entstanden, durfte der Architekt hier mit unbegrenztem Budget in die Vollen greifen. Das schwindel­erregend psychedelische Stiegenhaus mit seiner schmetterlingshaften Buntglasdecke und seinem Wandgemälde muss man gesehen haben, um zu glauben, dass es wirklich existiert. Kurz verschnaufen, bevor es weitergeht: ­Eines der ersten Werke Hortas ist die Maison Autrique von 1893. Diese erfuhr seitdem einige Umbauten und Änderungen, doch gerade das macht sie so besonders, denn hier haben die legendären belgischen Graphic-Novel-Künstler François Schuiten und Benoît Peeters, die sich in ihren Werken aus dem Bilder-Arsenal des Art nouveau bedienen, eine Szenografie ­entwickelt, die auch Originalzeichnungen von ­François Schuiten umfasst. Wessen Neugier auf Comics hier geweckt ist, der darf dann noch ins Comic-Museum – ebenfalls in einem Bau von Victor Horta.

Horta Museum
hortamuseum.be

Hôtel Solvay
hotelsolvay.be

Maison Autrique
»Folon Insolite«
20. 3. bis 29. 9. 2024
autrique.be

Behagliches Zuhause: Art-nouveau-Wohnraum in der Maison Autrique.

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Stattliches Stadthaus: Straßenansicht des »Hôtel Solvay«.

(c) Shutterstock

Durch die Decke gehen: Jugendstilpracht ohne -Grenzen im »Hôtel Solvay«.

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Schöne Schlingpflanzen: Florale Ausschweifungen im Musée Horta.

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SONNTAG

Nach diesem floralen Samstag ist Zeit für ein Kontrastprogramm: Wir sind heute auf den Spuren des rauen Brüssels, in dem sich Kunst und Kultur auch an ungewohnten Orten aufstöbern lassen. Ungewohnt am KBR museum ist zum Beispiel, dass es eigentlich kein Museum ist, sondern eine Bücherei. Die königlich-wissenschaftliche Bibliothek KBR hat sich 2020 kulturell ­erweitert und zeigt in ihrem Museum ­neben Schätzen aus dem 15. Jahrhundert auch moderne Kunst – dieses Jahr steht ­dabei ganz im Zeichen des legendären ­Malers James Ensor aus Ostende und seines Bezugs zu Brüssel.

KUGELN UND PLASTIK

Die ikonischen Kugeln des Atomiums und ihre Space-Age-Träume schimmern noch heute weit übers flämische Flachland. Sie weisen uns auch den Weg zum Design Museum Brussels, das ursprünglich sogar nach dem Atomium benannt war (Art and Design Atomium ­Museum). Die Umbenennung mag man bedauern, aber das tut der Freude am Design ­keinen Abbruch, vor allem die Dauerausstellung über Kunststoff­möbel ist hier sehenswert. Auch wenn diese ebenfalls umbenannt wurde, und zwar von Plasticarium in Plastic Design Collection. Versteh eine:r die Belgier:innen! Zum Abschluss ein Monument der Gegenwartskunst. WIELEMANS CEUPPENS steht in großen Lettern auf dem wuchtigen Art-déco-Betongebäude, das früher eine Brauerei beherbergte und seit 2007 das WIELS. Jenes ist, wie es in einer Gruppenausstellung einmal betont wurde, kein Kunstmuseum, sondern ein Kultur-Hub, aber lassen Sie sich nicht täuschen: Hier sind Sie genau richtig, wenn Sie Kunst ­suchen, denn neben dem Bozar ist das WIELS die Adresse für heutige Avantgarde der ­Europaliga. Mindestens!

KBR Museum
»
James Ensor. Inspired by Brussels«

22. 2. bis 2. 6. 2024
kbr.be

Design Museum
»
Résonances«, bis 14. 4. 2024

designmuseum.brussels

WIELS
»Oscar Murillo: Masses«, bis 28. 4. 2024
wiels.org

Kunst und Wissen: Das KBR – Bibliothek und Museum in einem.

Einladend: Das Design Museum im Heysel-Park unweit des Atomiums.

(c) beigestellt

Erschienen in:

Falstaff LIVING 02/2024

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