© David Traxel

3 Gänge für 99 Euro: »Votum« über Monate ausgebucht

Jubiläum
Sterne
Niedersachsen

Einmalig ist nicht nur die Lage des hannoverschen 2-Sterne-Restaurants »Votum« unter dem Niedersächsischen Landtag, sondern auch sein Sommerangebot: Ein 3-Gang-Menü für 99 Euro – oder besser gesagt, ein Schnäppchen mit 13 Häppchen.

Man hört es selten dieser Tage, aber das Zweisterne-Restaurant »Votum« in Hannover ist über die nächsten Monate ausgebucht, kein Platz mehr zu bekommen. Grund ist ein Jubiläumsangebot, das es in sich hat. Drei Jahre gibt es nun das Restaurant, das sich direkt unter dem Niedersächsischen Landtag befindet, weswegen Betreiber Johannes Lühmann und Küchenchef Benjamin Gallein über drei Monate ein 3-Gang-Menü für 99 Euro anbieten. Das Angebot war gedacht, um die erfahrungsgemäß etwas ruhigeren Sommermonate zu überbrücken. Auch deswegen war dieser Zulauf nicht zu erwarten gewesen. Kaum gelauncht, war das Lokal für den gesamten Zeitraum voll ausreserviert: »Es sind zu 90 Prozent neue Gäste«, sagt Benjamin Gallein.

Zeigt sich hier eine Strategie, um der schwächelnden Nachfrage in manchen Gourmetrestaurants zu begegnen? Das »Votum« scheint jedenfalls das Paradebeispiel zu sein, dass die Menschen nicht der Gourmetküche überdrüssig sind, sondern den Menüzwängen mit sechs, sieben oder mehr Gängen zu Preisen um die 200 Euro. Rechnet man die Weinbegleitungen ein, sind 300 Euro pro Person (auch in Einsterne-Restaurants) eher die Regel geworden, nicht mehr die Ausnahme. Von München und Freiburg bis Berlin und Hamburg versuchen deswegen Restaurants mit niederschwelligen Angeboten die Leute zu locken, sei es Mittagskarte, À-la-carte-Angebote oder eben kleinere Menüs mit der Option zusätzliche Gänge hinzuzuaddieren.

Eigenwillige Sicht auf Geschmack

Gerade letzteres wird gerne in Anspruch genommen, was zeigt, dass sich viele Gäste vielleicht nur nicht im Vorfeld zu großen Menüs verpflichten möchten – so einen Abend entspannt auf sich zukommen lassen, wäre ja auch ein nachvollziehbarer Wunsch. Und natürlich gibt es Gäste, die auch im »Votum« nur das kleine Menü essen und dazu Wasser trinken. Viele entscheiden sich aber auch für eine kleine Weinreise, fügen noch einen Signature Dish hinzu. Im »Votum« gibt es etwa einen Atlantik-Hummerschwanz mit Krustentier-Hollandaise für 49 Euro, Calzone mit Kaviar für 59 Euro oder eine »Hommage an Paul Bocuse«, eine Consommé mit Gänseleber und Périgord-Trüffeln für 65 Euro, die natürlich mit der klassischen Blätterteighaube serviert wird.

Mit Rausverkauf hat dieses günstige Einsteigermodell in die Welt der Gourmandise also nichts zu tun. Zumal im »Votum« auch beim 3-Gang-Menü eher geklotzt und nicht gekleckert wird: Vier Häppchen werden vorweg serviert, es gibt zweierlei Brot, ein Vordessert und drei Petit fours hintendrein. Diese großzügige Bandbreite an kulinarischen Eindrücken, bietet nicht nur einen Einblick in eine Küche auf diesem Niveau, es gibt auch Gallein die Möglichkeit seinen Küchenstil und seine oft eigenwillige Sicht auf Geschmack zu präsentieren. Seine Gerichte sind gerne ein sinnlicher Gesamtausdruck an Aromen und Texturen. Manchmal bekommen bei ihm Luxuswaren wie Hummer, Trüffeln, Kaviar und Co. eine Hauptrolle zugewiesen, manchmal aber auch nur eine Nebenrolle im Gericht zugeteilt.

Prinzip der Doppelbelegung?

Da braucht es schlicht mehr Eindrücke als drei Gänge mit Amuse und Kecks, um die Denkweise des Kochs zu verstehen. Gallein paart klassisches Handwerk mit verwegenen Ideen. Man kann vielleicht sagen, dass stilistisch seine Stationen bei Silvio Nickol oder Peter Maria Schnurr miteinander verschmolzen sind. Wobei im Gegensatz zu Enfant terrible Schnurr, der in seinem Leipziger »Falco« manchmal den Effekt über die Kreation stellte, Gallein mehr bei sich und seinen Gästen zu sein scheint. Nichts macht er ohne Grund, wenn er etwa Spargel räuchert, um der Süße mehr Kontur zu verleihen oder gehaltvoller Gänseleber mit den herben Bitternoten und der frischen Säure von Rhabarber oder Basilikum begegnet, ja sogar Blutwurst und Rauchaal bekommt Gallein ganz unprovokativ vermählt.

13 Häppchen und Gänge kommen so für 99 Euro zusammen, dazu zweierlei Gebäck mit Aufstrichen. Das Angebot hat es also in sich. Nach dem erfolgreichen Start wird im »Votum« bereits über eine Fortsetzung nachgedacht, angeboten vielleicht sogar an zwei Tagen nach dem Prinzip der Doppelbelegung? Was in anderen Ländern längst gang und gäbe ist, ist in Deutschland, Österreich und der Schweiz zwar noch Neuland – aber warum in Hochzeiten die Plätze nicht doppelt belegen? Auch solche Angebote müssen sich am Ende des Jahres für den Betrieb rechnen.


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Hannes Finkbeiner
Autor
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