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Long Weekend Tel Aviv & Jerusalem

Nicht einmal 70 Kilometer liegen zwischen Jerusalem und Tel Aviv, dennoch trennen diese Städte Welten. Die eine ist spirituelles Zentrum gleich dreier Weltreligionen und Sehnsuchtsort für Millionen Pilger. Die andere ist eine Hochburg der Lebenslust, die Hedonismus und Freizügigkeit feiert.

Freitag

Das Wochenende beginnt in Israel am Freitag. Doch während es andere Landesteile ruhiger angehen, dreht Tel Aviv so richtig auf.

Israels wirtschaftliches und gesellschaftliches Zentrum, Tel Aviv, lebt wie das gesamte Land von seiner Gegensätzlichkeit. Unter den Großstädten der Welt ist Tel Aviv eine der jüngsten und ältesten zugleich. Ein Widerspruch, der schon in ihrer Entstehungsgeschichte begründet liegt. 1950 verschmolzen die jahrtausendealte arabische Hafenstadt Jaffa und das erst 1909 von jüdischen Siedlern gegründete Tel Aviv zu Tel Aviv-Jaffa, wie die Doppelstadt heute offiziell heißt. Ihr historischer Teil mit seinem orientalischen Flair wurde in den letzten Jahren aufwendig saniert. Jetzt reihen sich hier hippe Designerläden und Boutiquen an schnucklige Cafés, die ein idealer Ausgangspunkt sind, um die Stadt zu erkunden. Also auf gen Norden!

Bereits aus der Ferne kündigt sich Tel Avivs größter Lebensmittelmarkt, der Carmel Market, durch dichtes Menschengewimmel an. Hat man sich von seinem Nordeingang aus erst einmal am üblichen Souvenir-Kitsch und diversen Luxusproduktfälschungen vorbei und durch die Menschenmenge gekämpft, eröffnet sich hier eine schier unendliche Fülle lokaler Lebensmittel. Fußläufig gut 30 Minuten entfernt liegt das »Tel Aviv Museum of Art«, dessen spektakuläre Kunstsammlung Werke von Picasso, Matisse und Chagall umfasst. Doch Obacht: Freitags schließen sämtliche öffentliche Einrichtungen bereits am frühen Nachmittag, da mit Sonnenuntergang der Schabbat anbricht, Israels offizieller Ruhetag – wobei Ruhe in Tel Aviv anders definiert wird als im Rest des Landes. Mögen andere Orte in Israel ab Freitagabend in einen 24-stündigen narkoseähnlichen Zustand verfallen, in Tel Aviv dreht das Nachtleben jetzt erst so richtig auf. Nicht umsonst trägt die Stadt den Namen »New York des Nahen Ostens« – es ist eine Stadt, die niemals schläft.

Nicht minder im siebten Himmel dürfen sich hier aber auch Gourmets fühlen. Die ganze Welt blickt auf Tel Avivs innovative Restauratszene. Zu den besonders empfehlenswerten Adressen zählt etwa das »North Abraxas« von Eyal Shani, der hier ein täglich wechselndes Menü offeriert und mit seinen Lokalen (u. a. »Miznon«) auch in Mitteleuropa präsent ist. Zum Niederknien gut sind hier etwa die gedünsteten Baby-Zucchini, auf einfachste Weise mit Olivenöl, Meersalz und dem traditionellen Tzfat-Käse angemacht, sowie das Feigen-Carpaccio mit heimischem Ziegenmilch-Blauschimmelkäse. Dazu ein Glas 2022er Sauvignon Blanc vom Weingut Sphera aus den judäischen Hügeln – köstlich!

Zu später Stunde geht es zurück nach Jaffa, wo sich die Cafés inzwischen in Bars gewandelt, Nachtclubs ihre Pforten geöffnet haben und die Nacht kein Ende kennt. Tel Aviv ist Party bis zum Abwinken.

Samstag

Am Samstag zieht es die Städter nach einem ausgedehnten Frühstück an die herrlichen Sandstrände und ins Künstlerviertel Florentin.

Am Vorabend ein bisschen zu tief ins Glas geschaut? Zum Glück bietet das »Herzl 16«, Tel Avivs beliebtestes Brunch-Lokal, das idyllisch in einem schattigen Hinterhof liegt, ebenso nahrhafte wie wohlschmeckende Frühstücksvarianten. Zum Beispiel Brotpudding mit Matcha-Eis – außergewöhnlich, aber umso köstlicher schmeckt dieses süße Gericht! Der Weg hierher führt über den Rothschild-Boulevard, Tel Avivs Prachtstraße mitten durch die weltweit größte Ansammlung von Gebäuden im Bauhaus-Stil an einem Ort. An die 4000 sollen es in ganz Tel Aviv sein, die meisten davon erbaut von aus Europa emigrierten Architekten und 2003 in den Rang eines UNESCO-Weltkulturerbes erhoben.

Vom Lokal aus ist es nur ein Katzensprung ins Künstlerviertel Florentin mit seiner Vielzahl an Galerien und Ateliers. Bis in die 1990er-Jahre war dieser Stadtteil ein sozialer Brennpunkt. Aufgrund der niedrigen Mieten siedelten sich irgendwann zahlreiche Künstler und Kreative hier an, alsbald folgten auch Besserverdiener – Gentrifizierung ist auch in Israel kein Fremdwort. Bis heute lebendig und weltweit renommiert ist indes die lokale Street-Art-Szene, die ihren Ursprung in dem schlichten Umstand hatte, dass die Häuser in diesem Quartier einstmals so heruntergekommen waren, dass ihre Bewohner sie mittels Graffiti verschönerten.

Nach der Kultur ruft der Strand! 14 Kilometer lang verläuft dieser die Küste entlang, von der noblen Marina im Norden bis zum ältesten Teil der Stadt, dem Hafen Yafo, gibt es ganz unterschiedliche Strandabschnitte. Im Norden ist der Sand sehr fein, weiter südlich wird er gröber. Die meisten Bars und Cafés gibt es im Abschnitt gleich südlich der Marina, dem Gordon Beach. Am Nordau Beach, dem »religiösen Strand«, baden orthodoxe Juden nach Geschlecht getrennt. Das Meer ist hier bis in den November hinein behaglich warm. Weniger angenehm hingegen sind in Tel Aviv die Sommermonate. Während dieser Zeit herrscht in der Stadt eine drückende Hitze, die auch in den Nachtstunden kaum abnimmt.

Dafür sind die Restaurants für europäisches Empfinden auf Eiseskälte heruntergekühlt. Das Mitnehmen einer Strickjacke empfiehlt sich. Entsprechend ausgestattet geht es ins »Milgo & Milbar«, das einem von Einheimischen als bestes Fischrestaurant der Stadt angepriesen wird. Küchenchef Moti Titman verbindet hier mediterrane mit nahöstlicher Küche. Seine Spezialitäten sind das Seefisch-Carpaccio mit knusprig gebratenem Ingwer, frischen Blättern und grünem Chili. Dazu ein 2022 Fumé Blanc vom Weingut Vortman aus dem Karmel-Gebirge im Norden des Landes – was für ein genussvoller Ausklang für den Tag.

Sonntag

Jerusalem mit seinen historischen Stätten ist der Höhepunkt jeder Israel-Reise. Im modernen Teil der Stadt lädt das populärste Lokal des Landes zu einer außergewöhnlichen Erfahrung.

Über die erste voll elektrifizierte Schnellzugstrecke des Landes sind es gerade einmal 28 Minuten von Tel Aviv nach Jerusalem. Diesen Schwung im Rücken, startet man den Tag in Israels Hauptstadt am besten früh mit der Besichtigung des Tempelbergs, zu dem Nichtmuslime nur zweimal täglich Zugang erhalten, denn das erste Zeitfenster öffnet sich bereits um 7.30 Uhr. Mit der al-Aqsa-Moschee und dem Felsendom finden sich dort zwei der wichtigsten Heiligtümer des Islam. Nach muslimischer Vorstellung soll von diesem Ort der Prophet Mohammed in den Himmel aufgestiegen sein.

Bis zu seiner fast vollständigen Zerstörung durch die Römer im Jahr 70 n. Chr. befand sich auf dem Plateau auch der für Juden heilige zweite Tempel des Herodes. Bis heute erhalten ist nur sein westlicher Teil, die Klagemauer. Allzu lange gefangen nehmen lassen sollte man sich vom beeindruckenden Anblick der den Kopf und die Hände ans Gemäuer pressenden Gläubigen jedoch nicht, zu umfangreich ist die Liste der weiteren Programmpunkte. Außerdem gestaltet sich der Aufstieg auf den nahe gelegenen Ölberg – vorbei am weltweit ältesten jüdischen Friedhof – bei vormittäglich milden Temperaturen weit angenehmer. Von oben entwirrt sich das Labyrinth der Jerusalemer Altstadt, deren Stadtviertel, mit Ausnahme des armenischen Viertels, Menschen der jeweiligen Glaubensrichtungen vorbehalten sind.

Optisch dominierendes Bild in den verwinkelten Gassen der Altstadt sind die orthodoxen jüdischen Männer in ihren schwarzen Anzügen, wobei der Anteil der jüdischen Bevölkerung in Jerusalem tendenziell etwas zurückgeht: Bei der letzten Erhebung im Jahr 2021 waren etwa 62 Prozent der Jerusalemer Bürger jüdischen Glaubens und knapp 36 Prozent Muslime. Der Anteil christlicher Einwohner liegt im Zwei-Prozent-Bereich. Dafür sieht man immer wieder christliche Pilger, die auf der Via Dolorosa, dem Kreuzweg Christi, schwere Holzkreuze auf den Schultern tragen und Choräle singen.

Durch das Damaskus-Tor gelangt man von der Jerusalemer Alt- in die Neustadt. Der Weg dorthin führt am berühmten österreichischen Pilgerhospiz vorbei, in dem sich mit dem »Café Triest« das wohl einzige Wiener Kaffeehaus des Nahen Ostens befindet – ein perfekter Ort, um seine Energiespeicher mit Sachertorte, Kaiserschmarrn und Schnitzel aufzufüllen.

Im modernen Jerusalem lockt indes mit dem »Machneyuda« das derzeit populärste Restaurant des Landes. Die Stimmung dort ist vibrierend und frenetisch, die Musik so ohrenbetäubend laut, dass man sich zueinander beugen muss, um die Kellnerin zu verstehen. Auf der Karte steht hier israelische Fusionsküche. Die Hausspezialität ist Polenta mit Pilzragout im Einmachglas. Dazu gibt es Arak, einen klaren, ungesüßten Anisschnaps, mit dem sich hier auch schon mal die Kellner gegenseitig zuprosten. L’Chaim!

© Stefanie Hilgarth / carolineseidler.com

Tipps & Adressen

Tel Aviv

HOTELS

InterContinental David***** (1)
Luxuriöses, als koscher zertifiziertes Hotel in Gehweite zum Strand und dennoch zentral im Viertel Neve Tzedek gelegen. Die Suiten bieten eine atemberaubende Aussicht aufs Meer und die Strandpromenade Schlomo Lahat. Das hauseigene Gourmetrestaurant »Nomi« verwöhnt mit Neuinterpretationen traditioneller israelischer Küche.

Kaufman Street 12
T: +972 3795 1111, ihg.com

The Norman TEL AVIV***** (2)
Höchste Standards erfüllendes Boutiquehotel in zwei aufwendig sanierten Bauhaus-Gebäuden mitten im Stadtzentrum. Vom Pool auf der Dachterasse aus hat man einen bezaubernden Blick auf das Stadtpanorama. Keine Wünsche offen lässt die Hotelbar, die zu den besten der Stadt zählt.

Nachmani Street 23–25
T: +972 3543 5555, thenorman.com

The Setai Tel Aviv***** (3)
Im Herzen der antiken Hafenstadt Jaffa liegt diese luxuriöse Hotelanlage. Fünf historische Gebäude der osmanischen Polizeistation wurden mit zeitgemäßem Design wiederbelebt. Das türkische Hammam-Spa und der Infinity-Dachpool sind nur zwei der dort gebotenen Highlights.

David Razi’el Street 22
T: +972 3526 3332, thesetaihotels.com

RESTAURANTS

Joz Ve Loz (1)
Entzückendes Restaurant mit Wohnzimmerambiente und radikalem Konzept: Man zahlt, was einem das Essen wert ist. Chefkoch Ran Shmueli gilt als größtes aufstrebendes Talent des Landes.

HaTnufa Street 7
T: +972 3560 6385

Milgo & Milbar (2)
Die Top-Adresse für Casual Fine Dining. Auf der Karte stehen iraelisch-japanische Fusionsgerichte.

Rothschild Boulevard 142
T: +972 5079 81318, milgomilbar.co.il

North Abraxas (3)
Im Restaurant von Chefkoch Eyal Shani erlebt man Tel Aviv von seiner authentischsten Seite: lebhaft, lustig und stilvoll.

Lilienblum Street 40
T: +972 3516 6660, northabraxas.com

OPA (4)
Starköchin Shirel Berger kocht hier rein pflanzlich. Im Dachgarten des Restaurants baut sie ihr eigenes Bio-Gemüse an.

Ha-Khalutzim Street 8
T: +972 5258 38245, opatlv.co.il

BARS, CaFés

BAr 51 (1)
Angesagte Weinbar mit ergänzenden kleinen Gerichten, die ein Beispiel geben, wie unkompliziert guter Geschmack sein kann.

Hayarkon Street 59
T: +972 3540 6680, bar51tlv.com

Herzl 16 (2)
Egal, um welche Uhrzeit man ins »Herzl 16« kommt, hier ist immer etwas los – in diesem kulinarischen Alleskönner ist für jeden Geschmack etwas dabei.

Herzl Street 16
T: +972 3554 4300, herzl16.co.il

Jerusalem

HOTELS

THE king David***** (1)
Westlich des Jaffators liegendes Grandhotel mit dem größten Pool der Stadt. Alle Suiten bieten Blick auf Jerusalems historische Stadtmauern. Auf tragische Weise weltweit bekannt wurde es durch einen Bombenanschlag im Jahr 1946.

King David Street 23
T: +972 2620 8888, danhotels.com

Orient Jerusalem***** (2)
Ruhig in einer Seitenstraße gelegenes Luxushaus, von dessen Frühstücksbuffet die gesamte Stadt schwärmt. Der Wellnessbereich bietet ein traditionelles Hammam, einen Whirlpool und Saunaanlagen.

Emek Refa’im Street 3
T: +972 2569 9090, isrotel.com

RESTAURANTS

Chakra (1)
Gediegenes Restaurant, von dessen Terrasse man einen zauberhaften Blick auf die Parkanlage Mair Sherman Garden genießt.

King George Street 41
T: +972 2625 2733, chakrarest.com

Machneyuda (2)
Das Lokal muss man erlebt haben: Typisch israelische, ausgelassene Stimmung trifft auf moderne israelisch-arabische Küche der Spitzenklasse.

Beit Ya’akov Street 10
T: +972 2533 3442, machneyuda.co.il

BARS, CaFés

Tmol Shilshom (1)
Das kleine Jerusalemer Büchercafé serviert hervorragendes Schakschuka und ist Anlaufstelle für Größen der israelischen Literaturszene.

Yo’el Moshe Salomon Street 5
T: +972 2623 2758, tmol-shilshom.co.il

Anreise

Israel verfügt über zwei Flughäfen mit internationalen Verbindungen: Ben Gurion östlich von Tel Aviv und Eilat am Roten Meer. Aus dem deutschsprachigen Raum können Sie von acht Flughäfen aus im Direktflug Richtung Israel abheben: Zum Beispiel mit El Al Airlines von Wien, Frankfurt oder Basel aus nach Tel Aviv.


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Erschienen in
Falstaff Nr. 07/2023

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Sebastian Späth
Sebastian Späth
Chefredakteur Deutschland
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