© Willi Klinger

Kultmetzger der Toskana: Wenn Dario Cecchini das Messer wetzt

Zu den toskanischen Kultfiguren kann man getrost auch Dario Cecchini rechnen, den charismatischen Metzger aus dem Gebiet des Chianti Classico, dem Netfilx in der Serie »Chef’s Table« 2015 eine eigene Sendung widmete und damit seinen Legendenstatus über den Erdball verbreitete. Neben seiner Fleischerei betreibt er im kleinen Dorf Panzano in Chianti auch drei Restaurants und seit Covid auch einen Panini-Truck.

Niemand repräsentiert den kulinarischen Spirit der Toskana mehr als der heute 68-jährige Dario Cecchini, der 1976 ein Veterinärstudium an der Universität Pisa abbrach, weil er seinem urplötzlich erkrankten Vater am Sterbebett versprechen musste, die »Antica Macelleria Cecchini« in achter Generation weiterzuführen. »Ich habe mir damals den Fleischerschurz umgebunden, und ihn nie wieder abgenommen«, kommentiert der charismatische Hüne sein persönliches Berufsethos.

Dazu gehört auch seine tiefe Abneigung für Fleisch aus Massenproduktion, die er bei seinen zahlreichen Interviews mit vehementen Plädoyers für eine artgerechte Tierhaltung, stressfreie Schlachtmethoden und die Verwendung des ganzen Tieres und nicht nur der Filetstücke untermauert: »Es entspricht meinem Respekt für das Tier, seinem Leben und seinem Tod, alles von ihm bis zur letzten Sehne mit Verantwortung zu nutzen.«

Neben der traditionsreichen Metzgerei führt Cecchini mit seiner amerikanischen Frau Kim in Panzano auch drei Restaurants, in denen sich alles um Rindfleisch von der Nase bis zum Schwanz dreht – »nose to tail« auf toskanisch. In der »Officina della Bistecca«, dem traditionellen Flaggschiff, sitzt man an einer großen Tafel mit wildfremden Leuten, die einem bereits nach dem zweiten Glas Chianti aus der Bastflasche wie alte Freunde vorkommen.

Zum Rezept: Bistecca alla Fiorentina

Die Stimmung ist ausgelassen, dafür sorgen schon die Showeinlagen des Chefs und seiner Gang: da wird schon einmal Dante oder Shakespeare zitiert, wenn spannendicke Bistecche alla Fiorentina mit den Grillhandschuhen vom Rost geholt und himmelwärts gestreckt werden: »To beef or not to beef« deklamiert der Zeremonienmeister und schneidet Filet und Beiried vom T-Knochen und dann in dicke Tranchen oder mundgerechte Würfel. Diese werden mit grobem Salz bestreut, erstklassigem Olivenöl beträufelt und mit den Händen gut durchgemischt, während die hungrigen Gäste mit dem einfachen Chianti aus Gläsern mit roter Aufschrift »Carne Diem!« vorglühen. Darios Credo lautet »Gutes Essen, faire Preise und fröhliche Geselligkeit«, eine Philosophie, die er mit seinem gewinnenden, gastfreundlichen Naturell Tag für Tag in die Tat umsetzt.

Die Fleischorgie von Tartar, Carpaccio und diversen Cuts vom Grill kostet in der Officina 50 Euro, all-you-can-eat inklusive weißen Bohnen, Bratkartoffeln, rohen Gemüsesticks, toskanischem Weißbrot und dazu free flow vom einfachen Bauern-Chianti mit etwas flüchtiger Säure. Wem das zu wenig Weinerlebnis ist, kann ohne Korkgeld seine Kultweine aus dem eigenen Bestand mitbringen.

Für 40 Euro all inclusive ist man gleich gegenüber im »Solocicci dabei und bekommt die Nose-to-Tail Philosophie anhand von gekochten, geschmorten, gegrillten und faschierten Stücken mit den üblichen Beilagen bis zum Abwinken serviert. Nur 30 Euro zahlt man im »Panzanese« für drei Gänge: Tartare, Carpaccio und das runde Panzanese-Ribeye mit allem Drumherum, aber auch hier ist noch jeder Gast mehr als satt geworden.

Da Dario selbst als Idol der Karnivoren immer am Puls der Zeit ist, bietet er in jedem der drei Restaurants auch eine vegetarische Menüfolge an: Crostone mit falschem Sugo, eine klassische Pappa al Pomodoro oder geschmorte Zwiebeln auf einer Kichererbsen-Tarte bieten auch ohne Fleisch ein authentisches Toskanaerlebnis.

Kürzlich wollte ich in Panzano zu Mittag nur einen schnellen Imbiss nehmen, weil ein großes Dinner bevorstand. Die Sucheingabe »Panini – Panzano« ergab ein überraschendes Ergebnis: Dario’s Panini Truck  – ein mobiler Grill, den der erfinderische Metzger in der Zeit der Lockdowns angekauft hatte und seither an einem Parkplatz am Ortsende betreibt. Er war tatsächlich in Betrieb als ich aus dem Auto stieg und zu meinem noch größeren Erstaunen auch Dario in Person bei der Inspektion seiner mobilen Einsatztruppe antraf.

Sofort erinnerten wir uns, dass wir vor 10 Jahren mit Wolfgang Puck und Giovanni Manetti, dem Besitzer des Weinguts Fontodi, in Beverly Hills ein gemütliches Sonntagslunch eingenommen hatten. Ich solle unbedingt noch bei ihm in der Macelleria vorbeikommen. Aber vorerst genoss ich das beste Panino meines Lebens: Pastrami ofenwarm und saftig, super gewürzt, herrlich garniert in einem knusprigen Toskanaweckerl vom lokalen Bäcker. Nirvana alla toscana!

Danach lernte ich oben im »Solociccia« beim Filterkaffee und wunderbarem Olivenölkuchen noch einen ehemaligen Apple-Entwickler und seine französische Frau kennen, die gerade einen Haufen Bisteccawürfel serviert bekamen. Aber jetzt war es Zeit für meinen Termin mit Giovanni Manetti, der seit sechs Jahren der Präsident des Consorzio del Chianti Classico ist. Oft hat das Leben auch sehr angenehme Zufälle auf Lager.

Zum Rezept: Bistecca alla Fiorentina


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Willi Klinger
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